Polizei im Gästeblock: So kam es zur brutalen Eskalation am Millerntor
Mit dem Auftritt beim 0:0 gegen Hannover 96 war der FC St. Pauli nicht unzufrieden. Doch über Fußball wollte nach dem Spiel keiner mehr reden. Stattdessen sorgten Geschehnisse auf den Rängen für Fassungslosigkeit. Im Gästeblock kam es plötzlich zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Auswärtsfans und Einsatzkräften der Polizei. Was ist bisher bekannt? Chronologie einer Eskalation.
Es war gegen kurz nach 20 Uhr am Freitagabend, als der Fußball am Millerntor schlagartig in den Hintergrund rückte. Der gewaltsame Zusammenprall zwischen der Polizei und Teilen der rund 2800 96-Anhänger unterbrach die Partie in der Schlussphase für mehrere Minuten. Details über die genauen Hintergründe sickerten erst im Verlauf des Wochenendes durch. Es sind erschreckende Einzelheiten.
Polizei wollte Fan von Hannover 96 schützen
Als Grund für das Einschreiten erklärte die Polizei, zum Schutz einer männlichen Person in den Block gegangen zu sein. Der Auftrag sei gewesen, einen „Niedergeschlagenen aus dem Block zu holen, bevor er womöglich tödliche Verletzungen davonträgt“, schilderte ein beteiligter Polizist der MOPO. Warum der Fan so hart angegriffen wurde, ist nicht bekannt.
Dass es nach dem Betreten des Blocks zum Einsatz von Gewalt kam, habe laut der Polizei daran gelegen, dass die Einsatzkräfte mit „Schlägen, Tritten und Fahnenstangen“ angegriffen worden seien, „woraufhin unsere Kolleginnen und Kollegen mit dem Einsatz von unmittelbarem Zwang, unter anderem in Form von körperlicher Gewalt und Pfefferspray, reagierten.“
Vor allem letztgenanntes Mittel sorgte im Nachgang auf Fan-Seiten für Empörung. Sowohl die Kräfte, die direkt in den Block gingen, als auch jene, die sich wenig später vor der Kurve positionierten, sprayten in die Fan-Menge, auch auf offensichtlich unbeteiligte Gruppen.
Auch deshalb ordnete St. Paulis Fanhilfe den Einsatz im Nachgang als „unangebracht und unverhältnismäßig“ ein, ähnlich sah es das Hannoveraner Pendant. In der Gewerkschaft der Polizei (GdP) sieht man das anders, ein Sprecher bemängelt den Trend, das Eingreifen der Polizei bei Auseinandersetzungen zwischen Fans als Polizeigewalt zu bezeichnen.
FC St. Pauli kritisiert Pfefferspray-Einsatz der Polizei
Am Samstag veröffentlichte der FC St. Pauli ein Statement, in dem die Gewalt der Gästefans verurteilt, aber auch der Pfefferspray-Einsatz als „kritisch“ bezeichnet wird. Dadurch seien „Unbeteiligte verletzt“ worden, weshalb sich die „dringende Frage nach der Verhältnismäßigkeit“ stelle. „Was von diesem Abend bleibt, sind verstörende Eindrücke, die Fußball- und Fankultur schwer beschädigen“, so Präsident Oke Göttlich.
Mit Spielende war der Skandal jedoch nicht vorüber. Während die 96-Fans laut Polizei ohne Zwischenfälle abreisten, sorgte nun der St. Pauli-Anhang für Randale. So positionierten sich 300 Heimfans zu einem Fanmarsch, wobei die Einsatzkräfte mit Flaschen, Steinen und Böllern attackiert worden sei, so die Polizei. Ein Beamter erlitt durch den Wurf einer Gehwegplatte (!) einen doppelten Wadenbeinbruch, kam ins Krankenhaus.
Polizei dachte an Schusswaffen-Einsatz!
Beinahe wäre die Polizei im Gästeblock sogar noch weiter gegangen. Ein GdP-Sprecher bestätigte der MOPO, dass die Einsatzkräfte kurz davor standen, Schusswaffen zu ziehen! Davon habe man aufgrund der Umstände im vollen Stadion aber abgesehen.
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32 verletzte Einsatzkräfte und Fans, so der Stand laut Polizei am Samstag, habe es gegeben, die Fanhilfe Hannover ging in einem Statement von „einer dreistelligen Zahl an verletzten 96-Fans“ aus. Zu eingeleiteten Ermittlungsverfahren und Festnahmen existierten noch „keine validen Zahlen“, so die Polizei. Auch der DFB-Kontrollausschuss ermittelt.