Ben Becker

„Ich bin Geschichten-Erzähler“, sagt Ben Becker (60) über sich selbst. Im Michel erzählt er Anfang Februar das „Todesduell“ von John Donne. Foto: FACELAND.COM

„Da kommt ganz schön was auf mich zu“: Ben Becker über „Todesduell“ im Michel

Ben Becker steht als Schauspieler vor der Kamera, schreibt Bücher, macht Musik und gibt szenische Lesungen. Nun präsentiert der Berliner mit der markanten Stimme ein neues Bühnenprogramm. „Todesduell“ basiert auf einer berühmten Predigt des Priesters John Donne aus dem Jahr 1631. Der Dekan von Londons St. Paul’s Cathedral ist in Erinnerung geblieben als Dichter in einer Zeit, in der die Poesie neben dem Theater und der Musik im Mittelpunkt des kulturellen Lebens stand. Was an seiner Person so faszinierend ist, erklärt Ben Becker im Interview.

MOPO: „Todesduell“ dreht sich um eine Predigt, die John Donne im Beisein von König Charles I. gehalten hat. Wie sind Sie auf diesen Text gestoßen?

Ben Becker: Mir ist er zum ersten Mal begegnet, als ich bei den Salzburger Festspielen als Tod im „Jedermann“ aufgetreten bin. Der damalige Spielleiter Thomas Oberender fragte mich, ob ich nicht die Saison Schauspiel mit diesem Text im Haus für Mozart eröffnen möchte. Nachdem ich ihn gelesen hatte, dachte ich: „Hoppla, da kommt ja gewaltig was auf mich zu!“ Seitdem hat John Donne mich nie wieder losgelassen. 

Wie haben Sie einen Ton gefunden, der diesem Text gerecht wird?

Ich bin tatsächlich immer noch auf der Suche. Das ist das Schöne an großartigen Texten. Ich habe rund 150 „Judas“-Vorstellungen gespielt, aber es geht immer wieder eine neue Tür auf. Das macht einen Text interessant. Man ist eigentlich ständig auf der Suche. Ich glaube nicht, dass es einen letztgültigen Ton gibt, den ich finden kann. Manchmal tritt innerhalb eines ganz schwierigen, ernsthaften Blocks ein süffisantes Lächeln hervor. Ich gebe mir Mühe, in diesem schwierigen Text auch eine Leichtigkeit zu finden.

Wenn John Donne einmal außerhalb der St. Paul’s Cathedral predigte, sollen die Menschen zu Tausenden herbeigeströmt sein, um ihn an der Themse sprechen zu hören. Wie stellen Sie ihn sich vor?

Ich stelle ihn mir als einen humorvollen, wissbegierigen Mann vor. Ein Mann, der die Gabe hatte, durch sich und seine Auseinandersetzung sowohl mit geistlichen als auch weltlichen Themen die Menschen zu faszinieren und zu fesseln. Ein Mann, der es geschafft hat, seine Liebe zur Schöpfung uns nahezubringen. Ein Rockstar seiner Zeit.

Schlüpfen Sie in die Rolle des Priesters Donne?

Man schlüpft nicht in eine Rolle. Man erarbeitet sie sich. Ich finde dafür leider keinen besseren Ausdruck als szenische Lesung. Ich agiere, habe Musik dabei und es kommt Gesang vor. Es wird auch bildlich eine Geschichte erzählt.

Donnes Predigten enthielten kühne religiöse Einsichten, Neuigkeiten aus Europa, Nachrichten über Kriege, Propaganda, Witze, neue religiöse Sichtweisen und Verweise auf Dichter. War er ein früher Unterhaltungskünstler, mithin ein Kollege von Ihnen?

Ja, er war auch ein Unterhaltungskünstler, aber mit einem ernsthaften Anliegen. Das habe ich auch. Es geht über Unterhaltung hinaus. Es gibt Gemälde von John Donne als jungem Mann. Ich entdecke in seinem Gesicht immer ein verschmitztes, aber schönes Lächeln. Es strahlt Lebensfreude aus. Donne muss eine unheimlich starke Persönlichkeit gewesen sein, um die Zuhörer mit einem Vortrag von weit über drei Stunden zu fesseln. Ich hoffe, ich kann etwas von ihm in unsere Zeit rüberbringen.

Sie machen es sich aber wirklich nicht leicht!

Das ist ein Steckenpferd von mir. Wegen dieser ganzen seichten Unterhaltung bin ich heute nicht mehr oft im Fernsehen zu sehen. Es langweilt mich. Ich habe das Anliegen, eine spannende Geschichte zu erzählen. Da ich aus einer Theaterfamilie komme, interessieren mich klassische, schwierige Stoffe. Jetzt habe ich etwas entdeckt, was bei Hannah Arendt und Ernest Hemingway Anklang gefunden hat. Der Satz „For whom the bell tolls“ stammt ja von John Donne. Das nach draußen zu tragen, habe ich mir zur Aufgabe gemacht. Ich bin Geschichtenerzähler.

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Hat die Beschäftigung mit John Donne Ihre Beziehung zur Kirche und zu Gott eigentlich verändert?

Natürlich hat es etwas mit mir gemacht. Ich glaube, die Kirche setzt sich im besten Fall auf einem sehr hohen Niveau auf eine ernsthafte Art und Weise mit dem auseinander, was wir sind und was um uns herum ist. Ich sage über mich gerne, dass ich ein dialektischer Materialist bzw. christlicher Kommunist bin. Diese Auseinandersetzung passt gut mit der Kirche zusammen – und mit den existenziellen Fragen, wo wir herkommen und wo wir hingehen.

Die Kirchenaustrittszahlen sprechen Bände. Hat die Kirche nur eine Zukunft, wenn sie sich weltlichen Dingen öffnet?

Ich vermute, dass da etwas dran ist, und ich durfte feststellen, dass viele Kirchenvertreter ähnlicher Meinung sind. Wenn ich mit dem Mann rede, der da oben am Kreuz hängt, habe ich das Gefühl, er ist irgendwie mein Freund, mit ihm habe ich etwas zu tun. Aber ich glaube nicht an einen alten Mann mit weißem Bart. Ich glaube aber durchaus an die Schöpfung als solche.

Hauptkirche St. Michaelis: 7./8.2., 20 Uhr, Karten ab 45,55 Euro unter Tel. 040/450118676

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