Herr Puntila steht mit weiteren Personen in einer Scheune
  • Sein Gesinde kennt das schon: Betrunken redet er von Gerechtigkeit, nüchtern ist Puntila (M.) ein Ausbeuter.
  • Foto: Katrin Ribbe

Besoffen ist er fast ein guter Mensch: Brecht-Klassiker im Schauspielhaus

Alkohol ist das Schmiermittel so vieler menschlicher Interaktionen. Wenn Hemmschwellen sinken, steigen die Emotionen. Manche tragen nun ein süßes Lispeln auf den Lippen. Anderen krabbelt die Aggression in die Stimme. Langweilig wird’s also nicht – solange die feuchte Sause anhält. Aber dann irgendwann: Filmriss! Was habe ich bloß getan? Habe ich überhaupt was getan?

Bei Herrn Puntila ist der Filmriss an der Tagesordnung. Der finnische Gutsbesitzer rüsselt sich abends durch die Schnapsvorräte und gerät dabei in einen herrlichen Flow-Zustand: Die Welt ist ungerecht, den Arbeitern müsste es besser gehen, vielleicht sollten sie sich sogar organisieren! Und auch er werde alles daran setzen, die Umstände zu ändern. Jawoll-ja! Ist der Rausch verflogen, kann sich Puntila allerdings an nichts mehr erinnern. Da ist er ganz im Ausbeuter-Modus. Sein Knecht Matti und andere bekommen das am eigenen Leib zu spüren.

„Herr Puntila und sein Knecht Matti“ von Intendantin Karin Beier inszeniert

Bertolt Brecht hat die Jekyll-und-Hyde-Figur im finnischen Exil geschrieben, später wurde sie als Sinnbild gesellschaftlicher Schieflagen immer wieder gern aufgeführt. Was uns das Stück heute über das Oben und das Unten erzählt, über Scheinheiligkeit und Machtmissbrauch, das zeigt Regisseurin Karin Beier. Es ist die erste Inszenierung der Schauspielhaus-Intendantin seit ihrem Triumph mit „Anthropolis“, der fünfteiligen Antikenserie, die dem Haus an der Kirchenallee das stolze Prädikat „Theater des Jahres“ eingebracht hat.

Das könnte Sie auch interessieren: Echt oder nicht? Bilder aus einer Welt voller Verschwörungen

Dieser „Puntila“ verspricht eine aufregende Angelegenheit zu werden, was auch und natürlich am Ensemble liegt. Joachim Meyerhoff und Kristof Van Boven sorgen in der ersten Reihe für Körperlichkeit und wortmächtige Energie, zudem bilden Josef Ostendorf, Lilith Stangenberg, Michael Wittenborn, Jan-Peter Kampwirth und Maximilian Scheidt das starke Rückgrat der Inszenierung. Ein erneut preiswürdiges Spektakel? 

Schauspielhaus: 22. und 27.9., 3./10./14.10., diverse Zeiten,12-89 Euro, Tel. 248713, schauspielhaus.de

Plan7 WochenMOPO 20. September MOPO
Plan7 WochenMOPO 20. September
Plan7 WochenMOPO 20. September

Dieser Tipp kommt aus Plan7, der Kultur- und Veranstaltungsbeilage in der neuen WochenMOPO (jeden Freitag neu am Kiosk, hier im günstigen Kennenlern-Abo). Plan7 – das sind 28 Seiten voll mit Kultur und Inspiration für Ihre Freizeit: Kultur-Tipps für jeden Tag der Woche, Tipps für Gastro-Fans und für Hamburg- und Umland-Entdecker. Dazu gibt’s Interviews und Verlosungen für Konzerte, Lesungen, Shows und mehr.

Email
Share on facebook
Share on twitter
Share on whatsapp