Toni Kroos, der Held der Massen: Die unterschrift des Mittelfeldstars ist auch im DFB-Quartier in Herzogenaurach begehrt.
  • Toni Kroos, der Held der Massen: Die Unterschrift des Mittelfeldstars ist auch im DFB-Quartier in Herzogenaurach begehrt.
  • Foto: imago/Sven Simon

„Dann ist es schneller vorbei, als wir wollen“ – Kroos warnt vor deutschem EM-Start

Auch Helden sind irgendwann mal müde. Für Toni Kroos kam dieser Punkt am Dienstagmittag, kurz nachdem Bundestrainer Julian Nagelsmann zu einer knapp zweistündigen Einheit in Herzogenaurach gebeten hatte und sein Mittelfeldmann anschließend etwas schlurfenden Schrittes zur Pressekonferenz erschien. „Stand jetzt bin ich gerade wirklich froh, dass das Spiel erst am Freitag ist“, erklärte der verschmitzt lächelnde Mittelfeldstar, als er erzählen sollte, wie sehr er dem EM-Start gegen Schottland (21 Uhr, live im ZDF) entgegenfiebere. „Die Tage bis dahin werde ich jetzt brauchen.“

Natürlich übertrieb Kroos nur und das ist auch gut so. Denn der Mann hat einen Auftrag. Selten zuvor in den vergangenen Jahren hingen die Hoffnungen der Nation so sehr an einem einzigen Spieler. Wer Kroos während der Tage im DFB-Quartier in Herzogenaurach beobachtet, kann erahnen, was da gerade auf ihn einprasselt. Toni hier, Toni da. Toni überall. Ist er am Ende wirklich der Messias, der Deutschland zum Titel führt?

DFB-Star Kroos freut sich auf den Druck bei der EM

Da wird er vorsichtig. Kroos war nie ein Mann, der mit seiner Meinung hinter dem Berg hielt. Doch im Alter von mittlerweile 34 Jahren und kurz vor dem selbst ausgesuchten Karriereende wählt er seine Worte mit etwas mehr Bedacht. „Wir wissen, worum es geht“, stellt Kroos fest, als er über den Druck und seine Vorfreude sinniert. Es sei „eine große Ehre und eine große Freude, dieses Turnier spielen zu können.“ Druck sei da, „aber es geht eben auch darum, diesen Druck ein Stück weit zu genießen, weil man privilegiert ist, dieses Turnier spielen zu dürfen“.

Weise Worte eines großen Fußballers, der vor seinen letzten Tänzen steht. Im Idealfall spielt Kroos noch siebenmal für Deutschland, dann ist Schluss. Nach einem WM-Titel, sechs Champions-League-Triumphen, ebenso vielen Klub-WM-Siegen und, und, und. Da fehlt nur noch der Schlusspunkt, direkt nachdem er gerade noch mal die Königsklasse mit Real Madrid gewann.


MOPO
MOPO-EM-Tippspiel mit Logo schmal

Haben Sie mehr Fachwissen als die MOPO-Sportredakteure? Dann machen Sie jetzt mit bei unserem EM-Tippspiel, messen Sie sich mit den MOPO-Reportern und gewinnen Sie nach jedem Spieltag tolle Preise im Gesamtwert von über 5.000 Euro! Hier kostenlos anmelden, mitmachen und gewinnen!


„Hungrig genug bin ich“, sagt Kroos im Brustton der Überzeugung. Sonst wäre er im März auch nicht nach knapp drei Jahren Pause ins Nationalteam zurückgekehrt. „Natürlich habe ich seitdem im Kopf, dass ich im Sommer dieses Turnier gewinnen will. Hätte ich diese Fantasie nicht gehabt, dass das möglich ist, hätte ich es nicht gemacht.“

Kroos erkundigte sich bei Real Madrid nach Deutschlands Gegner Schottland

Wie ernst Kroos die anstehenden Aufgaben nimmt, wird an seiner Art der Vorbereitung deutlich. Noch in Madrid holte er sich Erkundigungen darüber ein, was das DFB-Team am Freitag gegen die Schotten erwartet. „Ich habe mit dem einen oder anderen Teamkollegen bei Real gesprochen, die in der Qualifikation gegen die Schotten gespielt und dort verloren haben“, berichtet Kroos. „Sie sagten, dass das wirklich eine unangenehme Mannschaft ist, die physisch stark ist, kompakt und gut verteidigt und dann gute Konter spielt.“ Die Spanier erfuhren das vor rund einem Jahr, beim 0:2 in Glasgow. Kroos weiß: „Wir sind gewarnt. Es ist kein großes Geheimnis, dass sich die Nationalmannschaft in den letzten Jahren gegen solche Gegner sehr schwer getan hat.“

Pünktlich zum Wochenende erhalten Sie von uns alle aktuellen News der Woche rund um den HSV kurz zusammengefasst – direkt per Mail in Ihr Postfach.

Mit meiner Anmeldung stimme ich der Werbevereinbarung zu.

Aber nun ist Kroos ja zurück und für alle da. Jeder will noch ein Scheibchen von ihm abhaben, bevor er bald geht, das verfolgt ihn auf Schritt und Tritt. So war es am Montag, beim öffentlichen Training des Nationalteams, als er sich anschließend für die Fans die Finger wund schrieb und für strahlende Gesichter sorgte. Und das war auch während der Pressekonferenz am Dienstag der Fall. Kroos‘ Meinung zählt, zu jedem Thema. Er sprach über Englands Shootingstar Jude Bellingham, mit dem er bei Real zusammenspielte („Er ist 20, aber ich musste öfter mal nachfragen, wie alt er wirklich ist“), den Turnier-Auftakt der Spanier gegen Kroatien („Spaniens Erwartungshaltung ist ähnlich wie hier immer maximal hoch“) oder die Zukunftsaussichten der deutschen Senkrechtstarter Jamal Musiala und Florian Wirtz („Weltklasse bist du, wenn du es über zehn Jahre zeigst – aber sie bringen alle Voraussetzungen mit“). Sätze von Kroos sitzen und sind wertvoll. Wie seine Pässe.

Kroos warnt vor Fehlern im Aufbauspiel

So soll es am Freitag weitergehen, beim mit so viel Spannung erwarteten ersten Schritt zur Vollendung des Märchens. Ein langer Weg, Kroos weiß das. Das DFB-Team muss sich im Vergleich zu den jüngsten Tests gegen die Ukraine (0:0) und Griechenland (2:1) steigern, um erfolgreich sein zu können. „Da sind wir in den einen oder anderen Konter gelaufen“, mahnt Kroos. Das sei ab sofort verboten, „denn da werden jetzt Mannschaften kommen, die das noch mal anders bestrafen. Und dann ist das Turnier schneller vorbei, als wir wollen“.

Das könnte Sie auch interessieren: Schock für Hamburgs Fans: Dieser Star fehlt beim EM-Auftakt im Volkspark

Deutschland wird genau hinsehen, wenn Kroos an seinem letzten großen Ding schraubt.  München bildet den Auftakt, neben seiner Frau Jessica werden dann auch Sohnemann Leon (zehn Jahre alt) und Tochter Amelie (sieben) live auf der Tribüne mitfiebern. Das macht es doppelt schwer, denn die Auftritte ihres Vaters mit Real Madrid haben sie ein Stück weit versaut. „Sie sind leider ein bisschen erfolgsverwöhnt, das heißt, sie haben in den letzten Jahren nicht so viel von der Nationalmannschaft mitbekommen“, sagt Papa Toni und muss lachen. „Aber sie gehen natürlich ganz klar davon aus, dass wir den Titel holen. Alles andere wird schwer akzeptiert werden.“

Schreibt Kroos mit dem DFB-Team ein Sommermärchen?

Kommt zum Abschluss das ganz große Ende? Erst der Champions-League-Titel, dann der EM-Pokal? „Das wäre ja fast schon ein bisschen kitschig“, sagt Kroos dann selbst. „Aber ich würde es trotzdem nehmen.“ Und hey, es ist Sommer. Die schönste Zeit des Jahres. Da ist Kitsch ausdrücklich erlaubt.

Email
Share on facebook
Share on twitter
Share on whatsapp