Toni Rüdiger mit dem ersten Eigentor bei der EM 2024
  • Einer von vielen Trends dieser EM: Antonio Rüdiger (r.) erzielte im Auftaktspiel gegen Schottland das erste von insgesamt sieben Eigentoren der Gruppenphase.
  • Foto: imago/osnapix

Bester Schütze: Eigentore! Das sind die überraschenden EM-Trends

Es gab zahlreiche Eigentore, aber nur wenige Platzverweise, viele Altersrekorde und eine Menge Tore in der Nachspielzeit und aus der Ferne. Das sind die Trends der gerade beendeten Vorrunde der EM in Deutschland.

Eigentore: Es wurde in der Vorrunde zu einem Witz in den sozialen Medien: Ein gewisser „Eigentor“ führte die Torschützenliste der EM an. Und das mit weitem Vorsprung. Gleich siebenmal traf ein Spieler ins eigene Tor. Was aber eigentlich nur den Trend der vorherigen EM bestätigte, als es bis Turnierschluss elf Eigentore gab. Was damals allerdings kurios war. Denn bei den fünf vorherigen Europameisterschaften zusammen waren es ganze acht.

Tore in der Nachspielzeit: Hier ist nach der Vorrunde sogar schon ein Rekord eingestellt. Zehn Treffer wurden schon nach der 90. Minute erzielt, vor acht Jahren in Frankreich waren es neun. Manche Treffer waren auch noch sehr entscheidend. Niclas Füllkrugs Ausgleich gegen die Schweiz sicherte Deutschland statt den Eidgenossen den Gruppensieg, der von Mattia Zaccagni gegen Kroatien bescherte Italien das Weiterkommen und Kroatien das Aus. Die Nachspielzeit fällt generell üppig aus, so dauern die Spiele im Schnitt 98:09 Minuten.

Tatsächlich Fußball gespielt aber wird erstaunlich wenig. Bei der EM betrug die reine Spielzeit, also die Zeit, in der der Ball im Spiel war, gemäß den Spielberichten der UEFA lediglich 59:17 Minuten.

Favoriten schwächeln, weniger Schiri-Ärger

Favoriten: In der Vorrunde haben sich die nicht mehr komplett auf Tiki-Taka ausgelegten Spanier neben Deutschland zum heißesten Anwärter auf den EM-Pokal gezaubert. Viele weitere Topkandidaten präsentierten sich noch so gar nicht in Titelform. Die England quälten sich mit extrem biederem Defensivfußball zum Gruppensieg, bei den Franzosen streikte trotz Maskenmann Kylian Mbappé noch der Offensivmotor. Doch die Aussagekraft der Gruppenphase bleibt begrenzt, ab jetzt zählt es richtig. Schließlich hatte Argentinien auf seinem Triumphzug in Katar auch das erste Vorrundenspiel so gar nicht weltmeisterlich gegen Saudi-Arabien verloren.

So viele Karten wurden noch nie in einem EM-Spiel verteilt: Schiri Istvan Kovacs sorgte beim Spiel Tschechiens gegen die Türkei für mächtig Aufregung. IMAGO/Gonzales Photo
Schiedsrichter Istvan Kovacs verteilt gelbe Karte beim Spiel Tschechien gegen die Türkei
So viele Karten wurden noch nie in einem EM-Spiel verteilt: Schiri Istvan Kovacs sorgte beim Spiel Tschechiens gegen die Türkei für mächtig Aufregung.

Kaum Platzverweise: Das ging ja gut los: Noch in der ersten Halbzeit des Eröffnungsspiels hatte es den ersten Platzverweis gegeben, als der Schotte Ryan Porteous DFB-Kapitän İlkay Gündogan im Strafraum auf den Knöchel trat und glatt Rot sah. Es blieb (fast) der einzige Platzverweis in der gesamten Vorrunde. Denn im abschließenden Spiel zwischen der Türkei und Tschechien wurden gleich zwei Tschechen mit Gelb-Rot beziehungsweise Rot vom Platz geschickt. Am Ende der vorherigen EM waren noch sechs Spieler des Feldes verwiesen worden. Nach der Vorrunde waren es damals aber auch erst zwei gewesen.

Pepe, Yamal und Modric stellen EM-Rekorde auf

Kaptäne vor: Die nervigen Rudelbildungen sind mit einem Schlag fast ausgestorben – und man fragt sich, wieso da nicht früher jemand drauf gekommen ist. Für die EM führte die UEFA die Vorgabe ein, dass sich nur noch die Spielführer beider Mannschaften bei den Schiedsrichtern über deren Entscheidungen beschweren dürfen. Sollte der Kapitän ein Torhüter sein, wird ein Spieler als Vertreter benannt. Allen anderen droht ganz schnell eine Gelbe Karte. Die Umsetzung klappte erstaunlich schnell und gut, es gab markant weniger Diskussionen. Und der DFB prüft die Regel nun wohl auf Umsetzbarkeit für die Bundesliga.

Rekordverdächtige Oldies: Alter schützt vor Leistung nicht – ist aber umgekehrt auch kein Hindernis. So gab es bei dieser immerhin schon 17. EM-Endrunde einige Altersrekorde in beide Richtungen. Der Spanier Lamine Yamal wurde im Alter von 16 Jahren zum jüngsten je bei einer EM eingesetzten Spieler, der Portugiese Pepe mit 41 zum ältesten. Der frühere Weltfußballer Luka Modric stieg mit seinem letztlich wertlosen Führungstor gegen Italien mit 38 Jahren zum ältesten EM-Torschützen auf. Und auch das deutsche Team hat schon Rekorde eingefahren: Manuel Neuer wurde zum Torhüter mit den meisten EM-Einsätzen (18) und überholte damit Gigi Buffon, italienischer Weltmeister von 2006. DFB-Trainer Julian Nagelsmann stellte derweil einen Rekord an der Linie auf. Der 36-Jährige ist der jüngste Cheftrainer bei einer EM.

Fans feiern das Turnier, Frauenpower im TV und Probleme im ÖPNV

Tolle Gäste: Für die schönsten Fan-Geschichten sorgten mitunter die Schotten. Egal, ob älteren Menschen mit dem Regenschirm über die Straße geholfen oder einfach für tolle Stimmung mit anderen Fanlagern gesorgt wurde, die „Tartan Army“ war vorne mit dabei. Die Niederländer hüpften in den Straßen Hamburgs oder Leipzigs fröhlich von rechts nach links, Albaner und Türken verwandelten jedes Stadion in ein Tollhaus. Auch die deutschen Fans sorgten mit ihren Saxophonen und Fanmärschen für wunderbare Bilder, das Sommermärchen 2.0 nimmt Formen an.

TV-Expertinnen: Es war schon ein Trend in den vergangenen Jahren. Doch erstmals wurden bei einem großen Männer-Turnier so viele Frauen als TV-Expertinnen eingesetzt. Almuth Schult (ARD), Friederike Kromp, Laura Freigang, Kathrin Lehmann (alle ZDF) und Tabea Kemme (Magenta TV) brachten teilweise frischen Wind. Vor allem Schult wurde häufig gelobt.

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Kritik an der Organistation: DFB-Turnierdirektor Philipp Lahm kam zu spät zum Spiel der Ukrainer in Düsseldorf, Bondscoach Ronald Koeman und die Elftal mussten nach dem abschließenden Gruppenspiel gegen Österreich auf den Bus umsteigen, da es keine Verbindung mehr von Berlin nach Wolfsburg gab. Gerade anfangs griff noch nicht ein Rädchen ins andere, die Engländer beschwerten sich in Gelsenkirchen über Probleme im öffentlichen Nahverkehr.

„Insgesamt sind wir doch sehr zufrieden, wie alles abläuft“, sagte Turnierdirektor Philipp Lahm: „Es ist nicht immer möglich, sie in kürzester Zeit alle ins Stadion zu bringen oder wieder abzutransportieren.“ (dpa/sid/lw)

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