„Respektieren den Wunsch“: St. Pauli verabschiedet Hürzeler – wen nimmt er mit?
Es war absolut erwartbar, was Brighton & Hove Albion am Samstagvormittag vermeldete und auch nur an diesem einen Tag passieren konnte: Der englische Premier-League-Klub gratulierte seinem Führungsspieler Pascal Groß, der am Freitagabend mit der deutschen Nationalmannschaft einen furiosen EM-Start hingelegt hatte, zum Geburtstag. Die weitaus wichtigere Personalie wurde ebenfalls an diesem Tag eingetütet. Der Wechsel von St. Paulis Aufstiegstrainer Fabian Hürzeler nach Brighton ist durch. Nachdem die MOPO darüber bereits um 16 Uhr berichtet hatte, bestätigten beide Vereine dann um 18 Uhr offiziell die Einigung.
Reif für die Insel? Hürzeler ist jedenfalls fest davon überzeugt und sein neuer Verein ebenfalls. Nach gut einwöchigen harten und auch zähen Verhandlungen inklusive zwischenzeitlichem Stillstand haben sich die „Seagulls“ mit dem Kiezklub final geeinigt, die Verträge ausgehandelt. Der Deal, der mehrfach voreilig als „perfekt“ vermeldet worden war, ist erst an diesem Samstag besiegelt.
Hürzeler (erhält einen Vertrag bis 2027) ließ sich auf St. Paulis Vereins-Homepage so zitieren: „Nach vier gemeinsamen Jahren endet meine Reise beim FC St. Pauli. Ich bin dem Verein, den Fans und allen Verantwortlichen sehr dankbar für die gemeinsame Zeit und für das, was wir zusammen erreicht haben. Es war mir eine Freude, diesen besonderen Verein ein Stück auf seinem Weg begleiten zu dürfen. Mit dem Wechsel in die Premier League geht für mich ein Traum in Erfüllung, aber ich werde St. Pauli und die unvergesslichen Momente, die wir geteilt haben, insbesondere den Aufstieg in die 1. Bundesliga, immer in meinem Herzen tragen.“
Offiziell: Hürzeler wechselt vom FC St. Pauli zu Brighton
Der Bundesliga-Aufsteiger soll für den Abschied seines 31-jährigen Trainer-Shootingstars eine mittlere siebenstellige Ablösesumme von Brighton kassieren, im Bereich von fünf Millionen Euro – die mit Abstand höchste der Vereinsgeschichte. Bei ersten Schätzungen der möglichen Höhe der Ablöse könnte von einer zu langen Vertragslaufzeit von Hürzeler ausgegangen worden sein, die der Kiezklub bekanntlich seit einigen Jahren bei Spielern und Trainern nicht mehr veröffentlicht. Zum Start der Verhandlungen soll das Angebot des Tabellenelften der abgelaufenen Premier-League-Saison weit unter St. Paulis Erwartungen und Bedingungen gelegen haben, im niedrigen Millionen-Bereich.
Erst im März hatte Hürzeler nach deutlich langwierigeren Verhandlungen mit den Braun-Weißen seinen Vertrag verlängert – und zwar ohne die von ihm und seinem Berater zunächst vehement geforderte Ausstiegsklausel, wohl aber mit der Vereinbarung, dass St. Pauli verhandlungsbereit sei, sollte der ambitionierte und ehrgeizige Coach ein Traum-Angebot bekommen. Die Offerte aus Brighton war seiner Meinung nach ein solches.
Sportchef Andreas Bornemann sagte zum Deal: „Fabian hat sowohl als Co- als auch als Cheftrainer des FC St. Pauli hervorragende Arbeit geleistet. Uns war bewusst, dass er damit auch für andere Klubs interessant werden könnte. Wir wären gerne weiter den Weg mit ihm gegangen, respektieren aber den Wunsch, die Chance zu ergreifen, in der Premier League zu arbeiten. Wir wünschen Fabian alles Gute und viel Erfolg für die Zukunft.“
Hürzeler hat jetzt seinen Wunsch erfüllt bekommen, auch wenn der gefeierte Aufstiegsmacher bei vielen St. Pauli-Fans in Ungnade gefallen ist. Aber auch der Kiezklub kann sich trotz der widrigen Situation als Gewinner fühlen, hat durch die Ablöse einen enormen finanziellen Spielraum bekommen, mit dem bis vor kurzem gar nicht zu rechnen war. Das dürfte auch den künftigen St. Pauli-Coach freuen.
Hürzeler-Deal: Was passiert mit Nemeth und Knoop?
Ein spannender Aspekt, der für Hürzeler, aber auch den Kiezklub von entscheidender Bedeutung ist: geht er alleine? Oder nimmt der Coach sein Trainerteam mit zu Brighton – und wenn ja, wie viele?
Fakt ist: wie auch Hürzeler haben beide Assistenten erst kürzlich ihre Verträge bei St. Pauli verlängert. Co-Trainer Peter Nemeth Anfang April, Torwarttrainer Marco Knoop sogar erst am 21. Mai, also vor nicht einmal vier Wochen. Nemeth ist bei den Braun-Weißen für die offensiven Standard-Situationen zuständig, Knoop für die defensiven. Oder muss man demnächst sagen: sie waren? Beide hatten jedenfalls in der jeweiligen Pressemeldung betont, wie wohl sie sich im Trainerteam und auch im Verein fühlen und wie viel sie noch vorhaben.
Es wäre jedenfalls nicht verwunderlich, wenn Hürzeler zumindest einen seiner engsten Mitarbeiter auf die Insel mitnehmen wollte, hat er doch immer wieder betont, wie eng und vertraut er mit seinen Kollegen im Trainerteam zusammenarbeite. Doch angesichts der laufenden Verträge hat auch im Fall der „Assis“ der Kiezklub das letzte Wort und kann die Bedingungen diktieren. Und: der Nachfolger von Hürzeler bei St. Pauli könnte ebenfalls mindestens einen Assistenten mitbringen wollen. Das ist alles andere als unüblich bei einem neuen Engagement.
Keine Anzeichen, dass Hürzeler auch Spieler ködert
Aber: sowohl Nemeth als auch Knoop sind wichtige und prägende Figuren bei den Kiezkickern. Knoop ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass sich Nikola Vasilj zu einem Topkeeper der Zweiten Liga entwickelt hat. Der Abgang eines Assistenten oder gar beider wäre ein herber Verlust, sportlich und auch menschlich.
Der FC St. Pauli teilte dazu mit: „Eine Entscheidung über die künftige Besetzung des Trainer-Teams beim FC St. Pauli soll nun so schnell, wie es die Gesamtsituation zulässt, geklärt werden.“
Es kann nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass Hürzeler auch Spieler seiner alten Mannschaft gerne in seinem neuen Team hätte, aber auf aktuelle oder bevorstehende Abwerbungsversuche deutet derzeit überhaupt nichts hin und sie dem abwandernden Coach ohne Anhaltspunkte zu unterstellen, wäre unfair.