Dieses Feuer wird doppelt teuer: Droht im Pyro-Streit ein heißer Herbst?
In der Bundesliga ist alles eine Nummer größer. Das gilt auch für Strafen. Die 1:2-Niederlage bei Borussia Dortmund tut dem FC St. Pauli nicht nicht nur sportlich weh, sondern wird den Kiezklub auch finanziell treffen. Dass die Ultras im Gästeblock mächtig Pyrotechnik abfackelten und für eine kurzzeitige Spielunterbrechung sorgten, dürfte auch eine Reaktion auf den Sicherheitsgipfel in München sein, bei dem Vertreter aus Politik und Profifußball das geltende Pyro-Verbot bekräftigten und Politiker ein härteres Vorgehen bei Gewalt und Fehlverhalten im Stadion forderten und beschlossen. Eine aus dem St. Pauli-Block in Richtung Rasen abgefeuerte Rakete liefert der Front der Pyro-Gegner Argumente. Schaukelt sich der Konflikt erneut hoch?
Auf der größten Bühne, die der deutsche Fußball zu bieten hat, im mit 81.365 Zuschauenden ausverkauften Dortmunder Fußballtempel, hatten die rund 8000 Fans des Kiezklubs am Freitagabend ein Feuerwerk abgebrannt – verbal, mit einem beeindruckend lautstarken Support ihrer Mannschaft, aber auch im wahrsten Sinne des Wortes.
St. Paulis Ultras zünden in Dortmund viel Pyrotechnik
Mit Beginn der zweiten Halbzeit wurde im unteren Bereich des großen Gästeblocks jede Menge Pyrotechnik abgebrannt. Zunächst wurde eine Rakete in Richtung des Spielfeldes abgeschossen, deren glimmender Rest auf dem Rasen landete, an der Grenze des BVB-Strafraums. Es war wie ein Startsignal. Kurz darauf wurden zahlreiche Bengalos gezündet, dazu rote Blinker. Es kam zu einer starken Rauchentwicklung. Schiedsrichter Dr. Matthias Jöllenbeck unterbrach die Partie kurz nach dem Wiederanpfiff gleich wieder. Auch im weiteren Verlauf der zweiten Hälfte wurde weitere Pyrotechnik gezündet, immer wieder gefolgt von Durchsagen des Stadionsprechers, das dies verboten und deshalb zu unterlassen sei.
Möglicherweise hätte es die Pyro-Aktion schon zum Anpfiff gegeben, doch zu diesem Zeitpunkt waren viele Ultras noch gar nicht im Stadion, steckten vermutlich im Stau oder verspäteten Zügen fest, darunter auch die Vorsänger der Kurve, die erst eine halbe Stunde nach Anpfiff auf der Tribüne erschienen und den organisierten Support starteten.
Pyro-Geldstrafen in der Bundesliga doppelt so hoch
Das Feuerwerk wird für St. Pauli ein Teuerwerk. Bei einem Aufstieg steigen zwar die Einnahmen, aber auch die Ausgaben. Das gilt auch für Sanktionen. Höhere Liga, höhere Strafen.
Das „Abrennen von pyrotechnischen Gegenständen“, wie es in den Statuten des DFB heißt, wird in der Bundesliga mit 1000 Euro je Gegenstand bestraft. In der Zweiten Liga waren es 600 Euro. Das Abschießen oder Werfen von pyrotechnischen Gegenständen kostet 3000 Euro (statt 1500 in Liga zwei). Insgesamt ist es eine Verdopplung der Geldstrafen. Eine Spielunterbrechung kann eine Straferhöhung von bis zu 20 Prozent zur Folge haben, bei mehr als einer Minute Unterbrechung können es 50 Prozent werden.
Auf den Kiezklub dürfte eine Geldstrafe im mittleren bis hohen fünfstelligen Bereich, möglicherweise sogar sechsstelligen Bereich zukommen. Äußerst kontraproduktiv beim Bestreben der organisierten Fans, die Abschaffung des Verbots von Pyrotechnik und Sanktionen oder zumindest Lockerungen zu erreichen, war die in Richtung Rasen abgeschossene Rakete, denn so etwas stellt immer eine Gefährdung Unbeteiligter dar, ist auch nicht besonders stimmungsvoll oder zu schützendes Fankulturgut und dürfte den Pyro-Kritikern als Beweis dienen, dass Feuerwerk im Stadion kategorisch verboten bleiben muss.
Bayerns Innenminister Herrmann sieht „Lebensgefahr“
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU), Gastgeber des erwähnten Sicherheitsgipfels, hatte jüngst im Zusammenhang mit Pyrotechnik von „Lebensgefahr“ gesprochen, was Fanvertretungen als „Populismus“ kritisiert hatten. Hans-Joachim Watzke, Geschäftsführer von Borussia Dortmund und Aufsichtsratschef der DFL, sieht Pyrotechnik zwar nicht als „Riesenkatastrophe, aber nichtsdestotrotz ist es einfach gefährlich.“ Beim Sicherheitsgipfel seien sich „alle komplett einig“ gewesen, dass das Verbot bestehen bleibt und man Pyro im Stadion nach „derzeitigen Standards“ nicht erlauben könne und es mit dem Spiel auch „sehr wenig zu tun“ habe.
Wenige Stunden später saß Watzke im Signal Iduna Park, quasi seinem Fußball-Wohnzimmer, und wurde Augenzeuge der Pyro-Aktion der St. Pauli-Ultras, die zeigt: Verbote und die Androhung oder das Durchsetzen härterer Strafen werden nicht die Lösung sein. Auch bei anderen Spielen an diesem Wochenende wurde reichlich Pyrotechnik abgebrannt, was sicher kein Zufall ist. Jetzt-erst-recht-Modus.
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Der Konflikt zwischen Teilen der Fans, Vereinen, Verbänden und Politik könnte sich erneut hochschaukeln und die nächsten Wochen dominieren. Neben dem Pyro-Thema ist es vor allem die geplante Einführung einer zentralen Stadionverbotskommission, die viele organisierte Fans erzürnt und auf die Barrikaden bringt. Der Dachverband der Fanhilfen e.V. hat angekündigt: „Gegen dieses Vorgehen werden sich Fans entschieden wehren.“ Es könnte ein heißer Herbst werden in Deutschlands Fußballstadien – und damit auch am Millerntor.