„Armselig, schrecklich, Schande“: Three Lions werden in England zerrissen
Harry Kane wusste schon kurz nach dem Abpfiff, was er und seine Teamkollegen angerichtet hatten. „Es wird ein wenig Unruhe und Enttäuschung in der Heimat geben”, prophezeite der Kapitän nach dem nächsten schwachen EM-Auftritt der Engländer – und der Torschütze beim 1:1 (1:1) gegen Dänemark lag goldrichtig: Die vernichtende Kritik konnte auch der heimgekehrte Tribünengast Prinz William bei der Zeitungslektüre an seinem 42. Geburtstag nachlesen.
Wahlweise als „leblos”, „armselig”, „ängstlich”, „schrecklich” oder gar „Schande” wurde der Auftritt der Three Lions im zweiten Vorrundenspiel in Frankfurt/Main bezeichnet. Die BBC machte sich auf ihrer Internetseite sogar die Mühe, zahlreiche Titelseiten auf einen Blick zu präsentieren – um so die miese Stimmung auf der Insel festzuhalten.
Kane selbstkritisch: „Waren nicht gut genug“
Das Massenblatt „The Sun“ griff zu einem ähnlichen Mittel. Die Boulevardzeitung zeigte eine lange Fotogalerie mit all jenen prominenten Kritikern von Gary Lineker über Roy Keane bis Rio Ferdinand, die das Team von Gareth Southgate mitsamt dem Coach in die Pfanne gehauen hatten. Der Guardian kam deshalb zum Schluss, dass die Mannschaft nach der herben Medienschelte „erst einmal ihre Wunden lecken” müsse.
Am Beginn der Aufarbeitung stand immerhin die Einsicht. „Wir waren nicht gut genug, von hinten bis vorne, vom Torwart bis zu mir”, gestand Kane ein: „Jeder ist unter seinen Möglichkeiten geblieben.” Das galt unter anderem für den fast unsichtbaren Jude Bellingham – aber trotz seines Führungstreffers (18.) auch für den Stürmerstar des deutschen Rekordmeisters Bayern München. Deshalb nahm Southgate in der 70. Minute gleich die ganze Offensivreihe um Kane vom Platz.
Lineker: „Kane muss es besser machen“
„Kane muss es besser machen”, kommentierte Stürmer-Ikone Lineker den Auftritt seines Nachfolgers. Der Angreifer hatte das Gegentor von Morten Hjulmand (34.) per Fehlpass eingeleitet und nahm mit seinen lediglich 21 Ballkontakten wie schon beim mühsamen Auftaktsieg gegen Serbien (1:0) kaum am Spiel seiner Mannschaft teil.
Doch Southgate („Ich hätte Harry auch drauflassen können”) nahm die Schuld auf sich. „Es liegt an mir, Lösungen zu finden. Ich muss intelligente Entscheidung treffen”, sagte der Teammanager und ergänzte: „Wir sind enttäuscht von den Leistungen in den ersten beiden Spielen. Das muss besser werden. Wir müssen zeigen, was wir drauf haben, wenn wir weit kommen wollen.”
Fans verließen Stadion direkt nach Schlusspfiff
Zunächst einmal reichte das Remis gegen die Dänen aus, um die Tabellenführung in der Gruppe C zu verteidigen. Doch im letzten Vorrundenspiel am Dienstag in Köln gegen Slowenien sollte ein Sieg her, denn auf den Gruppenzweiten wartet im Achtelfinale mutmaßlich Deutschland.
Gegen Slowenien müssen die Engländer aber erst einmal ihre Fans zurückgewinnen. Im Gegensatz zu Prinz William, der nach der Partie in der Kabine erste Aufbauarbeit leistete, verließen die Anhänger das Stadion scharenweise direkt nach dem Schlusspfiff.
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„Ich kann den Frust der Fans nachvollziehen. Wenn wir unser Niveau nicht erreichen, müssen wir diese Reaktion akzeptieren”, äußerte Southgate sein Verständnis: „Wir wissen, dass wir liefern müssen. Wir müssen den Leuten zeigen, was wir wirklich leisten können.” Zeigen müssen sie es auch den Kritikern. Vor allem den Kritikern. (sid/bv)