Eine Frau sitzt in einem schwarzen Kleid auf einer Bank. Neben der Frau liegt ein Apfel.
  • Aus Tschechows „Kirschgarten“ wird der „Apfelgarten“, aus der russischen Provinz das Alte Land.
  • Foto: Krafft Angerer

Schauspielerischer Leckerbissen: „Der Apfelgarten“ ist großartiges Theater

Regisseur Antú Romero Nunes und Bestsellerautorin Dörte Hansen versetzen Tschechow ins Alte Land: Bei „Der Apfelgarten“ stemmen sich die Figuren vergeblich gegen Veränderung in ihrer ländlichen Heimat.

Bei Anton Tschechow spielt das Geschehen in der Regel weit weg von den großen Metropolen. Hier seziert er die Träume seiner Figuren, zerbröselt ihre Hoffnungen. Dörte Hansen ist die norddeutsche Entsprechung zum russischen Dramatiker: Sie führt in ihren Romanen vor, welche Wechselwirkungen zwischen Alteingesessenen, Zugezogenen und Zurückgekehrten in einer abgelegenen, dörflichen Umgebung walten. Und so verbindet Regisseur Antú Romero Nunes in seiner neuen Inszenierung mit Co-Autorin Hansen, was offenbar zusammengehört: Aus Tschechows „Kirschgarten“ wird „Der Apfelgarten“, aus der russischen Provinz das Alte Land. „Fusion“-Theater im Thalia!

Wie Tschechow, nur im Alten Land

Das Handlungsgerüst der Vorlage bleibt strukturell unangetastet, nur das Figurentableau ist dem Ort und der Zeit angepasst. Die Gutsbesitzerin Ranjewskaja heißt nun Astrid von Holt, sie kehrt statt aus Paris aus Berlin auf den Hof zurück, der sich in einem desolaten Zustand befindet. Die Zwangsversteigerung steht bevor. Der neureiche Torben Grabowski, seit Kindertagen verliebt in Astrid, schlägt einen Plan vor, um alles zu retten: den Apfelgarten abholzen und viele „Tiny Houses“ für gestresste Großstädter errichten. Die Pacht würde dann für ein sorgenfreies Auskommen reichen. Aber Astrid, ihre Familie und Entourage entscheiden sich gegen die Vernunft und für das Gefühl – und werden zum „Fallobst-Haufen“. Am Schluss ist alles weg.​

Der Weg dorthin ist gepflastert mit vielen Konflikten, zerstobenen Erwartungen, Seitenhieben und allzu menschlichen Missverständnissen. Anfänglich droht die Inszenierung zu sehr in Richtung Slapstick-Klamotte abzubiegen, gewinnt aber im Laufe der gut zwei Stunden an Gewicht und Gehalt. Nunes weiß einfach, tolle Szenen zu bauen, etwa in einem Dorfdisco-Moment, in dem viele Erzählstränge sehr effektiv fast zugleich aufblitzen.

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Bei allem kann er sich auf sein wie immer grandioses Ensemble verlassen. Besonders Cathérine Seifert als unglückliches Faktotum Wiebke, Thomas Niehaus als unsicherer Emporkömmling Torben und Nils Kahnwald als Guck-in-die-Luft-Aussteiger Dennis sorgen für schauspielerische Leckerbissen. Die munden wie die Äpfel aus dem Alten Land. (kam)

Thalia-Theater: 19./20.10., 2./22./26.11.,8,50-59 Euro, Tel. 32814444, thalia-theater.de

Der Plan7 ab dem 18. Oktober 2024 MOPO
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