Comeback-Preis nach Horror-Crash: Sophia Flörsch: „Formel 1 wäre schon geil!“
Die Bilder von ihrem Horror-Crash gingen um die Welt und sie lassen den Betrachter noch heute erschaudern. Mit 276 km/h war die damals erst 17-jährige Sophia Flörsch beim Formel-3-Rennen in Macau mit ihrem Boliden nach einer Kollision abgehoben, raketengleich durch einen Fangzaun geschossen und in ein Podest gekracht. Wie durch ein Wunder hat die Münchnerin den Unfall ohne bleibende Schäden überstanden. Nur fünf Monate später saß Deutschlands schnellste Rennfahrerin wieder am Steuer eines PS-Monstrums und trat im November 2019 erneut in Macau an. Bei den 20. Laureus Awards in Berlin ist die inzwischen 19-Jährige am Montagabend für das „Comeback des Jahres“ ausgezeichnet worden. Die MOPO hat die unerschrockene junge Frau getroffen.
MOPO: Wie kommt man bitteschön auf die Idee, sich nach so einem extremen Erlebnis wieder ins Cockpit zu setzen und Vollgas zu geben?
Flörsch: (lacht) Indem man ein bisschen verrückt ist?! Im Ernst: Der Unfall sieht schlimm aus, aber im Auto habe ich das gar nicht so mitgekriegt, dass ich geflogen bin. Motorsport ist einfach mein Leben. Ich habe mit vier Jahren damit angefangen, und ich kann damit nicht aufhören. Das gibt mir einfach einen Kick. Ich genieße jeden Meter, egal in welchem Auto ich fahre. Meinen Traum, den ich lebe, aufzugeben, stand für mich nie in Frage. Es war immer klar, dass ich zurückkomme.
Hat sich irgendetwas verändert, wenn Sie jetzt ins Rennauto steigen?
Nein, überhaupt nicht. Was sich verändert hat, ist, dass ich das Leben mehr wertschätze. Es hat mich auch mental stärker gemacht. Als Rennfahrer weißt du einfach, dass immer etwas passieren kann, aber das ist eben auch das, was dir den Kick gibt und was du geil findest. Und die Autos sind super-sicher heutzutage. Da habe ich Vertrauen. Ich lasse mich nicht unterkriegen.
Sie sprechen so locker darüber. War das nicht ein traumatisches Erlebnis für Sie?
Ich habe es aufgearbeitet. Der Unfall ist einfach passiert.
Sie haben einen Wirbelbruch erlitten und hätten für immer gelähmt sein können.
Mein Rückenmark war zu 50 Prozent gequetscht. Ich hatte danach eine elfstündige Operation. Ich hatte Glück. Sehr, sehr viel Glück. Es hätte auch ganz anders ausgehen können, dessen bin ich mir bewusst. Ich weiß, dass es sehr knapp war.
Was geht in Ihnen vor, wenn Sie heute die Bilder von dem Crash sehen?
Als ich das Video zum ersten Mal gesehen habe, konnte ich nicht glauben, dass ich das war. Auch heute noch nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich das bin in dem Auto – derjenige, der das überlebt. Das ist schon krass.
Wie war das Gefühl, ein Jahr später wieder in Macau am Start zu stehen?
Es war ein sehr besonderes Wochenende. Meine ganze Familie war vor Ort und ich glaube, die haben ein bisschen gelitten. Für mich war es einfach nur geil. Ich war super-happy und habe es genossen, wieder durch die Straßen von Macau zu fahren. Es ist wirklich meine Lieblingsstrecke.
Was treibt Sie an?
Ich will einfach zeigen, dass eine Frau genauso schnell sein kann wie ein Mann und genauso überzeugen kann in der Königsklasse des Motorsports.
Ist die Formel 1 noch immer ihr Ziel?
Der Wunsch ist sehr groß. Seit mehreren Jahren versuche ich tagtäglich darauf hinzuarbeiten. Das hängt natürlich von sehr vielen Faktoren ab und da gehört auch Glück dazu. Aber die Königsklasse ist gar nicht mehr so weit weg. Ich fahre ja Formel 3, vielleicht mal Formel E in den nächsten Jahren. Formel 1 wäre halt schon geil! Da dann auch schnell zu sein und zu überzeugen, ist das, was ich erreichen will. Ich will beweisen, dass wir Frauen das genauso können und ich glaube, es ist auch die Zeit dafür.
Was fehlt Ihnen denn noch zu einer Formel-1-Fahrerin? Nur das Auto?
Nee, ich brauche trotzdem noch ein, zwei, drei Jährchen in den Nachwuchs-Klassen. Ich muss die Ausbildung noch verfeinern, ich muss noch mehr Kilometer in den Serien sammeln, noch mehr Rennen fahren, weil ich einfach noch nicht auf dem Level bin wie ein Lewis Hamilton oder die anderen Formel-1-Fahrer. Ich kann das auch offen sagen: ich brauche noch eine längere Ausbildung. Aber dazu benötige ich Partner und Sponsoren, die mich unterstützen. Ich habe nicht das Glück, eine sehr vermögende Familie zu haben. Meine Eltern können das nicht stemmen.
Haben Sie das Gefühl, dass Sie es als Frau schwerer haben?
Wir Frauen bekommen nicht die gleichen Chancen. Die Förderung fehlt uns. Es wäre mein Traum, dass es Chancengleichheit gibt, damit wir beispielsweise genauso viel Testfahrten machen können wie die anderen, um einfach die gleichen Möglichkeiten zu haben, zu überzeugen. Unterm Strich schaut jeder nur auf die Ergebnislisten und sieht: Die Frau ist nur im Mittelfeld. Aber wenn ich nur 20 Prozent der Test-Tage der anderen Fahrer habe und nicht im besten Team fahre, dann ist es schon irgendwie ein Kampf mit stumpfen Waffen.
Was bedeutet Ihnen die Auszeichnung mit dem Comeback-Preis bei den Laureus Awards?
Es ist eine Riesen-Ehre. Das sind die Oscars des Sports. Für mich war schon allein die Nominierung ein Mega-Gewinn. Ich sehe hier Idole, zu denen ich als kleines Kind schon aufgeschaut habe. Mit denen in einem Raum sitzen und vielleicht auch noch reden zu können, ist etwas Unglaubliches. Zu wissen, dass mich danach alle kennen, macht mich nervös! (lacht)
Wohin kommt die Trophäe?
Auf meinen Nachttisch!