Hamburgs Digital-Papst: Darum sollte jeder über Wertpapiere nachdenken
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Soll ich Aktien kaufen? Auf dem Konto gibt’s keine Zinsen mehr, aber von Aktien muss man doch Ahnung haben, oder? Und ist es nicht längst zu spät zum Einsteigen? Digital-Marketing-Popstar Philipp Westermeyer (41) erklärt jeden Samstag in der MOPO aktuelle Themen und Trends an der Börse. Zum Auftakt spricht Aktien-Dummie Stephanie Lamprecht mit ihm über Indizes, Bauchläden und Erdbeerjoghurt.
MOPO: „Ohne Aktien wird schwer” – das macht mir etwas Angst. Auf dem Sparbuch wird das Geld wenigstens nicht weniger, aber Aktienkurse können ja abstürzen und dann ist das schöne Geld futsch. Soll ich mich da echt rantrauen?
Philipp Westermeyer: Die Sorge ist verständlich, aber es ist ja so: Der Betrag auf dem Sparbuch mag derselbe bleiben, aber man kann mit dem Geld immer weniger kaufen. Das machen sich viele nicht bewusst, diesen schleichenden Prozess der Inflation. An der Börse wird das Geld historisch gesehen aber immer mehr wert, wenn man sich da breit aufstellt.
Was heißt „breit aufstellen”?
Wenn man nur auf eine Firma wettet, kann das immer schiefgehen, aber wenn man ganze Körbe mit 30, 40 oder 500 Aktien kauft, dann ist die Kurve langfristig immer nach oben gegangen. Immer. Trotz Kriegen, trotz Krisen, auch wenn einzelne Firmen stark verlieren – in der Summe geht die Börse immer nach oben. Wir erleben ja auch gerade jetzt ein Allzeithoch, mitten in der Pandemie.
Lohnt es sich denn überhaupt, jetzt einzusteigen, wenn die Aktien gerade so teuer sind?
Idealerweise steigt man natürlich eher ein, wenn die Kurse unten sind, aber es weiß ja keiner, wie hoch es noch gehen wird. Und wenn man in einen Index, also einen ganzen Bauchladen, investiert mit verschiedenen Aktien, ist das Risiko kalkulierbar. Man sollte das Geld allerdings nicht in ein paar Monaten dringend benötigen, sondern sich fragen: Ist es in zehn Jahren mehr wert? Und die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch.
Was genau ist denn so ein Index oder Bauchladen?
Man zeichnet etwa ein Wertpapier, das bildet den ganzen Dax ab. Da hat man alle Firmen im Dax gekauft und dann kann auch mal eine pleitegehen – wie jetzt Wirecard – und der Dax bleibt trotzdem im Plus.
Ist es denn sinnvoll, Aktien von bekannten Firmen zu kaufen? Tesla, Apple, Netflix und so was?
Ich würde immer ETFs empfehlen.
Was ist das denn?
Das sind diese, wie ich sie nenne, Bauchläden. ETF steht für Exchange Traded Fund, das sind quasi Fonds ohne Fondsmanager. Da spart man sich auch die Gebühren. Da sind etwa alle Dax-Firmen drin in derselben Gewichtung. Und was der Dax macht, das macht auch der ETF. Das gibt’s auch für den Dow Jones, da sind dann die 30 größten US-Werte drin, oder für den Nasdaq oder für China, davon gibt es jede Menge.
Wie kriege ich so einen ETF?
Bei jeder Bank. Aber es gibt Tausende verschiedene und man muss sich überlegen, was man will. Einer der seriösesten und stabilsten Indizes nennt sich etwa S&P 500. Da sind die 500 größten Industrieunternehmen der Welt drin. Man wettet also darauf, dass die gesamte Weltwirtschaft kontinuierlich weiter funktioniert. Breiter kann man das Risiko gar nicht streuen.
Ich gehe dann zur Bank und sage was?
„Ich möchte einen ETF kaufen.“ Dann sagt die Bank: „Welchen denn?” Und Sie sagen: “Ich möchte einen ETF kaufen, der den S&P 500 abbildet.” Da gibt es dann verschiedene. Sie müssen sich das vorstellen wie Erdbeerjoghurt: Den haben ja auch viele Firmen im Angebot und Sie wählen aus, bei welcher Sie Ihren Joghurt kaufen.
Ah! Das hab‘ ich kapiert. Wenn ich jetzt 1000 Euro übrig habe, lohnt sich dann schon ein ETF?
Klar. Da kann man auch mit 100 Euro einsteigen. Man kann auch monatlich in einen ETF investieren, als Sparplan. Das hat den Vorteil, dass man auch immer mal wieder sehr günstig einkauft, wenn die Kurse gerade unten sind.
Gibt es so einen ETF-Bauchladen auch nur mit nachhaltigen Firmen?
Absolut. Es gibt einen großen Clean Energy ETF, da sind etwa Firmen für Windkraft und Wasserstoff drin. Es gibt ETFs, da ist nur die Automobilindustrie drin, oder welche mit Technikfirmen, es gibt alles. Aber wenn man etwa nur auf nachhaltige Firmen setzt, ist das Risiko größer, als wenn man auf die größten Firmen der Welt setzt. Das muss man abwägen.
Wer nur in „gute“ Firmen investieren will, muss also auf Profit verzichten?
Nicht zwangsläufig. Es gibt Studien, nach denen in den vergangenen Monaten nachhaltige Firmen sich sehr gut entwickelt haben. Die Frage ist nur, ob das auch in zehn Jahren noch so ist.
Gibt es Leute, die lieber die Finger lassen sollten von der Börse?
Wenn man jetzt älter ist und das Geld bald braucht, weil man in Rente geht, dann ist etwa eine Wette auf die chinesische Wirtschaft eher ungeeignet. Wenn man 20 ist, kann das aber total sinnvoll sein.
Sollten Oma und Opa für ihre Enkel solche Aktienbauchläden kaufen?
Das ist auf jeden Fall besser als ein Sparbuch.
Hat man als Aktienbesitzer eigentlich Mitspracherecht? Werde ich dann zu den Aktionärsversammlungen eingeladen?
Es gibt Aktien mit und ohne Stimmrecht. Und wenn man einen ETF kauft, dann hat man eh nicht direkt in die einzelne Firma investiert. Aktionärsversammlungen, die waren früher ein Happening, heute eher nicht mehr. Und man ist ja nur ein sehr, sehr kleiner Gesellschafter, da hat man nicht wirklich etwas zu sagen.
Was gibt es denn für Alternativen, wenn man Aktien nun partout zu unsicher findet?
Das ist es ja. Es gibt keine Alternativen. Früher gab es fünf Prozent Zinsen auf Staatsanleihen, diesen risikolosen Zins gibt es heute nicht mehr. Wer sein Geld konstant halten will, muss heute ein gewisses Risiko eingehen, aber man kann das Risiko so klein wie möglich halten, indem man halt nicht eine, sondern Hunderte Firmen kauft.
Letzte Frage: Wie kommt’s, dass Sie davon so viel Ahnung haben?
Ich komme ja eigentlich aus dem Digitalbusiness und habe in den vergangenen zehn, 20 Jahren erlebt, wie sich Firmen aus dem Bereich entwickelt haben. Facebook, Amazon und Google, das waren kleine Start-ups, als ich in meinem Beruf anfing. Jetzt sind das die wertvollsten Firmen der Welt. Diese Reise habe ich miterlebt als Beobachter und teilweise auch als Aktionär. Das hat mich total fasziniert. Und jetzt, wo viele Menschen sehen: „Verdammt, das Geld auf meinem Konto wird weniger, ich muss mich mal mit Aktien beschäftigen”, da haben wir den Podcast begonnen. Und ihn so genannt, wie es ist: „Ohne Aktien wird schwer.”
Jetzt überall, wo es Podcasts gibt: „Ohne Aktien wird schwer“.