Emilia Galotti am Thalia Theater: Starke Geschichte einer Selbstbefreiung
Anne Lenk inszeniert „Emilia Galotti“ am Thalia Theater als Geschichte einer Selbstbefreiung.
Wie Bilder einer Ausstellung blitzen die einzelnen Szenen auf der Bühne auf: Ein mit Leuchtröhren umrahmter Schaukasten versinkt in einem totalen Schwarz, bevor die Figuren plötzlich grell angeknipst werden. Mintfarben strahlt das Gemäuer, dessen Elemente bei jeder neuen Aufstellung der Figuren in unterschiedlichen Kombinationen ein- und ausgezogen werden. Die kleinen, aber komplizierten Veränderungen sorgen für einen extragroßen Wow-Effekt. „Emilia Galotti“ am Thalia Theater punktet mit technischer Raffinesse und Perfektion.
„Ich bin nicht mehr eure Emilia!“
Emilia ist ein Spielball der Männer. Ihr Vater wacht über ihre Tugendhaftigkeit wie ein Kettenhund. Der Graf Appiani, den sie heute heiraten wird, erscheint hier als blasierter und eitler Gockel. Der Prinz schließlich, der sich bei einem einzigen Treffen in Emilia verguckt hat, erteilt seinem Kammerherrn einen Freifahrschein für eine blutige Intrige, um sich Emilia zu greifen. Und die Frauen? Emilias Mutter und Orsina, die Ex-Geliebte des Prinzen, durchschauen die hinterhältigen Manöver. Der inhaltliche Clou in Anne Lenks Inszenierung offenbart sich gegen Ende. Da trumpft besonders Orsina groß auf, und selbst die verängstigte Emilia tritt schließlich als selbstbewusste Frau ins Rampenlicht und ruft: „Ich bin nicht mehr eure Emilia!“ Es ist der letzte Akt einer Selbstermächtigung.
Das könnte Sie auch interessieren: Schräg und schrill: Die Komödie „Sommerfest“ am Ohnsorg-Theater
Emilia und Orsina verschmelzen nun auch optisch, beide werden von Maja Schöne gespielt, die großartig von starrer Passivität zu starker Dominanz wechselt. Neben Schöne glänzen alle aus dem Ensemble, besonders Jirka Zett als läppisch-grausamer Prinz und eine wunderbare Cathérine Seifert als Marinelli. Ein starkes Stück!
4., 8., 9., 28.6., Thalia Theater, Karten 9-45 Euro, Tel. 040 32 81 44 44