Influencer-Paar packt aus: So viel verdienen wir wirklich mit unseren Reisen
Sie trägt ein rotes Ballkleid mit langer Schleppe, er schaut ihr tief in die Augen, dahinter steigen Heißluftballons in den Himmel. Was so aussieht wie ein Verlobungsfoto oder das Plakat zu einem kitschigen Liebesfilm, ist in Wahrheit einer von Hunderten Beiträgen, die Vivian Velle (25) und Johannes Richter (29) auf ihrem gemeinsam Instagram-Account „JoVi_Travel“ hochgeladen haben – dem, so sagen sie selbst, mit über 285.000 Abonnenten erfolgreichsten deutschen Kanal unter sogenannten „Travel-Couples“ (Reise-Paaren).
Hinter dem roten Satin-Stoff und den traumhaften Urlaubskulissen auf ihrem Instagram-Profil steckt ein ganzes Konzept. Es erlaubt dem Paar, sein Leben durch das Reisen zu finanzieren. Vor knapp zwei Jahren haben sich Velle und Richter dazu entschieden, aus dem klassischen Berufsleben auszubrechen. „Eines Abends habe ich Vivi gefragt, was sie in ihrem Leben machen würde, wenn es nicht ums Geld ginge. Und ihre Antwort war Reisen.“ Aus einem Scherz wird Wirklichkeit: Beide kündigen ihre Jobs, bauen sich nach und nach mehr Reichweite auf Instagram und zunächst auch auf YouTube auf – ohne vorher privat in den sozialen Medien besonders aktiv gewesen zu sein und ohne zu wissen, wie man professionelle Fotos macht.
„Wir haben gesagt, nach einem Jahr können wir ja immer noch Bilanz ziehen und schauen, wie es bis dahin läuft“, so Johannes Richter. Im Januar 2018 fahren sie los. Nach Sri Lanka, Indonesien und auf die Philippinen. Trotz der Reaktionen ihrer Freunde: Die fragten, wie man Einkommen, Studium und Wohnung gegen so viel Unsicherheit eintauschen kann. Dass das Pärchen immer noch unterwegs ist, ist Antwort genug auf diese Skepsis.
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„Auf unseren Bildern sehen die Reisen aber auch immer teurer aus, als sie eigentlich sind. Wir reisen nicht sehr kostenintensiv und sind oft in günstigen Hotel oder Airbnbs untergebracht.“ Die ersten neun Monate etwa hätten beide zusammen für etwa 12.000 Euro gelebt. Auf Bali seien sie sogar vier Wochen lang mit 500 Euro ausgekommen. Schließlich sind die Lebenshaltungskosten in einigen ihrer Reiseländer oft niedriger als in Deutschland.
Und trotzdem: Kann man von durchschnittlich einem Bild pro Tag auf Instagram leben? Johannes Richter sagt: Nicht als Haupteinnahmequelle. „Wir sind in der komfortablen Situation, dass wir nicht den finanziellen Druck haben, unser Profil zu einer Dauerwerbesendung machen zu müssen.“ Ein Account im Fashion- oder Beauty-Bereich würde gleich fünf Mal so viel Geld bringen, ist das Travel-Couple überzeugt. Sie selbst arbeiten mit Hotels oder anderen Tourismus-Unternehmen zusammen, verlinken die Firmen auf ihren Bildern, bekommen für einen solchen Post durchschnittlich 1.000 Euro.
Aber nicht jedes Bild ist gleichzeitig eine Kooperation. „Ich würde sagen, diese Postings machen ungefähr 20 Prozent unserer Einnahmen aus. Den Rest verdienen wir im Bereich Content Creation, indem wir andere Firmen mit unserem Wissen in Social Media unterstützen und beraten.“ Das eigene Instagram-Profil dient dabei als optimales Aushängeschild.
Um auch international Abonnenten anzusprechen, verfassen Johannes Richter und Vivian Velle Beiträge und Stories auf Englisch. Das ist gleichzeitig der Grund, warum sich die beiden inzwischen auf Instagram konzentrieren und nicht mehr auf YouTube-Videos. „Wir sind beide keine Muttersprachler in Englisch und hatten oft das Gefühl, dass unser Humor deshalb in den Videos nicht komplett rüberkommt.“
Genug zu tun bleibt trotzdem: Für ihre Bilder engagiert das Travel-Couple eher selten Fotografen, sondern arbeitet mit Intervalometer und Drohne. Bis ein Bild entsteht, das sie dann letztendlich hochladen, kann es deshalb schon mal dauern. „Das ist teilweise ganz schön schwierig unter einen Hut zu bringen, wenn wir den Sonnenuntergang oder -aufgang abpassen wollen und zwischen Position und Kamera hin- und herlaufen müssen.“
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Vor allem, wenn man in die Kamera lächeln soll, obwohl man kurz vorher noch gestritten und diskutiert hat, oder oft schärfere Kritik von seinem Partner einstecken muss, als von einem normalen Arbeitskollegen. „Vivian und ich haben ja vorher nicht zusammengearbeitet. Aber nach den ersten Monaten haben wir uns da gut eingespielt – und Streit kommt auch nur noch so oft vor, wie bei jedem anderen Paar auch“, sagt Johannes Richter.
In wenigen Tagen geht es für die beiden nach einem Heimatbesuch in Deutschland – Vivian Velle kommt aus Füssen, Johannes Richter aus Hamburg – weiter nach Mittelamerika. In Länder, für die sich das Paar auch persönlich interessiert. Das ist nicht immer das erste Kriterium. Beide suchen Orte auch bewusst nach passenden Foto-Locations aus. „Ein Standardwasserfall auf Bali begeistert unsere Abonnenten tatsächlich mehr, als ein anderer schöner Fotospot, den sie vorher vielleicht noch nie gesehen haben“, sagt Richter.
Ob die beiden wegen der aktuellen Klimadebatte kein schlechtes Gewissen haben, so viele, weite Reisen mit dem Flugzeug zurückzulegen? „Uns ist bewusst, dass wir keine Klima-Engel sind“, sagt Richter, „aber unserer Meinung nach bringt es nichts, sich zu verkrampfen. Wir versuchen andere Möglichkeiten zu nutzen, um unseren CO2-Fußabdruck zu reduzieren – zum Beispiel konsumieren wir deutlich weniger als der normale Bürger, da wir ja nur aus dem Koffer leben und weder eine Wohnung noch ein Auto haben und nicht ständig shoppen gehen. Außerdem essen wir lokal und kaum – beziehungsweise Vivi gar kein – Fleisch.” Das Segelboot zu nehmen wie Greta Thunberg, ist leider keine Option. „Mit unserem Job wird es schwierig, wenn wir drei Wochen offline sind.“