„Carmen von St. Pauli“: Wilder Tanz auf dem Vulkan
Auf in den Kampf! Einen triumphalen Erfolg feiert am St. Pauli-Theater die betörend schmissige Hamburger Version der populären Oper „Carmen“ von Georges Bizet. Die Welt der „Carmen von St. Pauli“ ist der Kiez, ihr Zuhause sind die Spelunken unten am Hafen.
„Ja, die Liebe hat bunte Flügel, solch einen Vogel zähmt man schwer“, zwitschert in der 20er-Jahre-Revue die wunderbare Anneke Schwabe. Als flatterhafte Carmen, die eigentlich Jenny Hummel heißt und nichts mehr als ihre Freiheit liebt, verdreht sie den Kerlen reihenweise den Kopf.
„Carmen“ wird ins Hamburg der 1920er Jahre versetzt
Auf die Bretter gehievt wurde das spektakuläre Theatervergnügen von Peter Jordan und Leonhard Koppelmann. Für das geniale Autoren- und Regie-Duo, das Anfang vergangenen Jahres, ebenfalls auf der Reeperbahnbühne, eine glanzvolle „Dreigroschenoper“ inszenierte, ein weiterer künstlerischer Triumph. Für ihren jüngsten Coup paarten sie „Die Carmen von St. Pauli“, den 1928 gedrehten schwarz-weißen Stummfilm von Erich Waschneck, mit dem Opernklassiker. Dabei herausgekommen ist eine herrlich schräg-ironische Show mit umgetexteten Arien und Musik, die – neu arrangiert für die achtköpfige Band (musikalische Leitung: Uwe Granitza und Matthias Stötzel) – Brecht/Weill-Sound einfließen lässt.
Vor der reizvollen Kulisse (Hafenszenen und -ansichten aus dem Stummfilmklassiker) nimmt das Eifersuchtsdrama seinen Lauf. Carmen kommandiert in der Kaschemme von Schankwirt Pastia (Stephan Schad) ihre „Hafenratten“-Bande – und zieht den kreuzbraven Seemann Klaus Brandt (Holger Dexne), verlobt mit Maria von der Heilsarmee (bezaubernd: Victoria Fleer), ins abgekartete Spiel um Macht und Geld hinein. Strippenzieher in der Unterwelt: Reeder Rasmussen, den Bond-Bösewicht Götz Otto als grotesk überzeichneten Schurken zeigt.
Januar-Vorstellungen bereits gut gebucht
Die 14 tollen Darsteller bilden, vor dem Hintergrund des aufkommenden Nationalsozialismus, eine wüste Gesellschaft ab: Starke Frauen prallen auf liebestolle und selbstgefällige Mannsbilder. Jeder schlägt sich – auch künstlerisch – irgendwie und auf seine Weise durch, um den Stier bei den Hörnern zu packen …
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Der verwegene „Tanz auf dem Vulkan“: Wer ihn erleben möchte, sollte sich beeilen. Auch die Januar-Vorstellungen sind bereits gut gebucht.
St. Pauli Theater: bis 1.12., und 8.-19.1.25, Karten: 19,90-74,90 Euro, Tel. 47110666, st-pauli-theater.de
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