„Damit gewinnt man Spiele“: St. Pauli-Coach Blessin setzt auf völlig unbekannten Wert
Die beste St. Pauli-Nachricht vor dem Mainz-Heimspiel am Samstagabend war sicherlich, dass Freiburg-Matchwinner Elias Saad nach seinem grippalen Infekt wieder einsatzfähig ist. Der Doppel-Torschütze gehört zu den Laufwundern bei St. Pauli – was indes gar nicht so verwunderlich ist.
„Unsere Athletik-Abteilung hat super gearbeitet, wir haben schon relativ hart trainiert“, blickte St. Pauli-Trainer Alexander Blessin auf die Sommervorbereitung zurück: „Die Jungs waren öfters ziemlich platt, das zahlt sich jetzt aus.“
St. Pauli ist die Marathon-Mannschaft der Bundesliga
Saad hat auf Bundesliga-Rasen bislang 37,5 Kilometer zurückgelegt, obwohl er nur 56 Prozent der Spielzeit auf dem Platz stand. Hochgerechnet wäre er bei voller Einsatzzeit 67 Kilometer gelaufen, was natürlich Theorie ist, weil auch kein noch so gut trainierter Profi sein Tempo und seine Ausdauer über die längere Distanz halten kann. Der Bochumer Dani de Wit liegt mit 62,2 Kilometern derzeit bundesligaweit vorne, Saads Teamkollege Jackson Irvine befindet sich mit 60,7 Kilometern auf Rang drei. Beeindruckend ist Saads Wert aber allemal, auch wegen der abgerissenen Kilometer in der Arbeit nach hinten.
Ob es für Saad gegen Mainz für 90 Minuten reichen wird, ist ungewiss. „Lauf, solange es geht!“, werde er seiner Nummer 26 sagen, verriet Blessin. Am besten so, wie bei seinem Tempo-Dribbel-Konter-Solo zum 3:0-Endstand in Freiburg. Im Vergleich zum aktuellen Gegner Mainz ist der Unterschied im Laufen nahezu maximal: St. Paulis Spieler sind mit absolvierten 604,2 Kilometern die Marathon-Mannschaft der Bundesliga, Mainz (554,8) rangiert mit fast 50 Kilometern weniger auf Platz 17.
Laufen allein genügt beim FC St. Pauli nicht
Aber laufen allein genügt nicht – man sollte auch wissen, wann und wohin. „Man kann auch viel laufen und viel falsch laufen“, betonte Blessin und gibt ein Beispiel: „Wenn ich jedesmal mit dem zweiten Kontakt einen Ballverlust habe und jedesmal diesem Ball nachhecheln darf, wird das sicherlich nicht zum Erfolg führen.“ Wie so oft im modernen Fußball, kommt nun eine Abkürzung ins Spiel: HMLD. High metabolic load distance, vielleicht am besten mit „stoffwechselbasierte Hochbelastungsstrecke“ zu übersetzen.
Der HMLD-Wert setzt sich – kurz gesagt – aus der Anzahl der Tempoläufe und der zurückgelegten Distanz bei Tempowechseln zusammen. Er beschreibt letztlich die Intensität, mit der ein Athlet zu Laufleistungen in der Lage ist. Und über Intensität könnten Blessin und sein Trainerteam ohne Frage ein längeres Stehgreif-Referat halten, wenn man sie mitten in der Nacht aus den Betten holen würde. „Von unserer Intensität dürfen wir keinen Deut weggehen“, warnte der Coach vor dem Mainz-Spiel: „Als Aufsteiger muss es oberstes Gut sein, dass wir da immer an die maximale Grenze rankommen.“
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„Wann kommen wir in Sprints, wann kommen wir in Tempoläufe?“ – das seien wesentliche Fragen, so Blessin, denn: „Wir wollen auch ökonomisch laufen.“ Denn Mitaufsteiger Holstein Kiel weist sowohl die meisten Sprints als auch die meisten intensiven Läufe der Liga auf – und trägt bei allem schweißtreibenden Fleiß trotzdem die Rote Laterne mit sich. „Die totale Laufstrecke kann ein Indikator sein“, fasste Blessin zusammen: „Aber meistens ist es so: Wenn man im Bereich HMLD besser ist als der Gegner, gewinnt man oft auch die Spiele.“ St. Pauli will seinen Lauf fortsetzen.