Longevity.

Longevity. Foto: Intercontinental Maldives Maamunagau Resort

Forever young

Longevity: Die Sehnsucht nach ewigem Leben

Longevity, ein Trend, der nach maximaler Lebensdauer bei höchster Vitalität strebt. Ist es der Fortschritt in Wissenschaft und Technik, die Angst vor der eigenen Vergänglichkeit oder die Sehnsucht nach Kontrolle über das Unausweichliche, der den Trendbegriff „Longevity“ derzeit in aller Munde legt? Die Wellness-Expertin Andrea Labonte betreibt Ursachenforschung.

„Ewig jung, ewig gesund, ewig lebendig“ – ein Traum, den die Menschheit seit Jahrtausenden träumt. Mythen erzählen von Göttern, die den Nektar der Unsterblichkeit trinken, Alchemisten suchten nach dem Stein der Weisen, und moderne Wissenschaftler entschlüsseln die Geheimnisse der Zellen, um den Alterungsprozess aufzuhalten. Heute heißt dieser Traum Longevity. Doch was steckt hinter dem Trendbegriff und ist das ewige Leben tatsächlich so erstrebenswert? Ist es Zufall oder symptomatisch für unsere Zeit, dass wir gerade jetzt, 40 Jahre nach dem Hit „Forever Young“ der Band Alphaville, ein Revival des Songs erleben und wir uns wieder der Frage stellen: „Do you really want to live forever?“

Lebenserwartung im Wandel der Zeit: Von 40 auf 80 Lebensjahre innerhalb eines Jahrhunderts

Noch vor etwas mehr als 100 Jahren war ein langes Leben keine Selbstverständlichkeit. So lag die durchschnittliche Lebenserwartung Anfang des 20. Jahrhunderts noch bei 30 bis 40 Jahren, abhängig von Religion, Geschlecht und sozialem Status. Ursachen waren hohe Kindersterblichkeit, Infektionskrankheiten und mangelnde medizinische Versorgung. Dank der modernen Medizin, Impfungen, Antibiotika, Hygienemaßnahmen und besserer Ernährung liegt die durchschnittliche Lebenserwartung heute in den Industrieländern bei 80 und mehr Jahren. Das ist eine Verdopplung innerhalb etwas mehr als einem Jahrhundert. Angesichts dieser Entwicklung erscheinen die Aussagen von Longevity-Jüngern, die ihr eigenes Lebensende mit 120 Jahren prophezeien, plötzlich nicht mehr ganz so utopisch. Und auch einige Forscher sind überzeugt, dass Kinder, die heute geboren werden, problemlos 100 Jahre und älter werden könnten. Dabei dreht sich die Longevity-Debatte allerdings nicht nur um die Frage „wie lange?“, sondern vor allem auch um die Frage „wie gesund?“

Longevity – Gründe und Antreiber

Der Gedanke der Langlebigkeit entspringt einer Kombination aus wissenschaftlichem und technologischem Fortschritt sowie dem tief verwurzelten Wunsch der Menschen, nicht nur länger, sondern auch besser zu leben. Während früher vor allem die reine Lebensverlängerung im Fokus stand, geht es heute darum, die gesunden und vitalen Jahre zu maximieren. Ein Treiber dieses Trends ist die Biotechnologie und Medizin, die mit Innovationen wie Stammzelltherapien, genetischer Reprogrammierung und Senolytika (Medikamente zur Entfernung alternder Zellen) gezielt in den Alterungsprozess eingreift. Parallel dazu entwickeln sich technologische Innovationen, die durch KI-gestützte Gesundheitsanalysen und personalisierte Ernährungs- sowie Trainingspläne individuelle Optimierungsmöglichkeiten schaffen. Ein weiteres zentrales Element ist Biohacking und Selbstoptimierung – ein Trend, bei dem Methoden wie Intervallfasten, Kältetherapie und ketogene Ernährung genutzt werden, um Stoffwechselprozesse zu beeinflussen und die Zellgesundheit zu fördern. Gleichzeitig wächst das allgemeine Gesundheitsbewusstsein: Menschen hinterfragen ihre Lebensweise heute bewusster als je zuvor. Denn heute weiß man, dass die Gene nur 10 bis 15 Prozent für die eigene Lebenserwartung verantwortlich sind. Der Rest ist unter anderem auch auf den persönlichen Lebensstil zurückzuführen. Aspekte wie Ernährung, Bewegung, Schlaf und Achtsamkeit sind daher längst nicht mehr nur Mittel zur Krankheitsprävention. Und auch personalisierte Gesundheitsstrategien rücken immer mehr in den Vordergrund. Blutanalysen, Darmflora-Tests und DNA-gestützte Ernährungspläne ermöglichen es, individuelle Schwachstellen frühzeitig zu erkennen und gezielt gegenzusteuern. Neben der körperlichen spielt auch die mentale Gesundheit eine entscheidende Rolle. Methoden wie Meditation, Achtsamkeit und Neuroplastizitätstraining helfen, das Gehirn bis ins hohe Alter leistungsfähig zu halten und den Alterungsprozess zu verlangsamen. Der Longevity-Gedanke ist also keine isolierte medizinische Entwicklung, sondern eine umfassende Bewegung, die Wissenschaft, Technologie und Lebensstil miteinander verbindet – mit dem Ziel, die Lebensqualität in jeder Lebensphase zu verbessern.

Die Superreichen dieser Welt haben alles – nur nicht das ewige Leben

Besonders in den USA und im Silicon Valley investieren Unternehmer wie Jeff Bezos (Altos Labs), Peter Thiel oder Bryan Johnson Millionen in Projekte, die das Altern verlangsamen oder sogar umkehren sollen. Der ehemalige Oracle Gründer Larry Ellison soll 370 Millionen Dollar in die Longevity Forschung und den Kampf gegen das Altern gesteckt haben. Dabei haben die Tech-Jünger alles, bloß nicht das ewige Leben. Auch wenn man Larry Ellison seine 80 Jahre kaum ansieht, kann auch er, einer der fünf reichsten Männer der Welt, der eigenen Endlichkeit bislang nicht trotzen.

Die Sehnsucht nach Langlebigkeit – Was steckt dahinter?

Dabei ist der Wunsch nach einem langen, gesunden Leben zutiefst menschlich und so alt wie die Menschheitsgeschichte selbst. Doch warum wollen wir ewig jung, vital und schön sein? Primärgründe für das Erstarken der Longevity-Bewegung sind die Furcht vor Schmerzen, die Angst vor Lücken im Gesundheits- und Pflegesystem und natürlich der ungebrochene Schrecken vor dem Tod, der letzten großen Ungewissheit – Longevity verspricht, ihn hinauszuzögern. In einer Welt, in der wir alles messen und optimieren können, in der wir so viel Entscheidungsfreiheit wie nie zuvor haben, möchten wir auch unsere Lebenszeit selbst bestimmen. Dabei kommen Krankheit und Tod einem radikalen Kontrollverlust gleich. Longevity und Biohacking nähren den Wunsch nach Kontrolle. Und auch die Verherrlichung der Jugend, die mit Schönheit sowie geistiger und körperlicher Leistungsfähigkeit einhergeht, ist ein wichtiger Antreiber des Trends. Alter wird nicht, wie anzunehmen mit Weisheit und Gelassenheit in Verbindung gebracht, sondern ist heutzutage immer noch stark negativ konnotiert. Außerdem sind wir ehrlich, sehnen wir uns alle nach mehr Zeit für Lebenssinn und Glück. Dieses kann ganz individuell in der Familie, beim Reisen oder in kreativen Projekten gefunden werden. Warum also soll man sterben, wenn man noch gar nicht alles von der Welt gesehen hat, warum sich mit 70 bereits mit dem „Ende“ befassen, wenn wir doch noch Jahrzehnte voller Möglichkeiten haben könnten?

Die sechs Säulen der Langlebigkeit

Die sechs Kerngedanken der Longevity-Bewegung – gesunde Ernährung, Bewegung, erholsamer Schlaf, Stressmanagement, soziale Verbundenheit und präventive Medizin – sind alles andere als neu. Schon in der Antike lehrten Philosophen wie Hippokrates („Lass die Nahrung deine Medizin sein“) und Seneca über die Bedeutung eines ausgeglichenen Lebensstils. Auch in der traditionellen chinesischen Medizin und der traditionellen indischen Heilkunst, Ayurveda, die seit über 5.000 Jahren praktiziert wird, stehen ganzheitliche Gesundheit und Lebensverlängerung im Mittelpunkt. Was sich jedoch verändert hat, ist die wissenschaftliche Untermauerung und technologische Verfeinerung dieser Prinzipien: Früher war es gesunder Menschenverstand, heute stützen sich Biohacker und Longevity-Forscher auf Genanalysen, personalisierte Ernährungskonzepte und KI-gestützte Gesundheitsoptimierung. Doch die Essenz bleibt dieselbe: Ein langes Leben beginnt mit den einfachsten, aber konsequent angewandten Gewohnheiten und setzt oftmals eine gewisse Anstrengung voraus.

Gehyptes Wundermittel oder echter Langlebigkeits-Booster?

Auch wenn wir gerade immer wieder ein langes Leben in Form von Kapseln, einer 72-Stunden-Detox-Kur oder eines Eisbades versprochen bekommen, sollte man bei diesen Versprechen genauer hinschauen. Denn hinter dem „Hacken“ des Alters steckt eine milliardenschwere Industrie. Dabei basiert die Longevity-Bewegung teils auf soliden wissenschaftlichen Erkenntnissen, teils aber auch auf spekulativen Theorien und gehyptem Marketing. Evidenzbasiert sind Maßnahmen wie Intervallfasten, regelmäßige körperliche Aktivität (insbesondere Krafttraining und Ausdauer), eine ausgewogene Ernährung (z. B. mediterrane Kost, Omega-3-Fettsäuren), erholsamer Schlaf, Stressreduktion sowie soziale Verbundenheit, die nachweislich die Gesundheit und Lebenserwartung positiv beeinflussen. Auch Hitzetherapie (Sauna) und Kältetherapie (Eisbäder) zeigen klare physiologische Vorteile für Stoffwechsel und Zellregeneration. Nicht gänzlich bewiesen, aber viel diskutiert, sind hingegen NAD+-Booster (z. B. NMN, NR), Senolytika, Blutplasma-Therapien, Telomerverlängerung und extreme Kalorienrestriktion, die zwar vielversprechende Effekte in Tierversuchen zeigen, aber noch keine eindeutigen Langzeitstudien am Menschen haben. Dabei liegt der Schlüssel zu einem längeren und gesünderen Leben oft in einfachen Lebensstilveränderungen als in erkauften „Wundermitteln“.

Die paradoxe Kraft der Endlichkeit – Mentale Gesundheit als Basis für ein langes Leben

Dabei versuchen wir im Eifer der Langlebigkeits-Debatte eine zentrale Lebensweisheit zu verdrängen: „Memento mori“ – „Bedenke, dass du sterben wirst“. Und schon Buddha soll erkannt haben, dass der größte Fehler des Menschen darin liege, zu glauben, er habe Zeit. Dabei wird gerade im Buddhismus die Akzeptanz des Alterns als ein Schlüssel zu Gelassenheit und Reife gesehen. Und würde man sich bei einem längeren Leben, nicht noch stärker in der Gewissheit unbegrenzter Zeit wiegen? So haben Studien bewiesen, dass Menschen, die sich bewusst mit ihrer Vergänglichkeit auseinandersetzen oft glücklicher und vor allem bewusster leben. Denn sie setzen achtsam Prioritäten, vermeiden Stress und geben ihrem Leben häufig mehr Sinn. Auch achten Sie verstärkt auf ihre Gedanken. Denn für sie ist mentale Gesundheit genauso wichtig wie körperliche Fitness. In Anbetracht der eigenen Endlichkeit, erscheinen ihnen viele Sorgen hausgemacht und unwichtig. Da sie Zeit als eines der wertvollsten Güter betrachten, pflegen sie tiefere Beziehungen zu sich selbst und anderen und wertschätzen das Leben als ein Geschenk.

Fazit: Gesund leben – ja. Aber leben, um gesund zu sein?

Ist es also möglich, dass wir vor lauter Streben nach mehr Jahren die Tiefe des Moments vergessen und durch eine zu starke Fixierung auf das lange und gesunde Leben genau das verhindern? Das echte, bewusste Erleben des Augenblicks? Denn würde im Anbetracht ewiger Jugend nicht gerade der Augenblick an Kostbarkeit verlieren? Und so bleibt die Frage aktueller denn je: „Do you really want to live forever?“

Autorenprofil:

Andrea Labonte hat einen außergewöhnlichen Beruf, um den sie viele beneiden: Sie ist seit über 18 Jahren als Hoteltesterin für den Wellnesshotel Guide Wellness Heaven unterwegs. Über ihre Spa-Erlebnisse, außergewöhnliche Destinationen und die skurrilsten Begebenheiten aus ihrem Berufsalltag schreibt sie regelmäßig in ihrer Kolumne „Aus dem Leben einer Hoteltesterin“. Mit über 300 getesteten Wellnesshotels besitzt Andrea Labonte eine breite Vergleichsbasis und weiß, worauf es dem anspruchsvollen Reisenden ankommt. Ihr beruflicher Hintergrund: sie ist internationale Diplom-Betriebswirtin mit Doppeldiplom. Ihre Studien absolvierte sie an der Fachhochschule Mainz und an der Ecole Supérieure du Commerce Extérieur in Paris.

Share on facebook
Share on twitter
Share on whatsapp