Ex-St. Pauli-Trainer in Berlin: Olaf Janßen: Freude mit Labbadia – Frieden mit Lienen
Sein Draht nach Hamburg, zum FC St. Pauli, ist nie abgerissen. An einem sonnigen, aber noch kühlen Tag vor einer guten Woche glühte er plötzlich wieder. Unzählige Anrufe und Kurznachrichten ließen das Handy von Olaf Janßen in einer Tour klingeln und vibrieren, viele davon kamen aus der Elbmetropole. Es waren braun-weiße Glückwünsche. Mehr als zwei Jahre nach seiner Entlassung als Chefcoach der Kiezkicker und nach zehn Monaten ohne Trainerjob ist der 53-Jährige zurück auf der großen Fußball-Bühne. Ein Comeback in zweiter Reihe – aber erster Klasse.
Der Zeitpunkt ist ein außergewöhnlicher. Mitten in der Corona-Krise, in der der Spielbetrieb in Fußball-Deutschland ruht und noch unklar ist, wann der Ball wieder durch die Stadien rollt, hatte Hertha BSC, der Hauptstadtklub, die Verpflichtung von Bruno Labbadia als Cheftrainer bekannt gegeben – und Janßen ist als Co-Trainer des früheren HSV-Coaches dabei.
Janßen will mit Labbadia, Sözer und Kern Hertha wachrütteln
Seit einer Woche leitet Labbadia zusammen mit Janßen sowie dem zweiten Co-Trainer Eddy Sözer und Athletiktrainer Günter Kern das durch die Corona-Pandemie eingeschränkte Training bei der Hertha in der Hauptstadt, wo alles eine Nummer größer ist, aber der sportliche Erfolg seit jeher bescheidener als das Selbstverständnis.
Frau und Kinder von Olaf Janßen wohnen weiterhin in Köln
Trotz der schwierigen aktuellen Umstände wird Janßen fast euphorisch, wenn er über die neue Aufgabe spricht. „Das Projekt ist hochgradig spannend, eine riesige Herausforderung und auch Chance“, sagt der fünffache Familienvater, dessen Frau und Kinder in Köln-Hürth wohnen bleiben, im Gespräch mit der MOPO. „Es ist die Gelegenheit, auf die wir gewartet haben.“
Trainerteam hat sich systematisch auf neuen Job vorbereitet
Arbeitslos war der Fußballlehrer seit Sommer 2019 nämlich nur offiziell. Tatsächlich war er alles andere als tatenlos. „Bruno, Eddy, Günter und ich haben uns regelmäßig getroffen, ausgetauscht, Analysen erstellt, Video-Material produziert, Taktiken ausgetüftelt, Standards entwickelt, den Markt sondiert. Wir haben quasi weiter wie ein Trainerteam gearbeitet, nur eben ohne Mannschaft“, verrät Janßen.
Labbadia, Janßen & Co. schafften kleines Wunder in Wolfsburg
Mit seiner letzten Mannschaft hatte Labbadia ein kleines Wunder vollbracht. Der 54-Jährige rettete den VfL Wolfsburg nach seinem Amtsantritt im Februar 2018 zunächst als Feuerwehrmann vor dem Abstieg und führte den Klub in der Folgesaison in den Europapokal. Janßen, Sözer und Klein waren dabei. Im vergangenen Sommer verließ Labbadia die „Wölfe“ auf eigenen Wunsch.
Erlebnis beim VfL Wolfsburg war wichtig für das Wir-Gefühl
„Die Mannschaft in Wolfsburg lag total am Boden als wir dort anfingen. Das Ding dann wieder zu drehen und später sogar in die Euro League einzuziehen, war ein ganz besonderes Erlebnis“, erinnert sich Janßen. „Das hat auch uns als Trainerteam zusammengeschweißt und vor allem darin bestärkt, in dieser Konstellation, gemeinsam den nächsten Schritt machen zu wollen.“
Janßens Engagements als Cheftrainer endeten recht schnell
Janßen musste nicht lange überlegen, ob er wieder mit im Boot ist, als sich für Labbadia die Option Hertha BSC auftat. Nach zwei eher kurzen Engagements als Cheftrainer bei St. Pauli und Viktoria Köln ist er nun zum zweiten Mal in Folge Co-Trainer.
Ist Olaf Janßen etwa doch ein „geborener Assi“ und in zweiter Reihe einfach besser als in der Chef-Rolle – wie schon bei St. Pauli?
Er lacht. Und denkt kurz nach. „Die Frage hat sich mir so nicht gestellt“, antwortet er dann. „Ich bin als Trainer und auch als Mensch breit aufgestellt und offen für die Dinge. Ich entscheide nach dem Projekt und der Konstellation der Personen. Hierarchie ist mir nicht wichtig.“
Olaf Janßen schwärmt von Zusammenarbeit mit Bruno Labbadia
Mit der Nebenrolle hat Janßen überhaupt kein Problem, was vor allem an seinem Chef liegt. „Die Zusammenarbeit mit Bruno ist einfach überragend. Die Verbindung ist schon besonders“, schwärmt er. „Der Umgang ist respektvoll, vertrauensvoll, freundschaftlich. Bruno ist ein Top-Trainer und ein Super-Typ. Es passt zwischen uns. Wir sind auf einer Wellenlänge. Dieses Gefühl brauche ich.“
Janßen wollte Labbadia als Trainer zu Rot-Weiss Essen holen
Der Draht ist nicht nur eng, er ist auch alt. „Bruno und ich kennen uns schon seit Spielertagen aus einer gemeinsamen Saison beim FC Köln“, erzählt Janßen. 1994/95 war das. „Da haben wir uns kennen und schätzen gelernt.“ Als Janßen zehn Jahre später Manager bei Rot-Weiss Essen war, wollte er Labbadia als Trainer verpflichten, doch dieser wollte lieber seine Fußballlehrerausbildung ordnungsgemäß zu Ende bringen. „Bruno hat mich damals abblitzen lassen“, erzählt Janßen schmunzelnd. Die gemeinsame Zeit in Wolfsburg habe letztlich „gezeigt, was wir zusammen im Trainerteam erreichen können“.
Berlin ist eine andere Hausnummer als Wolfsburg, auch wenn der eher provinzielle VfL seit Jahren weitaus erfolgreicher ist als die Hertha. Das soll sich ändern. Mit Labbadia.
Olaf Janßen strebt langfristige Tätigkeit in Berlin an
„Wir wollen etwas aufbauen, langfristig, und unsere Philosophie reinbringen“, beschreibt Janßen das gemeinsame Ziel. „Die Konstellation ist sehr besonders. Berlin ist eine Weltmetropole mit einem Klub, der noch nicht da ist, wo er hinwill, aber riesiges Potenzial hat. Das hat uns im Trainerteam total gereizt.“
Janßen und Labbadia machen es anders als Klinsmann
Nach dem spektakulär gescheiterten Experiment mit Jürgen Klinsmann, der seinen großen Worten („Big City Club“) und Millionen-Einkäufen keine sportlichen Großtaten hat folgen lassen und die Hertha im Streit verließ, will das neue Trainerteam den umgekehrten Weg gehen. „Nicht so viel verkünden, sondern einfach machen“, bringt es Janßen auf den Punkt und fügt an: „Ohne sich dabei aber Grenzen zu setzen.“
Jos Luhukay gratulierte Janßen zum neuen Job
Einer der herzlichsten Gratulanten zum neuen Job war ein früherer Hertha-Trainer: Jos Luhukay, Chefcoach des FC St. Pauli, der 2016 mit Janßen als seinem Co-Trainer beim VfB Stuttgart zusammengearbeitet hat. „Jos und ich sprechen oft“, erzählt Janßen. Auch zu Markus Gellhaus, Co-Trainer von Luhukay beim Kiezklub, hält er Kontakt.
Janßen: „Verbindung zu St. Pauli ist nie abgerissen“
Gellhaus und Janßen waren bei St. Pauli anfangs Assistenten von Ewald Lienen und als Janßen dann im Sommer 2017 zum Cheftrainer befördert wurde, war Gellhaus sein „Co“.
„Die Verbindung zu St. Pauli ist nie abgebrochen“, sagt Janßen, der auch nach seiner Entlassung als Cheftrainer im Dezember 2017 ein gerngesehener Gast am Millerntor war und ist.
Janßen: St. Pauli ist „fast eine Religion“
An die 13 Monate beim Kiezklub hat er lebendige Erinnerungen. „Ich habe die Lebenseinstellung der Menschen auf St. Pauli genossen. Es ist fast eine Religion, aber keiner nimmt sich persönlich zu wichtig, sondern der FC St.Pauli mit seinen Werten steht im Mittelpunkt“, so Janßen. Das gelte auch für die handelnden Personen im Verein mit Präsident Oke Göttlich an der Spitze.
Janßen wohnte im Hamburger Schanzenviertel
In seiner Hamburger Zeit hat Janßen im Schanzenviertel gewohnt, in Fußdistanz zum Millerntor. So mancher Trainerkollege habe ihn damals für verrückt erklärt, so nah am Stadion und mitten im quirligen Stadtteil zu leben, erinnert er sich. „Aber auch als Cheftrainer konnte ich mich dort frei bewegen. Da kam mal ein herzliches ,Hallo Trainer’, aber ich durfte immer ich selbst bleiben und brauchte mich nie zu verstellen. Das kann so, glaube ich, kein Cheftrainer irgendwo von sich behaupten!“ Es war ein respektvolles, harmonisches Miteinander.
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Lienen fühlte sich von Janßen hintergangen
Gestört war zwischenzeitlich allerdings die Verbindung zu Ewald Lienen. Der jetzige Technische Direktor der Kiezkicker hatte in seiner im Frühjahr 2019 erschienenen Autobiografie mit Janßen abgerechnet und seinem früheren Co-Trainer mit harten Worten mangelnde Loyalität und Ehrlichkeit unterstellt. Janßen, so Lienens Behauptung, habe ihn hintergangen, indem er wissentlich als kommender Cheftrainer in Stellung gebracht worden sei, ohne ihn zu informieren.
Janßen: „Wir haben uns ausgesprochen“
„Der Ärger mit Ewald ist ausgeräumt“, sagt Janßen, „das war mir besonders wichtig, dass die Misstöne nicht mehr im Raum stehen. Wir haben uns ausgesprochen.“ Nach längerer Funkstille habe er Lienen bei einem Treffen erläutert und „glaubhaft versichern können“, dass er ihn umgehend informiert habe, als der FC St. Pauli ihm ein Angebot als Cheftrainer unterbreitet hatte und dies nicht schon lange vorher gewusst habe.
Janßen erinnert sich gern an die Rettung mit Lienen
„Ich habe ein reines Gewissen“, betont Janßen. „Die Sache ist abgehakt. Es steht nichts zwischen uns.“ In Erinnerung soll die erfolgreiche Rettungs-Mission 2017 bleiben. „Wir blicken beide mit Stolz auf unsere überragende Rückrunde mit St. Pauli. Es war eine besondere Zeit, die ich im Herzen trage, nie vergessen werde und für die ich sehr dankbar bin.“
Das möchte Olaf Janßen irgendwann auch mal über sich und Labbadia und ihren neuen Job in der Hauptstadt sagen. In möglichst ferner Zukunft.