Ernüchterung bei St. Pauli: Last-Minute-Pleite wird zum „Spiegelbild der Saison“
Zu seligen Vinyl-Zeiten hätte man gesagt, dass die Platte einen Sprung hat. Seit Saisonbeginn sind die Themen, die das seit sieben sieglosen Partien währende Tief des FC St. Pauli dominieren, dieselben. Und auch wenn es eigentlich keines erneuten Beleges bedurfte, lieferten ihn die Kiezkicker beim nicht nur wegen des Last-Second-Gegentors durch Pherai (90.+3) über alle Maße bitteren 1:2 in Braunschweig.
„Du führst bis zur 77. Minute, hast bis dahin sehr konsequent alles weg verteidigt und am Ende gibst du es noch ganz aus der Hand“, klagte Timo Schultz. „Es ist so ein bisschen auch das Spiegelbild der bisherigen Saison.“ Es ehrt den Coach, dass er inzwischen Abstand genommen hat davon, nach Spielen Zahlen zu präsentieren, die durchaus als Beleg seiner täglichen Arbeit gewertet werden können.
St. Pauli gegen Braunschweig dominant, aber nicht effektiv
Auch am Samstag war seine Elf mal wieder fußballerisch dominant (deutliches Plus bei Pässen, Passquote, Ballbesitz) und hatte auch in vermeintlich entscheidenden Statistiken die Nase vorn. Doch genau da lag einmal mehr der Hase im Pfeffer: St. Pauli ließ lediglich zehn Braunschweiger Torschüsse zu – nur Rostock hatte als Heimelf an diesem Spieltag weniger (acht). Gleichzeitig kam der Kiezklub zusammen mit Paderborn auf die für Auswärtsteams beste Zahl von 14 eigenen Abschlüssen. Der feine Unterschied: Paderborn siegte bei Hansa mit 3:0 …
„Wir sind in jedem Spiel drin oder dran, mindestens auf Augenhöhe“, klagte Schultz. „Aber in den entscheidenden Disziplinen, dazu gehört vor allem Tore zu verhindern, fehlt dann manchmal die letzte Konsequenz. Wir machen es dem Gegner zu leicht, Einwürfe und Ecken gegen uns zu kriegen.“ Was auch etwas mit der Unerfahrenheit des jüngsten Teams der Liga zu tun haben dürfte. „Wir müssen an Reife gewinnen“, sagte Marcel Hartel zur Entstehung des Braunschweiger Ausgleichstreffers durch Immanuel Pherai (77.) im Anschluss an einen eigenen Ballverlust. „In so einer Situation müssen wir mal das taktische Foul ziehen und die Gelbe Karte in Kauf nehmen.“
Saliakas erzielt den einzigen St. Pauli-Treffer sehenswert
Nun kann man Reife genauso wenig trainieren wie Durchschlagskraft, die einmal mehr fehlte. Den einzigen (und sehr sehenswerten) Treffer erzielte in Manolis Saliakas der Rechtsverteidiger, die besten Chancen ansonsten hatte Mittelfeldmann Hartel (9., 81., 86.). „Wir hätten unsere Konter ausspielen müssen“, befand Schultz. „Wir hatten ja fünf oder sechs, wo wir dann aber nicht die letzte Klarheit auf den Platz gebracht haben.“
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Schon jetzt lässt sich sagen, dass diese Saison eine verschenkte sein wird – im Idealfall. St. Paulis einziges Ziel für 2022 kann es nur sein, möglichst noch in die Nähe des 20-Punkte-Bereichs zu gelangen und dann in der langen WM-Pause den Kader dergestalt aufzupeppen, dass er nicht nur Perspektive bietet, sondern auch Gegenwartsrelevanz hat.