Ex-HSV-Profi in Australien: Matti Steinmann: So ist mein Leben in Quarantäne
Zum Glück gibt es Handys, das tröstet ihn zurzeit ein wenig. Knapp 16.300 Kilometer von Hamburg entfernt sitzt Matti Steinmann im australischen Sydney fest. Der Ex-HSV-Profi, seit dieser Saison bei Wellington Phoenix unter Vertrag, musste sich mit seiner Mannschaft in eine zwei Wochen lange Quarantäne begeben, um anschließend die australische Meisterschaft zu Ende spielen zu dürfen. „Um mich muss aber niemand Angst haben“, sagte Steinmann der MOPO. „In Europa ist es deutlich schlimmer, das verfolge ich mit Sorge.“
Steinmanns Tag neigt sich gerade dem Ende entgegen, als die MOPO ihn erreicht. Zehn Stunden beträgt der Zeitunterschied zwischen Deutschland und Sydney. Als der 25-Jährige spricht, ist im Hintergrund Gelächter zu vernehmen. Klingt nicht wirklich nach bedrückter Stimmung. „Ist auch nicht so“, sagt Steinmann. „Die ganze Mannschaft und alle Betreuer sind zusammen. Wir sind in einer Art Jugendherberge untergebracht, haben sogar einen Trainingsplatz. Eigentlich sind die Bedingungen optimal. Viel besser, als ich befürchtet habe.“
Australische Liga führt Saison mit Geisterspielen zu Ende
Eigentlich. Wäre da nicht die totale Abschottung von der Außenwelt. Die wurde nötig, als Phoenix, das in Neuseeland beheimatet ist, aber in Australiens Liga spielt, sich entschloss, den Anordnungen des Verbandes zu folgen – und die Saison zu Ende zu spielen. Ohne Quarantäne wäre das nicht möglich.
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„Am vergangenen Sonntag hatten wir noch ein Heimspiel in Wellington, sogar vor Publikum“, erzählt Steinmann. Dann aber kam die Ansage der A-League, die Saison aufgrund der Corona-Krise ohne Publikum und ausschließlich in Sydney zu Ende spielen zu wollen. „Wir hätten auch verzichten können, aber uns war klar, dass wir da mitmachen wollen“, so Steinmann, der mit seinem Team die große Überraschung der Saison ist. Wellington ist Dritter, hat Chancen, in den Playoffs Meister zu werden oder sich zumindest für die asiatische Champions League zu qualifizieren, an der die beiden Erstplatzierten der A-League teilnehmen.
Ex-HSV-Profi Steinmann befindet sich mit seinem Team in Quarantäne
Um die historische Chance nicht zu verpassen, wählten Steinmann und Kollegen den Weg der freiwilligen Quarantäne. „Jeder, der nach Australien einreist, muss das machen“, erzählt der Mittelfeldmann. „Wir hatten dann zwei Tage Zeit, um für sieben Wochen Aufenthalt in Australien unsere Sachen zu packen. Direkt am Flughafen in Sydney wurden wir isoliert. Ab Anfang April sollen wir unsere restlichen Spiele austragen.“
Kein Leben im Luxus, dass er da gerade führt, aber eines, mit dem er sich arrangieren kann. Wann immer es möglich ist, hängt Steinmann am Handy und telefoniert mit Familie und Freunden. „Natürlich mache ich mir Sorgen“, sagt er. „In Europa ist ja alles viel schlimmer, hier geht es noch.“ Bis Sonnabend hatten sich in Australien 1051 Personen mit dem Coronavirus infiziert, in Neuseeland 53. Dadurch, dass sich die Teams vor den Spielen nun zwei Wochen lang in Quarantäne befänden, werde auch die Ansteckungsgefahr ausgeschlossen. „Von daher ist es auch okay für mich, dass die Saison hier ohne Zuschauer zu Ende gespielt wird“, sagt Steinmann. „Würden wir nicht weiterspielen, würden hier sehr viele Menschen in ein tiefes Loch fallen. Der Fußball würde ihnen enorm fehlen. Das ist in Europa auch so. Aber da hattest du aus meiner Sicht gar keine andere Wahl, als die Saisons jetzt zu unterbrechen.“
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Steinmann verlängerte seinen Vertrag in Neuseeland um zwei Jahre
Was aber passiert, wenn in Australien das letzte Tor gefallen und die Saison vorbei ist? Da ist auch Steinmann ratlos. „Eigentlich wollte ich nach Hamburg zurückfliegen“, sagt er. „Aber dann wäre ich dort ja vermutlich in meiner Wohnung gefangen. Das ist eine wirklich schwere Entscheidung. Ich muss mir über all das noch mal Gedanken machen.“
Klar ist: Der Schritt nach Neuseeland war aus Steinmanns Sicht genau der Richtige. Er ist Stammspieler bei Phoenix, verlängerte kürzlich seinen Vertrag um zwei Jahre bis Sommer 2022. Sportlich hat er sein Glück gefunden, rein privat richtet er einen Appell an alle Mitmenschen: „Es wäre schön, wenn jetzt einfach mal alle eine Zeit lang zu Hause bleiben. Am Ende profitieren wir alle davon.“
Dann verabschiedet er sich. Das Gelächter hinter ihm ist verstummt, über Sydney bricht die Nacht herein. Auf Matti Steinmann wartet das nächste Telefonat in die Heimat.