Mercedes CLS 350 im Test: Wunderschöne Unvernunft – die niemand wirklich braucht…
Jetzt stellen wir uns mal ganz dumm und fragen: Was ist eigentlich ein Coupé? Ein Coupé (Französisch für „geschnitten“ oder „abgeschnitten“) ist im klassischen Sinne ein geschlossener zweitüriger Wagen mit einem sportlichen und eleganten Erscheinungsbild. Aha. Und warum steht dann mit dem Mercedes CLS 350 ein viertüriges Auto da vor der Tür?
Die Bezeichnung „Coupé“ ist deutlich älter als das Kraftfahrzeug und setzte sich bereits im Bau von Kutschen durch. Gegenüber der Limousine hat diese Karosseriebauform ein verkürztes, „abgeschnittenes“ oder stark nach hinten abfallendes Dach, das häufig von nur zwei Säulenpaaren getragen wird.
Die Zeiten ändern sich und Auto-Hersteller nennen ihre Fahrzeuge sowieso, wie sie wollen. Warum soll Mercedes-Benz dann seine platt geklopfte E-Klasse mit der offiziellen Bezeichnung CLS 350 nicht auch „Coupé“ nennen dürfen?
Argumente wie „sparsam“ oder „familientauglich“ sind beim Mercedes CLS fehl am Platz
Und wer kauft nun so etwas? Leute mit Geld und einem ausgeprägten Sinn für Design. Argumente wie „Sprit sparen“, „familientauglich“, „vernünftiges Platzverhältnis zur Größe“ oder gar „stadttauglich“ sind hier fehl am Platz. Dieses fast fünf Meter lange Auto hat zwar vier Türen, ist aber nicht als Gruppen-Transporter gedacht.
Schon beim Einsteigen heißt es hinten: Kopf einziehen und sich reinschlängeln. Ein paar Millimeter mehr Bein- und Kopffreiheit im Vergleich zum Vorgänger sollen es laut Mercedes zwar sein, doch große Mitfahrer sitzen in gewöhnlichen Limousinen einfach besser. Bereits bei 1,80 Metern Körpergröße nehmen die Fondpassagiere Kontakt mit dem Dach auf. Immerhin dürfen hinten nun drei Personen mitfahren, bei den Vorgängern waren es nur zwei.
Im Innenraum des CLS 350 zieht Mercedes-Benz alle Register
Im Innenraum ziehen die Schwaben alle Register, die sie zur Verfügung haben. Nur das passende Kleingeld sollte man haben, denn die Aufpreisliste ist lang. Wem die Basisversion nicht reicht, der braucht gefühlt mehrere Tage, um das Zubehör und die Gestaltungsvielfalt zu durchforsten, die Mercedes-Benz für den CLS bereithält.
Nicht nur Holz, Leder und Carbon (beim AMG-Modell) schaffen eine edle Atmosphäre. Die Ambientebeleuchtung (Serie) mit 64 Farben strahlt aus jeder Cockpitritze und umfasst sogar illuminierte Lüftungsdüsen, die je nach gewünschter Temperatur in Rot oder Blau leuchten.
Stylishes Armaturenbrett mit Widescreen-Display im neuen Mercedes CLS
Und wer will, kann sich beduften oder massieren lassen. Auch ein stylishes Armaturenbrett mit Widescreen-Display für gut 1000 Euro steht zur Verfügung, das hinter einer großen Glasabdeckung auf dem Cockpit zu stehen scheint und frei konfigurierbare Digitalinstrumente beherbergt. Was dem ein oder anderen zu viel des Guten sein dürfte, findet ein anderer gerade richtig, um das moderne Lounge-Ambiente im CLS zu unterstreichen.
Zur Serienausstattung des CLS gehören unter anderem LED-High-Performance-Scheinwerfer, 18 Zoll große Leichtmetallräder, Spurhalte-Assistent, 12,3 Zoll großes Media-Display, Ambientebeleuchtung inklusive beleuchteter Lüftungsdüsen, Mercedes me connect Dienste und Kommunikationsmodul mit LTE.
Tempomat des Mercedes CLS weiß, vor welcher Kurve er abbremsen muss
Die Assistenzsysteme übernimmt der CLS komplett von der S-Klasse, auch den vorausschauenden Tempomaten. Er hält sich an die über eine Kamera erkannten Tempolimits und weiß, vor welcher Kurve er automatisch abbremsen muss. Dem automatisierten Fahren kommt der CLS damit schon recht nah, auch wenn die Hände immer am Lenkrad bleiben müssen.
Die Sitze sollen den CLS zu einer rollenden Wellness-Oase machen. Denn die wurden exklusiv für diese Baureihe gestaltet, heißt es dazu aus Stuttgart. Die äußeren Plätze im Fond gleichen optisch den Vordersitzen, wodurch ein sportlicher Einzelsitz-Charakter entstehen soll. Die Lehnen können auf Wunsch im Verhältnis 40/20/40 umgelegt werden und erweitern so den 520 Liter fassenden Gepäckraum.
Der überragende Fahrkomfort des Mercedes CLS 350 liegt nah an der S-Klasse
Wer sich diesem Auto nicht öffnen kann (zu unlogisch, zu groß für ein Coupé, nicht notwendig), der verpasst allerdings ein luxuriöses Fahr-Erlebnis. Der überragende Fahrkomfort liegt nah an der S-Klasse. Selbst bei groben Straßenunebenheiten bleibt das Coupé völlig unbeeindruckt und lässt Insassen wie in Watte gepackt darüber schweben.
Im Sport-Programm rollt der CLS kaum weniger komfortabel dahin. Keine Frage: Die Fahrwerksabstimmung ist gelungen, zumal der CLS mit seiner direkten Lenkung auch noch recht dynamisch durch die Kurven wischt – das hat er der dicken S-Klasse eindeutig voraus. Die Geräusche sind so gut gedämmt, dass hauptsächlich Reifenabrollgeräusche auf rauem Untergrund zu hören sind.
Fazit: Wer Luxus und Tempo mag, hat hier nichts zu meckern
Mein Fazit: Toll, dass ich ein solches Auto einmal fahren durfte. Hat man ja nicht alle Tage unterm Fuß. Da ich nicht mindestens 64.000 Euro für ein Auto, das man eigentlich nicht braucht, übrig habe, werde ich auch nicht in die Bedrängnis kommen, die endlose Zubehör-Liste zu durchstöbern.
Aber ich bin auch nicht der Maßstab. Wer Luxus mag, gekoppelt mit Geschwindigkeit, neuester Technik und Fahrkomfort, der hat mit dem CLS 350 das passende Vehikel. Zu meckern gibt’s nichts – außer, dass die Stuttgarter vielleicht die Basisversion reichhaltiger hätten ausstatten können.
Die Werksangabe zum Verbrauch werte ich mal als Vorschlag. Wie viel der Wagen wirklich schluckt, bleibt dem Fahrverhalten des Piloten geschuldet. Ich würde wahrscheinlich zum besten Freund meines Tankwarts.
Technische Daten
Dieses Fahrzeug wurde uns zum Test zur Verfügung gestellt: Mercedes-Benz CLS 350 Coupé Motor: 3498 ccm, 230 kW/313 PS, 9-Gang-Automatik, Heckantrieb, Turbo-Direkteinspritzung, Euro 6d-Temp, 0 auf 100 km/h: 6,0 Sek., Spitze: 250 km/h (abgeriegelt), Verbrauch: 6,9 l Super/100 km (Werksangabe), CO2-Wert: 158 g/km, L/B/H in mm: 4988/1890/1435, Radstand: 2069 mm, Wendekreis: 11,6 m, Kofferraum: 520 l, Leergewicht: 1775 kg, Preis: ab 63.469 Euro