Soul-Sänger Stefan Gwildis wird 65 – und fühlt sich „wie ein altes Zirkuspferd“
Der Hamburger Musiker und Sänger Stefan Gwildis hat auch mit 65 Jahren keine Lust auf Ruhestand. Seinen großen Durchbruch feierte er erst mit 45 Jahren. Sein Rezept für den späten Erfolg verrät er hier.
Vor rund 20 Jahren noch galt Stefan Gwildis als Geheimtipp für deutschsprachige Soul-Musik. Mittlerweile hat er sich längst bei einem großen Publikum einen Namen gemacht. Am Sonntag wird er 65 Jahre alt. Gwildis, in elegantem Schwarz und weißen Sneakern gekleidet, das Silberhaar auf halber Länge, strahlt beim Treffen im Restaurant „Engel“ an der Elbe eine ansteckende, positive Fröhlichkeit aus. Die ist über Jahrzehnte hart erarbeitet. Denn die Karriere als Grandseigneur des deutschsprachigen Soul war dem Hamburger als Sohn eines Reifenhändlers und einer Hutmacherin nicht in die Wiege gelegt.
Stefan Gwildis feiert am Sonntag 65. Geburtstag
Sein Geheimrezept? „Ich habe durch meine Eltern und meinen Großvater gelernt, Fragen zu stellen“, sagt Gwildis. So löcherte schon der 20-Jährige den Pförtner des Thalia-Theaters freundlich, aber bestimmt, wie man denn „bei dem Verein“ mitmachen könne. Woraufhin dieser ihn sogleich zum Casting für „Die drei Musketiere“ schickte. Und so erhielt Gwildis eine Ausbildung als Fecht- und Stuntman – und bekam erste Jobs.
„Ich habe mich von Projekt zu Projekt gehangelt. Das ist mein Weg. Ich hatte keinen Masterplan.“ Sein Lebensmotto hat er sich von einem Hafenarbeiter aus Zeiten körperlicher Schwerstarbeit bewahrt: „Mach mal, wie du meinst, aber geh den anderen nicht auf den Sack.“
„Wuttke II – Am Arsch der Welt“: Musical im Schmidt-Theater
Das tat er und arbeitete sich von ganz unten nach oben hoch. Die frühe Liebe gehörte der Musik und der Gitarre, mit Studienfreund Rolf Claussen gründete er 1982 das später erweiterte Duo Aprillfrisch und trat auf Plätzen und unter Brücken auf. Eines Tages traf er den Theatermacher Corny Littmann auf dem Spielbudenplatz, der gerade sein neues Schmidt-Theater aus der Taufe hob und ihn fragte, ob er nicht dort auftreten wollte. Er wollte. Das Anarcho-Musical „Wuttke II – Am Arsch der Welt“ wurde legendär.
Der ganz große Durchbruch kam aber erst viel später, mit 45 Jahren. 2003 arrangierte Gwildis Songs von Soul-Klassikern und traf mit dem Album „Neues Spiel“ einen Nerv. 13 Wochen lang hielt es sich in den Charts. Von da an konnte er seine Jobs als Weihnachtsmann und Sonnenbankaufsteller an den Nagel hängen. Und begeistert seitdem auf Konzertbühnen mit Können, Entertainer-Qualitäten und mitreißenden Liveauftritten flankiert von großer Band.
„Meine Konzerte sind fast wie Gottesdienste. Ich versuche Freude und Demut weiterzugeben“, sagt Gwildis dazu. Als eine Konzertagentur zögerte, ihn in die Laeiszhalle mit immerhin 2000 Plätzen zu buchen, fragte Stefan Gwildis wieder einmal selbst nach – und natürlich spielte er dort. „Seitdem mache ich mein eigenes Management.“
Zu seinen Erfolgen gehört aber auch das Projekt Söhne Hamburgs, bei dem er seit 2001 gemeinsam mit seinen Jugendfreunden Joja Wendt und Rolf Claussen immer wieder Musik macht. Die nächsten gemeinsamen Auftritte stehen von November an für eine Weihnachtstour an.
Auf seinem aktuellen Album „Bunt!“ huldigt er seiner nordischen Heimat („Sand von Sylt“), aber es geht ihm auch um eine Grundaussage: „Ich wünsche mir eine bunte, vielfältige Gesellschaft, die wie eine gute Fußballmannschaft funktioniert. Auch die Musikerinnen und Musiker meiner Band kommen von überallher, aus Polen, aus den USA, aus Afrika – das macht den Reichtum aus. Wir schaffen etwas zusammen. Das ist doch großartig!“
Stefan Gwildis’ aktuelles Album heißt „Bunt“
Auch sein langjähriger Weggefährte Corny Littmann würdigt den Künstler: „Ich liebe Stefan Gwildis, seine unverwechselbare Stimme, seine intelligenten Texte und seine unglaubliche Energie, die mich immer wieder begeistert. Sein neuester Song ,Bunt‘ ist Ausdruck seines sozialen Engagements und eine Hymne an die Vielfalt“, sagt Littmann.
Eine große Feier plant Stefan Gwildis zu seinem 65. Geburtstag nicht. Aber auch ans Aufhören verschwendet er keinen Gedanken. „Ich bin ein altes Zirkuspferd und ich werde so lange rennen, bis ich umfalle.“
„Stefan Gwildis liest und singt. Borchert. Pack das Leben bei den Haaren“: 29.1., 19.30 Uhr und 17.3., 18 Uhr, St. Pauli-Theater, 36 Euro