Morgan Guilavogui feiert sein 2:0 für St. Pauli gegen Kiel
  • Morgan Guilavogui feiert sein 2:0 für St. Pauli gegen Kiel.
  • Foto: IMAGO/Justus Stegemann

„Ekstase pur!“ St. Pauli besiegt den Fluch, feiert drei Tore und ersten Heimsieg

Tor, Tor, Tor Millerntor! Richtig gezählt. Drei Tore. Noch besser: drei Punkte. Und gleich mehrere Premieren. Der 3:1 (1:0)-Sieg des FC St. Pauli im hitzigen Nord-Duell gegen Holstein Kiel war der erste Heimerfolg in dieser Saison. Und die Treffer waren die Heimtore eins, zwei, drei in dieser Spielzeit – zwei Stürmertore darunter. Der Triumph im so wichtigen und wegweisenden Duell der Aufsteiger war eine Erlösung für den gesamten Kiezklub. Ein Befreiungsschlag. Ein Durchbruch. Frenetisch gefeiert von den Fans im bebenden Millerntor-Stadion.

„Wir freuen uns über den Sieg und ich bin auch erleichtert“, bekannte Kapitän Jackson Irvine, der in den Katakomben nicht überschwänglich, sondern sehr gefasst war. Nüchterne Zufriedenheit. Und auch eine Prise Genugtuung. „Wir haben immer gesagt, dass es nur eine Frage der Zeit ist. Es war für uns nur ein weiterer wichtiger Schritt.“

Johannes Eggestein betonte: „Das war für die Mannschaft die Belohnung für die Arbeit in den letzten Wochen.“ Und Hauke Wahl sagte: „Man hat gesehen, dass nicht nur bei uns viel Last abgefallen ist, sondern auch von den Fans.“

Saliakas schießt erstes Heimtor für St. Pauli

Der Rahmen war wie gemalt für den FC St. Pauli: Freitagabend, Flutlicht, Dom, volles Haus und frenetischer Support. Die perfekten Bedingungen, um Flüche zu beenden und Geschichte zu schreiben. Mit dem ersehnten ersten Heimtor in der Bundesliga im sechsten Anlauf.

Um 20.54 Uhr war es so weit. Mit einem wuchtigen und platzierten Rechtsschuss beendete Manos Saliakas nach klugem Zuspiel von Johannes Eggestein zurück an die Strafraumgrenze die schwarze Null-Serie und Durststrecke. Sein Flachschuss prallte vom linken Pfosten ins Netz und sorgte für einen wahren Jubelorkan im mit 29.546 einmal mehr ausverkauften Stadion. „Ich habe das Millerntor selten so laut gehört“, meinte Wahl.

Manolis Saliakas jubelt über sein 1:0 für St. Pauli. WITTERS
Manolis Saliakas jubelt über sein 1:0 für St. Pauli.
Manolis Saliakas jubelt über sein 1:0 für St. Pauli.

Es passte irgendwie, dass die Stadionregie länger als üblich brauchte, bis „Song 2“ ertönte. Es fehlt halt die Übung. Und es sagte alles über die Bedeutung dieses Treffers, dass die Fans bei der Durchsage des Torschützen nach dem Namen Saliakas direkt „Fußballgott!“ brüllten. „Das war schon Ekstase pur“, meinte Wahl über den Moment des Volltreffers.

Damit nicht genug. Weil doppelt besser hält und man mit dem Zweiten besser siegt, legten die Kiezkicker nach. Nach einem starken Angriff über Irvine, den kaum zu stoppenden Afolayan, der wie schon vor dem 1:0 Eggestein in Szene setzte, welcher erneut mit viel Übersicht und feinem Fuß den mitgelaufenen Morgan Guilavogui bediente, schoss dieser aus vollem Lauf eiskalt zum 2:0 (56.) ein. Sein erstes Bundesligator. Das Millerntor bebte. Diesmal ertönte „Song 2″ schneller.

Auch Guilavogui und Eggestein treffen für die Kiezkicker

Und weil aller guten Dinge bekanntlich drei sind und sie gerade so richtig schön dabei waren, legten die „Boys in Brown“ noch nach. Eggestein belohnte sich nach einem feinen tiefen Pass von Philipp Treu mit dem 3:0 – sein erstes Saisontor – für seine zuvor blendenden Butler-Dienste. „Song 2“ – längst Ohrwurm. Krise, welche Tor-Krise? Für einen Abend vergessen.

Es waren Klasse-Treffer. Alle drei. Die Tore waren gut herausgespielt. Und nicht nur deshalb war der Sieg hochverdient. Die Kiezkicker waren insgesamt griffiger, heißer, mehr bereit für den Fight. Deutlich besser als den „Störchen“ gelang den Hausherren der Spagat zwischen Leidenschaft und Aggressivität auf der einen und offensiver Spielkultur und Torgefahr auf der anderen.

St. Pauli-Torwart Nikola Vasilj lässt sich für seinen gehaltenen Elfmeter von den Mitspielern feiern. IMAGO/Justus Stegemann
St. Pauli-Torwart Nikola Vasilj lässt sich für seinen gehaltenen Elfmeter von den Mitspielern feiern.
St. Pauli-Torwart Nikola Vasilj lässt sich für seinen gehaltenen Elfmeter von den Mitspielern feiern.

Für die größte Gefahr für das eigene Tor hatten die Braun-Weißen selbst gesorgt. Ausgerechnet Torschütze Saliakas brachte mit einer zu kurz geratenen Kopfball-Rückgabe Keeper Nikola Vasilj in die Bredouille, dem fast gar nichts anderes übrig blieb, als Holby zu foulen (45.). Es gab Elfmeter, ein Schock, der sich kurz darauf in den nächsten Jubelsturm verwandelte, weil Vasilj den Strafstoß von Ex-HSV-Profi Fiete Arp parierte – schon sein zweiter gehaltener Elfer in dieser Saison.

Vasilj pariert Elfmeter von Ex-HSV-Profi Arp

Auch der Kieler Ehrentreffer in der Nachspielzeit durch Harres resultierte aus einem Fehler der Hausherren. Hauke Wahl sprang unter einem Ball hindurch und der Ball landete beim Gegner und Sekunden später im eigenen Tor. Ärgerlich. Aber nur ein Schönheitsfehler.

Weitaus wichtiger als die Null hinten war diesmal, dass vorne NICHT die Null stand.

Für den einzigen Ärger in den Reihen der Sieger sorgte ein Elfmeter, der nicht gegeben wurde. In der 36. Minute hatte Carlo Boukhalfa den Ball nach einer Ecke zunächst an die Latte geköpft. Beim Versuch, den Abpraller zu verarbeiten, wurde Wahl aber von Gegenspieler Geschwill an der Wade getroffen – die TV-Bilder waren eindeutig. Schiedsrichter Felix Zwayer ließ zunächst weiterlaufen, doch dann wurde die Partie unterbrochen, weil sich der VAR die Szene noch einmal anschaute. Zwayer blieb bei seiner Entscheidung: kein Elfer. Dabei hatte es für Szenen wie dieser schon oft Strafstoß gegeben.

Zwayer verweigert Wahl einen Elfmeter

„Ich stand ziemlich gut in der Szene“, berichtete Zwayer nach dem Spiel am DAZN-Mikrofon. „Der Kontakt war eindeutig da, aber nicht so ganz hart.“ Er verteidigte seine Entscheidung: „Ich glaube, ich würde nichts ändern. Der Treffer reicht in der Intensität nicht, um Elfmeter zu geben. Es mag aber auch andere Meinungen geben.“ Gab es.

St. Pauli-Trainer Alexander Blessin bewertete die Situation ganz anders. „Da ist mir egal, wie stark die Berührung ist“, meinte der Coach. Für ihn war es ein klarer Elfer. Blessin erzählte, dass genau so eine Szene vor zwei Wochen bei einem Seminar mit Trainern und Schiedsrichtern als Beispiel gezeigt worden war – und zwar als Beispiel, wann es Elfmeter ist. Die Auslegung „mal so, mal so“ stößt ihm auf. Der Sieg dämpfte den Ärger. „Jetzt kann ich drüber lachen. Jetzt schlucke ich es halt mal.“

St. Paulis Torschützen beim gemeinsamen Jubel: Johannes Eggestein (3:0), Morgan Guilavogui (2:0) und Manolis Saliakas (1:0) WITTERS
St. Paulis Torschützen beim gemeinsamen Jubel: Johannes Eggestein (3:0), Morgan Guilavogui (2:0) und Manolis Saliakas (1:0)
St. Paulis Torschützen beim gemeinsamen Jubel: Johannes Eggestein (3:0), Morgan Guilavogui (2:0) und Manolis Saliakas (1:0)

Mit dem Sieg ist eine Menge Druck aus dem braun-weißen Kessel entwichen, das war spürbar. St. Pauli kletterte mit nun elf Punkten vorübergehend vom Relegationsrang auf Nichtabstiegsplatz 15 und hat nun schon sechs Zähler Vorsprung auf den Vorletzten aus Kiel.

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Mit Rückenwind und einer gesunden Portion Lockerheit können die Kiezkicker in die nächste Aufgabe gehen, die es in sich hat: am kommenden Samstag tritt St. Pauli beim amtierenden Deutschen Meister Bayer Leverkusen an – der übrigens noch am Dienstagabend das DFB-Pokal-Achtelfinale bei Bayern München bestreiten muss.

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