Festivals, Lesungen, Konzerte: Kultur-Profis verraten ihre Tipps für 2023
Wer sagt denn, dass nur schlechte News „good news“ sind? Weil wir von nervigen Nachrichten so langsam wirklich die Nase voll haben, gibt’s hier jetzt einfach mal was Schönes. Sieben Hamburger Kulturschaffende verraten, worauf sie sich in diesem Jahr ganz besonders freuen. Von der Museums-Direktorin bis zur Verlegerin, vom Musical-Darsteller bis zum (scheidenden) Festival-Chef: Alle geben Tipps für – ganz bestimmt unvergesslich schöne – Kultur-Highlights in Hamburg.
Empowerment und großartige Musik
Kathrin Baumstark, Direktorin des Bucerius-Kunst-Forums: „Im März 2023 kommt die große Künstlerin Angélique Kidjo für ein Festival in die Elbphilharmonie. Dabei hat sie Dobet Gnahoré, Somi, Lura, Shungudzo und Oum, großartige junge Sängerinnen, denen Kidjo – im wahrsten Sinne des Wortes – eine Bühne bietet. Kidjo hat ein Carte Blanche von der Elbphilharmonie erhalten und nutzt diese, um afrikanische Künstlerinnen zu supporten. Bereits 2018 durfte ich einen grandiosen Abend mit ihr in der Elbphilharmonie erleben, weshalb ich mich nun umso mehr auf vier Tage weibliches Empowerment und großartige Musik freue.“
Das Bucerius-Kunst-Forum zeigt noch bis 15.1. die Ausstellung „Die neuen Bilder des Augustus. Macht und Medien im antiken Rom“. Am 11.2. startet dann „Gabriele Münter. Menschenbilder“.
Eine Ausstellung, die Mut macht
Dayan Kodua, Schauspielerin, Autorin und Gründerin des Gratitude-Verlags: „Anlässlich des ,Black History Month‘ eröffne ich Anfang Februar meine Ausstellung ,My Black Skin: Lebensreisen‘ im Altonaer Museum. Präsentiert werden 22 Biografien ,erfolgreicher‘ Schwarzer Deutscher. Ihre Geschichten sollen anderen Menschen – egal welchen Hintergrundes – Mut und Zuversicht geben, ihre beruflichen und persönlichen Ziele zu erreichen. Die Fotografien von Thomas Leidig zelebrieren die Erfolge der Abgebildeten und zeigen, wie sie Chancen und Möglichkeiten ergriffen oder selbst kreiert haben. Das gleichnamige Buch dazu habe ich im Oktober 2022 veröffentlicht.“
Dayan Kodua hat im Dezember ihr neues Buch „Wenn meine Haare sprechen könnten“ im Gratitude-Verlag rausgebracht.
Schmachtend vor der Bühne stehen
Andrea Gerhard, Schauspielerin: „Ich freue mich, einen Mann zu sehen, der die Bühne betritt und nach 120 Sekunden schweißnass gebadet ist, weil er wie ein Flummi aus den 90ern über die Bühne hüpft. Es scheint, als wäre sein Bühnenboden ein Trampolin. Meine Liebe zu Bosse begann im Jahr 2009 in der schönsten Stadt der Welt, Hamburg. Das erste Mal habe ich sein Lied ,Liebe ist leise‘ im Radio gehört – ein magischer Moment für mich. Erst nach unzähligen Bosse-Konzertbesuchen durfte ich diesen – meinen Magic-Bosse-Song – live von ihm und der Band on Stage erfahren. Ich muss zugeben, ich war etwas enttäuscht, dass ich nicht auf die Bühne geholt wurde, um mit ihm gemeinsam zu singen. Aber vielleicht kommt das noch. Ich hoffe fest darauf, wenn ich Bosse am 16.4. auf seiner ,10 Jahre Kraniche‘-Tour in der Großen Freiheit 36 anschmachte, wenn er schwitzend über die Bühne springt und singt. Bosse ist ein feiner Kerl, mit guten Werten – aber auch mit super Songs!“
Andrea Gerhard ist gerade in der 16. Staffel von „Der Bergdoktor“ zu sehen, immer donnerstags um 20.15 Uhr im ZDF. Sie spielt die Arzthelferin Linn Kemper.
Politische Akzente und ein Abschied
Albert Wiederspiel, Geschäftsführer Filmfest Hamburg: „Das Jahr verspricht ganz toll zu werden – zumindest was Kultur in Hamburg angeht. Für den Rest muss man sehen, da bin ich in der Tat weniger optimistisch. Kulturell wird das Jahr vielversprechend anfangen: „Die Dreigroschenoper“ kehrt am 14.1. nach St. Pauli zurück. 20 Jahre nach der legendären Inszenierung mit Uli Tukur, Eva Mattes und Co. spielt diesmal u. a. Gustav Peter Wöhler (oh, welche Freude sage ich jetzt, obwohl ich da SEHR befangen bin) unter der Regie von Peter Jordan. Es verspricht, was ganz anderes zu sein, und ich bin schon sehr neugierig. Wöhler erzählt während der Proben kaum etwas … Dann im September: ,Boris Godunow‘ von Mussorgski an der Staatsoper, Regie Frank Castorf. Grandiose Oper, aber vor allem bin ich auf die politischen Akzente gespannt, die diese Inszenierung sicherlich beinhalten wird. Auch im September: das 31. Filmfest Hamburg. Was soll ich sagen? Es wird mein letztes sein, und wir geben uns große Mühe, dass es das Beste aller Filmfeste wird. Und am Ende des Jahres: eine grandiose Caspar-David-Friedrich-Ausstellung in der Kunsthalle. Endlich mal!“
Im September ist wieder Filmfest-Zeit. Danach verabschiedet sichAlbert Wiederspiel als Festivalleiter.
Ein Abend für Grenzensprenger
Benét Monteiro, „Hamilton“-Darsteller: „Ich freue mich wahnsinnig auf das Konzert von Michael Bublé am 17.3. in der Barclays-Arena. Ich liebe seine Stimme und wie er als Sänger mühelos zwischen den Genres Pop, Jazz und Swing wandelt. Sein vielseitiges Repertoire beeindruckt mich sehr. Das Konzert besuche ich gemeinsam mit einer meiner längsten Freundinnen aus meiner Heimat Brasilien. Maria Antonia und ich haben schon zusammen gesungen, bevor ich jemals einen Fuß auf eine Musical-Bühne gesetzt hatte. Inzwischen lebt sie mit ihrem Mann und Kind in Frankreich. Es ist zu einer Art Tradition für uns geworden, gemeinsam Konzerte zu besuchen und dabei unsere Freundschaft sowie unser beider Leidenschaft für Musik zu feiern, ob bei Bruno Mars, Justin Timberlake oder eben als Nächstes Michael Bublé!“
Benét Monteiro sprengt im Musical „Hamilton“ alle Genregrenzen: Auf der Bühne wird nicht nur gesungen, sondern auch gerappt! Zu sehen dienstags bis sonntags im Operettenhaus.
Kraftvolle Literatur und schräge Kunst
Amelie Deuflhard, Kampnagel-Intendantin: „Zu Beginn des neuen Jahres freue ich mich auf die Lesung ,Hund, Wolf, Schakal‘ von Behzad Karim Khani, dem Debütpreisträger des Harbour-Front-Literaturfestivals. Er ist am 2.2. bei ,Ham-Lit‘ im Uebel & Gefährlich. Sein Roman ist inspiriert von seiner Flucht als Kind aus dem Iran nach Deutschland und erzählt in poetischer Sprache extrem kraft- und würdevoll von Armut, Gewalt und dem Leben in der Fremde. Eine spannende, künstlerische Intervention gegen Vereinsamung verspricht Peter Kastenmüller mit der Gründung eines ,Ministeriums für Einsamkeit‘ ab dem 19.5., zusammen mit Anwohnenden der Veddel und Spielenden des Schauspielhauses. Ein wichtiges Thema im spielerischen Umgang mit Stadtgesellschaft und Behörden. Mein dritter Tipp gilt der Ausstellung ,Ernsthaft?! Albernheit und Enthusiasmus in der Kunst‘, die uns beweist, dass auch flacher Witz und Wahnsinn wichtige Perspektiven auf die Vernunft sind. Herrlich schräge Kunstwerke ab 13.5. in der Sammlung Falckenberg.“
Vom 18. bis 21.1. ist das Stück „Ensemble“ der Choreografin Jenny Beyer auf Kampnagel zu sehen, ab dem 2.2. Sasha Waltz‘ neues Tanzstück „In C“.
Wo Herzen im Sturm erobert werden
Stella Zindler, Head of Media Production & Distribution Reeperbahn-Festival: „Ich bin voller positiver Emotionen und schöner Erinnerungen, was Paolo Nutini und seine Musik betrifft. Sein Debüt-Album ,These Streets‘ hat mein Indie-Teenie-Herz 2007 im Sturm erobert. Das war auch das Jahr, in dem ich mein allererstes Konzert erleben durfte: Paolo Nutini im Berliner ,Huxleys Neue Welt‘. Seither sind knapp 16 Jahre vergangen, Nutini hat bis dato vier Studioalben veröffentlicht, wovon sein neues – ,Last Night In The Bittersweet‘ – mein absoluter Favorit ist. Für mich persönlich sind seine Musik und sein Sound nicht mehr mit 2007 zu vergleichen – er ist erwachsen geworden. So wie ich eben auch. Am 30.6. wird er im Stadtpark auftreten und ich weiß jetzt schon, dass das ein großes Highlight 2023 für mich sein wird. Und mein persönlich größtmögliches Highlight wäre es, ihn für eine Session ,Reeperbahn-Festival Collide‘ zu gewinnen – daran arbeiten wir.“
Das nächste Reeperbahn-Festival steigt vom 20. bis 23.9. in Hamburg.