Fabelhaftes Gesamtkunstwerk: „Wolf unter Wölfen“ am Thalia-Theater
Rien ne va plus: Wolfgang Pagel – „Fahnenjunker a.D.“ – hat im Berlin des Jahres 1923 schlechte Aussichten. Er ist spielsüchtig und pleite, die Hochzeit mit seiner Freundin platzt, einen Job hat er auch nicht. Im Lande herrschen Hyperinflation und Orientierungslosigkeit. Da trifft er auf alte Frontkameraden und landet auf dem Hof von Rittmeister von Prackwitz. Der muss dringend seine landwirtschaftlichen Geschäfte regeln, wozu er charakterlich nicht fähig ist. Und in seinem Forst bereiten Ex-Militärs einen Putsch vor, der die Regierung stürzen soll …
Regisseur Luk Perceval, der die ersten Jahre der Intendanz von Joachim Lux maßgeblich prägte, kehrt mit Hans Falladas Roman „Wolf unter Wölfen“ einmalig ans Thalia-Theater zurück – und wie! Das fantastische Bühnenbild (Annette Kurz) ist der heimliche Star des Abends. Erst symbolisiert ein riesiger Plastikball die fatale Roulettekugel, die Pagel Kopf und Kragen kostet. Später hängt sie hoch oben als Mond und strahlt auf den langsam wachsenden Stangenwald, den Nebelteppiche in eine so düstere wie wunderschöne Stimmung hüllen.
Die beiden Livemusiker (Rainer Süßmilch und Philipp Haagen) sorgen klanglich für eine weitere und durchdringende Ebene. Die Darsteller:innen sind eine Bank: Allen voran Sebastian Zimmler als Pagel, der zusätzlich als Erzähler über mehr als drei Stunden eine echte Höchstleistung vollbringt. Oda Thormeyer und Tilo Werner verdienen sich Sonderapplaus.
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Die Zwanziger, die wir hier erleben, sind nicht wild, sondern trostlos und chaotisch. Dass sich manche Themen in der Gegenwart spiegeln, macht das Stück umso unmittelbarer. „Wolf unter Wölfen“ ist ein starkes Stück Erzähltheater, das ästhetisch wie emotional überzeugt und dabei sogar für heitere Momente sorgt. Absolut sehenswert!
Thalia-Theater: 29./30.1., 9./10./12./18.2., diverse Uhrzeiten, 9-59 Euro