„Notwehr“! Darum stellt dieser Hamburger Künstler seine Gemälde jetzt aus
Faouzi Al Kabbany malt und zeichnet seit seinem siebten Lebensjahr. Bislang fand die Kunst aber vor allem in seiner Freizeit statt – der Hamburger arbeitete als Fernsehgrafiker und Kommunikations- und Webdesigner, seit einigen Jahren ist er Marketingexperte. 2022 präsentierte der 57-Jährige seine Gemälde erstmals einer größeren Öffentlichkeit, jetzt folgt seine zweite Ausstellung. Ab dem 5. Mai zeigt Faouzi Al Kabbany seine Werke im Atelier Gausz in Ottensen. Zu sehen gibt’s dort – vor allem viel Schwarz.
MOPO: Sie arbeiten abstrakt, oft großformatig und mit diversen Materialien, darunter Teer und Sand, aber auch Draht, der Ihre Gemälde buchstäblich in den Raum greifen lässt. Wie entstehen Ihre Bilder?
Faouzi Al Kabbany: Ich habe großformatig begonnen, mittlerweile gibt es auch kleinere Bilder. Die Herangehensweise ist unterschiedlich. Manchmal mache ich eine Skizze, manchmal beeinflusst mich eine gesehene Form. Aber meistens kommt das Motiv aus dem Nichts. Aus dem Schwarz. Ich male eine Fläche schwarz an und warte, ob oder wann sie mich etwas fragt. Meine Antwort, also die ersten Pinselstriche, die ersten Kratzer, der erste Spachtelfleck und das Licht bestimmen dann die Richtung, die ich intuitiv gehe.
Im Atelier Gausz zeigen Sie im Mai eine Ausstellung mit dem Titel „Notwehr“. Sie sagen in der Ankündigung, „Notwehr“ sei Ihre Antwort „auf das Diktat einer bunten, lauten, schnellen Normgesellschaft mit Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom. Ein Entwinden aus der Klammer fehlgegangener Paradigmen“. Was läuft Ihrer Meinung nach falsch?
Ich bin – genau wie viele vor und nach mir – mit dem Paradigma des „Müssens“ aufgewachsen und sozialisiert worden. Du musst lernen. Du musst arbeiten. Du musst Geld verdienen. Du musst heiraten. Das kann man beliebig fortsetzen. Ich sehe dieses „Müssen“ – nachdem ich das selbst Jahrzehnte mitgespielt habe und teilweise auch noch mache – als Konditionierung von Menschen hin zu einem gesellschaftlich funktionalen, unkritischen, konformen Individuum. Ein berechenbares Individuum, zusätzlich befeuert von einer modernen Art „Brot und Spiele“. Und diese Spiele finden digital statt. Sie streamen laut, schnell und bunt für ein menschliches Belohnungssystem, das nur in ganz seltenen Fällen belohnt wird. Und auch hier ist überall „Müssen“. Man muss Follower haben, man muss diesen oder jenen Account haben, man muss ein Auto, einen Fernseher, einen Urlaub, wie die anderen, wie die in den Medien haben. Ich wehre mich gegen das „Müssen“. Ich will nur noch „wollen“. Mit mehr oder weniger Erfolg – und mit Kunst.
Ausstellung „Notwehr“: Ab 5. Mai im Atelier Gausz
Wenn man Ihre Bilder betrachtet, entdeckt man etwas Raues, Rohes, Kraftvolles. Wie also ist Ihre Antwort zu verstehen?
Es gibt Situationen, in denen der Mensch sein Recht in seiner Kraft zu suchen hat. Das ist Notwehr. Und dies fließt dann in meine schwarzen Bilder mit allem, was ich selbst auch sein kann. Kraftvoll, sanft, roh, rau, matt, glänzend, glatt, ruhig, aufbrausend, erhaben oder flach. Alles, was ich habe, ist auf der Leinwand. Mögen die Betrachterin und der Betrachter urteilen, ob sie und er mich darin erkennt, oder jemanden, irgendetwas oder sich selbst. Oder vielleicht Notwehr.
Suchen Sie das Gespräch mit Menschen, die sich Ihre Kunst ansehen? Wissen Sie, was sie in ihnen auslöst?
Das mache ich nie direkt. Ich möchte nicht zwischen der Betrachterin oder dem Betrachter und dem Bild stehen. Die Beiden sollen sich miteinander unterhalten. Aber ich freue mich über jede Aussage. Mir sagte jemand einmal: „Deine Bilder strahlen für mich eine ungeheure Ruhe aus.“ Das war sein Empfinden – und nur darum geht es. Einzig darum. Großartig.
Was erwartet die Gausz-Besucher und Besucherinnen ab dem 5. Mai?
Ich kann nichts anderes sagen, als: „Unbunte Kunst“. Meine Kunst. Vielleicht eine andere Art Kunst? Und ein Bier.
An was arbeiten Sie derzeit?
Ich arbeite an einer Ausstellung ohne Schwarz. Oder besser: mit hauptsächlich Weiß. Ein Gegenentwurf vielleicht!? Diese werde ich ab dem 1. Juni auch im Gausz zeigen. Und ich habe eine Porträt-Reihe begonnen. Mal sehen, was daraus wird. (NR)
Atelier Gausz: 5.-28.5., Gaußstr. 60; Vernissage: 5.5., 18 Uhr; Einführung: Sigrid Hoyer, Marco Carini, Eintritt frei;
Marco Carini ist MOPO-Kolumnist. Die MOPO macht im Gausz regelmäßig eigene Veranstaltungen.