Alexander Blessin gibt Kommandos an der Seitenlinie in Mönchengladbach.
  • St. Pauli-Trainer Alexander Blessin vor der Reservebank, auf der derzeit echte Alternativen rar sind
  • Foto: WITTERS

Gefährlich dünn: St. Paulis Bank ist ein dickes Problem – aber „keine Ausrede“

Emil, wer? Welcher Julien? Selbst bei vielen St. Pauli-Fans dürfte der Blick auf diese Liste der Reservespieler, die beim Auswärtsspiel in Mönchengladbach auf der Bank saßen, für Stirnrunzeln gesorgt haben. Neue Gesichter im Spieltagskader. Weitgehend unbekannte Gesichter. Das macht die derzeit dramatische Personallage bei den Kiezkickern deutlich. Die Decke ist gefährlich dünn. Der Mangel an adäquaten Alternativen groß, was sich auch auf dem Rasen bemerkbar macht. Die Bank ist derzeit nicht breit und stark genug.

Kein Jammern, kein Klagen, kein Relativieren. Durchbeißen und das Beste aus der misslichen Lage machen, lautet die Devise bei den Braun-Weißen. Es ist ehrenhaft, dass niemand lauthals über die Verletzungsseuche lamentiert oder sie als Begründung oder Mitgrund für sportliche Misserfolge wie zuletzt in Gladbach ins Feld führt. Grund dazu hätten die Kiezkicker allemal.

Alexander Blessin: Lange Verletzungsmisere keine Ausrede

„Wir müssen es einfach so akzeptieren“, sagt Trainer Alexander Blessin. Die vielen Ausfälle, der Umbau der Dreierkette nach dem Ausfall von Karol Mets, der durch David Nemeth ersetzt wurde, die mangelnde Abstimmung und auch die insgesamt hohe Belastung der Leistungsträger zeigen Wirkung. „Es kann eine Erklärung sein, aber das werden wir sicher nicht als Ausrede nehmen.“

Es sagt einiges über die aktuelle Situation, dass am Dienstagvormittag mit Kapitän Jackson Irvine, Eric Smith, Hauke Wahl, Philipp Treu und Morgan Guilavogui gleich mehrere Stammspieler beim Training pausierten und drinnen arbeiteten. Regeneratives Training. Johannes Eggestein, Manolis Saliakas, Nikola Vasilj und Oladapo Afolayan machten bei der Einheit auf dem Platz früher Feierabend als die Reservisten.

Stammspieler treten kürzer, Fragezeichen bei Mets

Das Ziel und das Signal waren klar: Körper schonen, Kräfte sammeln für das so wichtige Heimspiel am Freitag gegen Mitaufsteiger Holstein Kiel am Millerntor. Ob Mets (Patellasehnenprobleme) rechtzeitig fit wird, ist fraglich. Beim angeschlagenen Adam Dzwigala als Innenverteidiger-Alternative zu Nemeth sieht es etwas besser aus.

Personell drückt der Schuh – und dieser ist aus Holz und drei Nummern zu klein. Die Leistungsträger bewegen sich seit Wochen an der Belastungsgrenze, annähernd adäquate Alternativen sind auch verletzungsbedingt Mangelware. Die Optionen auf der Bank derzeit: nicht ausreichend, nicht gleichwertig, ohne viel Spielpraxis oder gar jung, unerfahren und noch ohne Profieinsatz.

Drei Nachwuchsspieler auf der Reservebank

Eingangs erwähnte Namen: Emil Staugaard (23) und Julien Yanda (17). Erstgenannter ist Innenverteidiger der U23, der andere Linksverteidiger der U19 des Kiezklubs. Beide standen erstmals im Spieltagskader – aufgrund Spieler-Not. Das Novizen-Trio komplettierte U23-Spieler Marwin Schmitz (17), der schon mehrfach im Kader war, aber noch ohne Pflichtspielminute bei der ersten Mannschaft ist. Drei von Neun.

Ein Drittel der braun-weißen Ersatzbank in Mönchengladbach hatte keine Profierfahrung. Lars Ritzka und Danel Sinani waren die einzigen Kiezkicker auf der Bank mit mehr als einer Stunde Gesamt-Einsatzzeit in den elf Ligaspielen – und die einzigen mit Startelfeinsätzen.

Rotation oder auch nur vorzeitige Auswechselungen, um die Belastungen der Leistungsträger besser zu verteilen, sind derzeit schlichtweg nicht möglich.

Zuletzt wenig Qualität und Spielpraxis auf Reservebank

„Unsere Verletztenliste sieht gerade nicht schön aus“, sagt Hauke Wahl im Hinblick auf die Langzeit-Ausfälle Elias Saad, Connor Metcalfe, Robert Wagner und Scott Banks sowie im letzten Spiel auch Mets und Dzwigala. Wie sein Trainer betont auch Abwehr-Routinier Wahl, dass dies „keine Ausrede“ sein solle.

Und das Bankproblem?

„Man muss ja nur auf die Liste gucken“, meinte Wahl mit Verweis auf die drei Nachwuchsspieler im Gladbach-Kader. „Das ist ja klar, dass man merkt, dass da Verletzte fehlen. Es fehlen ja nicht nur Kaderspieler 23 bis 27, sondern wichtige Leute.“ Gleichzeitig will er den Reservisten nicht ihre Fähigkeiten und ihren Wert absprechen, betont: „Ich finde, dass wir trotzdem Jungs haben, die immer näher rankommen.“

Hauke Wahl kämpferisch: „Mir ist nicht Angst und Bange“

Erik Ahlstrand etwa habe „es sich verdient, dass er Einsatzminuten bekommt“, so Wahl. Wir müssen schauen, dass wir die Jungs noch näher rankriegen.“ Der Schwede war in Mönchengladbach in der 68. Minute eingewechselt worden und hatte für Belebung gesorgt, aber nicht für entscheidende Szenen. Es war sein Bundesliga-Debüt.

Nemeth wiederum ist kein gleichwertiger Ersatz für Karol Mets, kann dies allein schon wegen seiner mangelnden Spielpraxis auf Bundesliga-Niveau gar nicht sein. Auch er gab gegen Gladbach sein Pflichtspieldebüt in der Saison „Natürlich, wenn du auf einmal reingeworfen wirst, dann klappt nicht immer alles“, weiß auch Blessin.

Jackson Irvine hofft für Kiel-Spiel auf Rückkehrer

Die Situation ist verdammt schwierig. Die Probleme sind offensichtlich. Dennoch versprüht Wahl Zuversicht, durchaus demonstrativ: „Mir ist nicht Angst und Bange. Da ist auch Qualität da.“ Er mag ein Optimist sein, ist aber nicht naiv. „Es ist auch klar, dass uns Qualität fehlt.“

Kapitän Irvine hofft, dass „ein paar Spieler zurückkommen gegen Kiel, damit wir mehr Alternativen haben, die uns mehr Flexibilität geben.“

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