Joachim Meyerhoff und Kristof Van Boven sitzen auf der Bühne an einem Tisch vor einem Wohnwagen.
  • Puntila (Joachim Meyerhoff, l.) und sein Knecht Matti (Kristof Van Boven)
  • Foto: Katrin Ribbe

„Herr Puntila und sein Knecht Matti”: Die ganze Welt ist aus den Fugen

Ob Aquavit oder selbstgebrannter Fusel – Hauptsache, es knallt! Bei Gutsbesitzer Puntila zwitschern die Synapsen, wenn er sich den Schnaps in den Rachen kippt, ein Gläschen nach dem anderen und vor dem nächsten. Der Säufer ist wehleidig, mitleidig und dabei ziemlich unleidlich. Er macht seine kleine Welt zum großen Theater. Er erzählt jedem – ganz „bescheiden“ – dass er stolze 90 Kühe sein Eigen nennt, er verlobt sich überschwänglich gleich mit vier Frauen, er verspricht seinem Chauffeur Matti einen höheren Lohn, und er hält sich gar für eine Art Kommunisten.

Nüchtern ist alles wieder vergessen. Auf dem Gesindemarkt lässt er herrisch die Arbeitssuchenden vorsingen und demütigt sie. Seine Tochter Eva möchte er wegen der guten Aussichten erst mit einem Attaché verheiraten, lässt die Verbindung mit großem Tamtam platzen und findet irgendwann, dass Matti ja auch eine okaye Partie wäre oder auch nicht. Die Verlobten müssen ihre Ringe natürlich wieder abgeben.

Joachim Meyerhoff berserkt sich durch die Titelrolle des Brecht-Stücks

Kurz: Puntila ist als Chef die Hölle, als Vater ein Totalausfall, als Mensch eine Null. Als Theaterfigur hingegen bietet er eine Menge Potenzial für einen Ausnahmeschauspieler wie Joachim Meyerhoff. Der wütet und weint, grollt und greint sich durch die über dreistündige Aufführung, dass es eine wirkliche Freude ist. Und trotzdem ist dieser „Puntila“ am Schauspielhaus keine Ein-Mann-Show.

Denn Meyerhoff steht ein bockstarkes Ensemble zur Seite: Kristof Van Boven als der undurchschaubare Matti, Lilith Stangenberg als Eva, die laut Puntila „wohlstandsverwahrloste Furie“, dazu Josef Ostendorf, Jan-Peter Kampwirth, Michael Wittenborn und Maximilian Scheidt in jeweils mehreren Rollen, auch als die vier Kurzzeit-Verlobten.

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Bis auf wenige Längen bringt die Inszenierung von Schauspielhaus-Chefin Karin Beier eine Menge Energie auf die Bühne und führt uns menschliche Launen und Lächerlichkeiten gnadenlos vor Augen. Im Hintergrund sind immer wieder Radioschnipsel, vermutlich aus Kriegszeiten, zu hören. Manchmal auch ein Bombengrollen. Dazu flattern Vögel auf der dunkelwolkigen Leinwand. Hier geht es also nicht nur um ein Sittengemälde oder ein Psychogramm Puntilas, sondern um mehr: Die ganze Welt ist aus den Fugen! (kam)

Schauspielhaus: 14.10., 19.30 Uhr, 6./27.11., 1./21.12., 11./12.1., Karten 12-59 Euro, ​​​​​​​Tel. 248713, schauspielhaus.de

Plan7 WochenMOPO 11. Oktober 2024 MOPO
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