Blessin präsentiert Mängelliste: St. Pauli kreidet sich die Gladbach-Pleite selbst an
Nicht schlecht, aber hinten nicht wach genug, vorne insgesamt zu harmlos – und deshalb letztlich chancenlos. Die Hoffnungen des FC St. Pauli auf eine weitere erfolgreiche Auswärtsreise sind enttäuscht worden. Bei der heimstarken Borussia aus Mönchengladbach unterlag der arg ersatzgeschwächte Aufsteiger mit 0:2 (0:2). Offensiv waren die Kiezkicker zu ungefährlich, um die Partie zu drehen, und kassierten verdient ihre siebte Saisonniederlage. Das einzig Positive: Auch die direkten Kellerkonkurrenten haben an diesem Spieltag nicht gepunktet, sodass St. Pauli nicht an Boden verlor. Es ist nichts Schlimmes passiert. Klar ist aber auch: im kommenden Heimspiel gegen Mitaufsteiger Kiel muss unbedingt ein Sieg her.
Enttäuscht waren sie. Das war allen an den Gesichtern abzulesen. Nicht die Niederlage an sich gegen die formstarken „Fohlen“, die zum vierten Heimsieg in Serie galoppierten, war das Problem, sondern die Leistung. In einer ganz bestimmten Phase. Eine halbe Stunde lang war St. Pauli schlecht. Das reichte dem Heimteam, um den Sieg klarzumachen.
Bei den Gegentoren waren die Braun-Weißen nicht wach und konsequent genug, ließen in der ersten Halbzeit defensiv ihre Stärken vermissen, gerieten vorentscheidend ins Hintertreffen und fanden lange Zeit offensiv gar nicht statt. Das 0:2 zur Halbzeit war eine zu große Hypothek für eine Mannschaft, die sich mit dem Toreschießen bekanntlich schwertut.
Eggestein will nicht zu lange an Gladbach denken
„Wir müssen das Spiel jetzt schnell abhaken“, forderte Johannes Eggestein, der kaum Akzente hatte setzen können und auch in seiner Rolle als mitspielender Stürmer blass geblieben war. Kapitän Jackson Irvine sprach nach zuletzt guten Spielen und einem klaren Aufwärtstrend bei der Leistung von einem „kleinen Rückschritt“, war vor allem genervt, dass die mangelhafte Defensivarbeit im ersten Durchgang die Punkte gekostet hatte. Und auch Innenverteidiger Hauke Wahl bekannte: „Wir sind schon unzufrieden, ich kenne die Mannschaft.“ Aber man habe auch nicht gegen irgendeinen Gegner gespielt. Er ist sich sicher: „Das wird uns nicht aus der Bahn werfen, dass wir ein Spiel verlieren.“
Aus der Bahn geworfen hatte die Mannschaft allerdings das erste Gegentor – nach einem Eckball. Schon wieder nach einem Standard! Gladbachs Friedrich hatte die Ecke per Kopf an den langen Pfosten verlängert, wo Plea lauerte, nicht eng genug gedeckt war und den Ball mit dem Knie zur frühen Gladbacher Führung ins Netz befördert (13.), was St. Pauli kalt erwischte.
Blessin kritisiert Verhalten bei Ecken-Gegentor
„Das war einfach Schlafmützigkeit“, kritisierte Trainer Alexander Blessin mit deutlichen Worten das Verhalten seiner Mannen in dieser Szene und ärgerte sich, weil noch vor der Partie genau auf Situationen wie diese hingewiesen worden war. „Wir waren nicht richtig dran, nicht wach.“ In der Bundesliga wird so etwas bestraft, eiskalt.
Die Folgeerscheinungen machten die Sache nur noch schlimmer. Die Gäste verloren den Faden, wie Blessin kritisierte. St. Pauli verteidigte nicht mehr im Verbund, ließ dem Gegner zu viele Räume, die die Gladbacher nutzen und mehrfach brandgefährlich waren. „Zweimal eingeladen“ habe man den Gegner, ärgerte sich Wahl. Zunächst rettete David mit einer Grätsche für seinen schon geschlagenen Keeper Nikola Vasilj, in dem er den Flachsschuss von Plea aufs leere Tor mit einer Grätsche klärte. Den gefährlichen Konter der „Fohlen“ hatte er mit einem Ausrutscher auf Höhe der Mittellinie selbst begünstigt, seinen Patzer aber wettgemacht. Kurz vor der Pause spielte dann Hack den „Stürmer der Stunde“ Tim Kleindienst frei, der den Ball kunstvoll über Vasilj hinweg ins Tor chippte (44.). Brutal gut. Und für St. Pauli einfach nur brutal.
St. Pauli offensiv zu harmlos
Spielentscheidend sei die halbe Stunde zwischen dem ersten Gegentor und dem Halbzeitpfiff, befand Blessin. „Da hatten wir nicht mehr den Mut, da haben wir nicht mehr energisch genug nachgeschoben, kamen oft zu spät, haben falsche Entscheidungen getroffen“, listete er die Mängel auf. Zu viel gegen einen Gegner wie Gladbach.
Auch im Angriff standen die Kiezkicker neben sich, brachten im Ballbesitz nur wenig zustande und war nicht gefährlich. Keine Durchschlagskraft, keine zündenden Ideen, keine gefährlichen Pässe in den Strafraum und dadurch auch letztlich kein Druck auf den Gegner, der die braun-weißen Versuche ohne größere Probleme wegverteidigte. 3:8 Torschüsse, von denen keiner eine echte Torchance war, und 1:3 Ecken zur Pause sind nur zwei Werte, die die Harmlosigkeit dokumentieren. Offensive Gefahr habe „heute leider gefehlt“, wusste Eggestein und meinte das auf die volle Spielzeit bezogen.
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In der zweiten Halbzeit waren die Kiezkicker zwar deutlich verbessert, was aber auch der Passivität der Gladbacher geschuldet war, die sich angesichts der Zwei-Tore-Führung etwas zu weit zurückzogen und den Gästen mehr und mehr das Spiel überließen. Zu lange konnten die Kiezkicker Ball und Raum nicht für entscheidende Offensivaktionen nutzen, um die Partie noch einmal zu drehen. Die gefährlichsten Szenen hatten die Hamburger erst in der Schlussphase – insbesondere durch Guilavoguis Kopfball (74.), Irvines Doppelchance (87.) und Wahl (88.).
St. Paulis Leistung passte nicht zu den Auftritten zuvor
„60 Minuten waren okay“, bilanzierte Blessin, „aber da ist das natürlich unbefriedigend, wenn du 30 Minuten hast, in denen du Aussetzer hast. Darüber müssen wir reden, denn das ist ärgerlich.“ Die schlechte Phase nagte an ihm, das war spürbar. Sie passte nicht zu den stabilen Leistungen der vergangenen Wochen, könnte aber auch den Personalproblemen geschuldet sein, was der Coach aber „nicht als Ausrede gelten lassen“ wollte. „Wir können es besser. Wenn wir 90 Minuten unsere Leistung bringen, dann bin ich mir sicher, dass wir hier was Zählbares rausgeholt hätten.“
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Jetzt kommt Kiel. Schon am Freitag. Eine kurze Woche. der Fokus muss schnell umgestellt werden. St. Pauli ist weiter Tabellen-16., aber der Druck ist im direkten Duell mit dem Mitaufsteiger groß. „Das ist uns bewusst und dem werden wir auch begegnen“, sagt Eggestein. „Keine Frage, dass gegen Kiel ein Sieg herkommen muss.“