„Er hat es einfacher“: Flörsch will Duell mit Mick Schumacher und erklärt Ferrari-Ärger
Köln –
Erst das ersehnte Comeback nach ihrem Horror-Crash in Macau, dann die Absage des HWA-Teams für die kommende Saison in der Formel-3-EM und die Kritik an Ferraris Frauen-Offensive. Für Sophia Flörsch waren die letzten Wochen ein einziges Auf und Ab – mit einem vorläufigen Höhepunkt am vergangenen Mittwoch: Der Nominierung in der Kategorie „Comeback des Jahres“ bei den Laureus World Sports Awards.
In einer Presserunde äußerte sich Flörsch zu ihrer Rückkehr nach Macau, erneuerte ihre Kritik an Ferrari und ging auf ihr Verhältnis zu Mick Schumacher (20) ein.
Was bedeutet Ihnen die Nominierung für die Laureus World Sports Awards nach einem turbulenten Jahr?
Für mich hat es eine große Bedeutung, neben so vielen tollen Sportlern nominiert zu sein, neben Leuten wie Andy Murray und vielen anderen. Für mich ist mit 19 Jahren alleine schon die Nominierung ein großer Gewinn.
Als Rennfahrerin will man immer gewinnen. Welche Bedeutung hätte ein Sieg bei der Preisverleihung?
Es wäre eine ganz besondere Sache und ein Highlight meiner Karriere. Daran würde ich mich auch in zehn Jahren noch erinnern. Ich bin in der Kategorie Comeback nominiert, aber für mich ist das gar nicht das richtige Wort. Mein Comeback hat gerade erst angefangen und ich will noch sehr viel erreichen.
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Kann die Nominierung auch Ihrer Karriere neuen Schub verleihen?
Auf jeden Fall. Motorsport ist sehr kostenaufwendig, deshalb bin ich auf Partner angewiesen. Es geht auch immer darum, alles zu finanzieren. Wenn man durch so etwas mehr Aufmerksamkeit bekommt, hilft das natürlich sehr.
Academy-Member Mika Häkkinen (51) hat Ihnen besondere Glückwünsche ausgerichtet und gesagt, viele Leute hätten sich zweimal überlegt, nach einem solchen Crash noch einmal ins Cockpit zu steigen. Warum haben Sie sich dafür entschieden?
Ich fühle mich geehrt. Es ist sehr schön, das zu hören. Der Unfall ist um die Welt gegangen und das Video ist wirklich sehr schlimm. Ich hatte sehr viel Glück, aber ich bin noch sehr jung. Der Motorsport ist mein Leben und für mich war ausschlaggebend, dass niemand anderes verletzt wurde. Daher will ich meinen Traum weiterleben und mein Ziel weiter verfolgen.
Häkkinen sagte auch, dass es viel Mut erfordere, anschließend wieder Rennen zu fahren. Wie waren Ihre ersten Auftritte?
Das erste Mal im Auto zu sein hat sich nicht anders angefühlt. Vorher war es wie ein Entzug, monatelang nicht im Rennwagen zu sitzen. Als ich nach Macau zurückgekommen bin, hat es auch keinen besonderen Mut erfordert. Die Strecke in Macau ist ein Traum. Ungewohnt war nur, dass so viele Leute gefragt haben ob es mir etwas ausmacht, dort zu fahren.
Woher nehmen Sie diese Entschlossenheit? Ist es Abgeklärtheit oder jugendliche Unbekümmertheit?
Jeder Rennfahrer ist sich bewusst, dass immer etwas passieren kann. Aber heutzutage werden wir damit zum Glück immer weniger konfrontiert und die FIA macht einen großartigen Job und sorgt für Sicherheit. Wir machen den Sport alle zum Spaß und wir lieben auch den Adrenalinkick, die Geschwindigkeit. Und dazu gehört auch das Risiko.
Wie war Ihr Gefühl im Cockpit?
Für mich war klar, dass ich zurück will und zwar so schnell wie möglich. Ich genieße jeden Kilometer im Rennauto und für mich ist es noch immer ein besonderes Gefühl. Daran hat sich auch nach dem Unfall nichts geändert.
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Beim HWA-Team, für das Sie in Macau gestartet sind, sind die drei Cockpits für die Saison in der Formel-3-EM inzwischen anderweitig vergeben. Haben Sie noch Hoffnung, einen Rennstall zu finden?
Chancen sind definitiv noch da, bis jetzt sind erst neun von 30 Startplätzen vergeben. Bei HWA hatte es mehrere Gründe, aber wir sind auch in Gesprächen mit anderen Teams. Es wäre mein erstes Jahr in der Formel 3, aber es wäre sehr wichtig, dort zu fahren und sich an Bedingungen zu gewöhnen, wie sie auch in der Formel 1 herrschen.
Stichwort Formel 1: Sie haben Ferrari zuletzt für eine Ankündigung zur stärkeren Förderung von Frauen im Motorsport kritisiert und das als Marketing-Gag bezeichnet.
Ich finde es gut, dass Ferrari das vorhat. Es muss aber Leute geben, die an die Frau als Rennfahrerin glauben und nicht die Frau für Aufmerksamkeit brauchen. Bislang waren Frauen vornehmlich dazu da, gut auszusehen und in die Kamera zu lächeln. Wenn Ferrari das ernsthaft verfolgt, finde ich das toll. Ich will nur sagen, dass sich Teams in der Vergangenheit eher mit Frauen geschmückt haben.
Sie nehmen bei diesen Themen kein Blatt vor den Mund.
Unter dem Strich ist es nur die Wahrheit. Es gab leider noch nie eine Frau, die sich auf höchstem Niveau beweisen durfte. Ich glaube nicht, dass das an fehlendem Talent lag, sondern an der Ausbildung die man durchläuft.
Warum braucht die heutige Formel 1 eine Fahrerin und was könnte das bewirken?
Wenn es eine erste Frau gibt, würden viel mehr Mädchen damit anfangen. Es würde Leuten die Augen öffnen und Frauen würden mehr respektiert und mehr unterstützt. Es gibt natürlich Leute die mich unterstützen und die an mich glauben, deshalb mache ich das alles ja auch überhaupt. Aber insgesamt ist da noch mehr möglich.
Fühlen Sie sich ungerecht behandelt?
Ich bin davon überzeugt, dass eine Frau genauso schnell fahren kann wie ein Mann, aber wir brauchen die gleiche Ausbildung. Sobald eine Frau nicht in den Top 5 ist, wird sie schon abgeschrieben, dabei steckt so viel mehr dahinter. Ich rede da nicht nur von mir persönlich. Wir brauchen Chancengleichheit. Mein Antrieb war es immer, die Beste zu sein und dazu gehört auch, die Männer auf der Rennstrecke zu schlagen.
Die W Series als Rennserie für Frauen wird im nächsten Jahr in den USA und Mexiko im Rahmen der Formel-1-Rennen ausgetragen. Ist das ein Prestigegewinn?
Es ist eine größere Marketing-Nummer wenn es im Rahmen der Formel 1 stattfindet. Die Serie wird es bestimmt noch ein bisschen geben, aber die Chance, dass sich da eine Frau mit Potenzial für höhere Rennklassen herausbildet, ist sehr, sehr gering. Für mich wäre es beispielsweise ein Rückschritt und ich würde dort nicht viel lernen, weil das Gesamtniveau niedriger ist als in anderen Rennserien.
Sie sind schon früher gegen Mick Schumacher gefahren, der ein kompliziertes erstes Jahr in der Formel 2 hinter sich hat. Wie ist ihr Verhältnis?
Er ist irgendwo auch ein Konkurrent, wir kennen uns seit wir acht, neun Jahre alt sind. Er ist wie jeder andere auch ein Rennfahrer, den ich schlagen will. Er ist fast zwei Jahre älter und entsprechend zwei Jahre voraus. Er hat es natürlich wegen seines Namens einfacher, weil er viele Leute kennt. Aber er hat es durch den hohen Erwartungsdruck auch schwer, keine Frage. Er macht einen guten Job und vielleicht sehen wir uns mal in der Formel 2 oder sogar in der Formel 1.