„Atlas“ am Schauspielhaus: Fakten? Die kann man einfach wegtanzen!
Zweifel zu streuen ist immer einfacher, als eigene konstruktive Vorschläge zu machen. Das wissen alle, die regelmäßig an Konferenzen, Teamgesprächen oder ähnlichen Gruppentreffen teilnehmen. Ein nebenbei eingestreutes „Seid ihr euch da sicher?“ wirkt oft wie ein schwarzes Loch: Das Thema verschwindet rückstandslos im Nichts.
Ganz ähnlich beeinflussen echte Profis der Desinformation den öffentlichen Diskurs. Das ist bisweilen trivial, aber effektiv. So wird eingangs des Stücks „Atlas“ im Malersaal nacherzählt, wie die Zigarettenlobby in den USA einfach einen Mediziner kaufte, der im Fernsehen brav aufsagte, dass es keinen wissenschaftlichen Beweis für die Schädlichkeit von Nikotin und Co. gäbe. Ab diesem Punkt konnten alle darauf verweisen, dass ja keine „Einigkeit“ herrsche. Der Zweifel ist fortan im Diskurs installiert und schwer wieder aus dem System zu bekommen. Operation gelungen!
Das Recherche-Portal Correctiv zeigt, wie Desinformation funktioniert
Das allerdings ist nur die Ouvertüre zu dem Stück, dessen Grundlage die Recherchen von Correctiv sind, dem investigativen Medienportal. Ihnen geht es vor allem um die weltumspannenden Tätigkeiten des „Atlas“-Netzwerks. Dort sind Firmen, Stiftungen, Politiker und Wissenschaftler miteinander verbunden, und zwar über Spenden oder Honorare, Konferenzen oder – hier in Deutschland – Burschenschaften.

Das ist alles sehr unappetitlich und außerdem zum Wohle der wenigen und nicht der vielen. Oft geht es darum, den Klimawandel herunterzuspielen und Kritik an den größten Verschmutzern zu delegitimieren.
Humorvolle Spielszenen
Das vierköpfige Ensemble stellt die fiesen Machenschaften in mitunter herrlich humorvollen Spielszenen aus. Wie etwa Samuel Weiss einen – echten – FDP-Abgeordneten spielt, der die „Letzte Generation“ in den Medien erfolgreich als neue RAF viral gehen lässt, ist so lustig wie haarsträubend. Ähnliches gilt für den „Podcast“ von Josefine Israel und Sasha Rau als – ebenfalls echte – smarte (oder eben gekaufte) Hochschullehrer.
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Das Thema ist ernst, die undurchsichtigen Machenschaften des Netzwerkes sind wirklich bodenlos. Das aufklärerische Stück „Atlas“ wird leider trotzdem nichts an irgendwas ändern können.
Malersaal im Schauspielhaus: 16.2. und 13.3. (wenige Restkarten), weitere Termine in Planung, 28 Euro, Tel. 24 87 13, schauspielhaus.de

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