„Dachte erst, da kommt ein Lehrer-Typ“: Co-Trainer erobern Herzen der St. Pauli-Spieler
Sie sind außergewöhnlich jung für die Aufgabe. Trotzdem entschied sich St. Paulis neuer Coach Timo Schultz für zwei 27 Jahre alte und im Profi-Geschäft unerfahrene Assistenten. Loic Favé war zuletzt Jugendtrainer und -Koordinator beim ETV. Fabian Hürzeler wirkte zuvor als Spielertrainer beim jetzigen Fünftligisten FC Pipinsried.
Beide sprechen selbst von einer mutigen Entscheidung von Schultz. Hürzeler: „Wenn es schiefgeht, wird ihm das bestimmt um die Ohren fliegen. Aber wir haben ja Matze Hain, der uns mit seiner Erfahrung unterstützt. Schulle hat auch schon extrem viel Erfahrung als Co-Trainer gesammelt und war selbst Profi. Warum sollte diese Idee nicht klappen? Wir sind absolut davon überzeugt, dass diese Konstellation die richtige ist.“
Loic Favé zeigt sich beeindruckt von Timo Schultz
Das sieht auch Favé so und fügt hinzu: „Mich beeindruckt, dass Timo von Anfang an so entschlossen auftrat, es war nie ein Thema in den Gesprächen.“
Wie erleben sie es, teilweise gleichaltrigen oder gar älteren Akteuren vorgesetzt zu sein? Hürzeler: „Ich sehe die Spieler nicht nur als Profis, sondern auch als Menschen. Klar haben sie bestimmte Ansprüche an uns, wie wir sie weiterentwickeln. Trotzdem glaube ich, dass Loic und ich inhaltlich überzeugen.“ Und: „Wir versuchen ihnen zu vermitteln, dass wir sie besser machen wollen, einen Weg, einen Prozess mit ihnen auf dem Platz und außerhalb gehen wollen.“
Das Wichtigste für Hürzeler: „Wir sind jünger, sprechen aber auch die Sprache der Spieler. Das kommt, Stand jetzt, ganz gut an. Und wenn sie merken, dass wir inhaltlich gut sind und gewisses Know-how haben, von dem sie profitieren können, ist es ein gutes Trainer-Spieler-Verhältnis.“
Favé: „Ich sehe das sehr ähnlich. Am Ende ist es immer eine zwischenmenschliche Geschichte. Da passt es bisher sehr gut. Die Mannschaft ist offen dafür, Dinge anders zu machen, als er bisher passiert ist.“
Loic Favé will nicht in die Fußstapfen von André Trulsen treten
Zu den großen Fußstapfen ihrer Vorgänger André Trulsen und Markus Gellhaus sagt Favé, der mit Tobias Trulsen, dem Sohn der St. Pauli-Legende, beim ETV zusammengekickt hat: „Natürlich verfolgt man das. Ich glaube aber, es würde überhaupt keinen Sinn machen zu versuchen, die beiden nachzumachen. Wir wollen unseren eigenen Weg gehen und die Dinge zu tun, die wir zusammen mit dem Trainerteam besprechen.“
Vor einigen Tagen durfte das Co-Trainer-Duo eine ganze Trainingseinheit bis auf die Abschlussansprache ganz allein leiten. Zwischendurch griffen beide entschlossen ins Geschehen ein, monierten zum Beispiel die Körpersprache. Hürzeler: „Bei meinem Team in München waren die Spieler teilweise auch älter als ich. Ich glaube, die Mischung macht’s. Auf der einen Ebene versucht man ein freundschaftliches Verhältnis zu haben und den Menschen hinter dem Spieler kennenzulernen. Auf der anderen Seite darf man die Autorität nicht verlieren und die Distanz muss gewahrt sein. Wenn es nicht läuft, ist es wichtig, dass man auch mal eine klare Ansage macht. Timo fordert immer wieder ein, dass wir konsequent eingreifen, wenn’s uns nicht gefällt.“
Fabian Hürzeler hat drei Staatsbürgerschaften
Auch privat haben beide eine interessante Geschichte zu erzählen. Hürzeler wurde in Houston geboren: „Weil meine Eltern dort gearbeitet haben. Sie haben sich dort zu Zahnärzten ausbilden lassen. Danach haben sie sich in München eine eigene Praxis aufgebaut und üben den Beruf bis heute noch aus. Weil ich in den USA geboren wurde, habe ich auch die US-Staatsbürgerschaft. Mein Vater ist Schweizer, deshalb habe ich auch den Schweizer Pass und den deutschen.“
Loic Favé hat nur den französischen Pass
Favé, der in Eimsbüttel aufwuchs und beim ETV bis zu den Herren Fußball spielte: „Ich habe nur einen Pass, nur den französischen, weil meine Mutter Französin ist. Sie war zum Studieren nach Deutschland gekommen. Daher habe ich auch viel Urlaub in Frankreich gemacht und viel Zeit mit meiner Familie dort verbracht.“ Um einen deutschen Pass will er sich demnächst kümmern.
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Hürzeler und Favé, die auch außerhalb des Fußballs viel Zeit miteinander verbringen, überzeugen schon jetzt mit neuen Ideen, fordern vor allem die Köpfe und die Handlungsschnelligkeit der Spieler.
Philipp Ziereis ist angetan von den Co-Trainern
Die sind überaus angetan von den jungen Trainern. Philipp Ziereis, wie die Assistenten 27 Jahre alt: „Es ist ein lockerer Umgang, es macht richtig Spaß – unabhängig vom Alter. Wir sind es nicht gewohnt, aber ich finde es geil. Ich bin überzeugt, das wird in den kommenden Jahren immer öfter kommen: Wenn gute Arbeit geleistet wird, spielt das Alter keine Rolle.“
Marvin Knoll: „Dann müssen sie mich siezen“
Auch der zwei Jahre ältere Marvin Knoll ist begeistert: „Die sind beide super. Als ich las, dass Loic ein Buch geschrieben hat, dachte ich erst, da kommt vielleicht ein Lehrer-Typ. Er ist ein kleines Genie. Der hat richtig Ahnung von dem, was er da macht. Fabian ist eher so ein leidenschaftlicher und emotionaler Typ. Deshalb ergänzen sie sich sehr gut. Ich hatte schon Co-Trainer, die waren alt und hatten keine Ahnung vom Fußball.“ Mit der Tatsache, dass beide jünger sind, hat er kein Problem. Lachend erklärt Knoll: „Wenn sie frech werden, dann müssen sie mich siezen.“