„Ging alles zu schnell“: St. Pauli spielt Hertha schwindelig und erobert Platz eins
Wenn man das Haar in der Suppe suchen will, dann muss man ihnen vorwerfen, es unnötig spannend gemacht zu haben. Unterm Strich aber feierte ein streckenweise famoser FC St. Pauli vor 66.113 Fans im Berliner Olympiastadion einen hochverdienten 2:1 (1:0)-Erfolg gegen Hertha BSC und den Sprung an die Tabellenspitze.
St. Pauli begann völlig unbeeindruckt von der Atmosphäre cool und abgeklärt, hatte schnell die Kontrolle und wurde vor allem über die rechte Seite immer wieder gefährlich. Dort hatte der Ex-St. Paulianer Jeremy Dudziak so seine liebe Mühe mit Oladapo Afolayan, dem nach Vorlage von Johannes Eggestein der erste Abschluss gebührte (3.). Fünf Minuten später rauschte eine Eggestein-Flanke nach Afolayan-Pass an Freund und Feind vorbei durch den Berliner Fünfmeterraum. Und wieder 120 Sekunden darauf legte Afolayan für Marcel Hartel ab, der aus 18 Metern das Ziel verfehlte. „Ich glaube, dass wir sehr gut ins Spiel gekommen sind und mutig waren”, analysierte Fabian Hürzeler.
Eggestein brachte St. Pauli nach 25 Minuten in Führung
Gegen den Ball präsentierten sich die Gäste hellwach, ließen keine Umschaltaktion der Hauptstädter zu und entsprechend auch keine Torchancen. Erst in Minute 32 musste Nikola Vasilj bei einem Prevljak-Kopfball das erste Mal eingreifen, aber da führten die Gäste bereits. Nach einem feinen Solo passte Elias Saad den Ball in die Mitte auf Eggestein, der mit einem Schuss aus der Drehung zunächst noch an Keeper Ernst scheiterte, den Nachschuss aber über die Linie drückte (25.).
Und die Führung hätte deutlicher ausfallen können. Zum einen weil Saad zwei Mal in klasse Position zu zögerlich abschloss (33., 45.+1). Und zum anderen weil Referee Aytekin nach Foul von Bouckalakis an Eric Smith bereits auf Strafstoß entschieden hatte (35.), VAR Sören Storks aber eingriff und Aytekin nach Betrachtung der Bilder seine Meinung korrigierte. Strittig, denn ein Kontakt hatte in jedem Fall vorgelegen, weswegen allein der VAR-Eingriff mangels klarer Fehlentscheidung eigentlich nicht regelkonform war.
Aytekin über St. Pauli-Elfer: „Auf dem Platz klarer Strafstoß“
„Auf dem Platz war es für mich vom Gefühl und vom Ablauf her ein klarer Strafstoß“, erklärte der Referee später. „Ich habe einen deutlichen Kontakt wahrgenommen. Der Videoschiedsrichter sagte dann, ‚Dennis, diesen Elfmeter sehe ich nicht’. Ich wollte einfach sichergehen.” Stattdessen wurde er aber unsicher, zumindest für den Moment. „Wenn man es detaillierter analysiert, kann man aber durchaus sagen, dass Hertha ein Stück weit Glück gehabt hat”, räumte Aytekin ein.
Egal. Die Kiezkicker blieben auch nach Wiederbeginn die deutlich bessere und planvollere Mannschaft. Allerdings mit dem Makel, vorzeitig die Weichen noch klarer auf Sieg zu stellen. Saad verpasste aus 16 Metern haarscharf das 2:0 (49.) und blockte versehentlich einen Smith-Abschluss nach Eckball-Variante (58.), ein Ballverlust von Torhüter Ernst im eigenen Strafraum blieb ungenutzt (60.), Eggesteins 25-Meter-Knaller war eine Idee zu hoch angesetzt (65.), Afolayan wurde geblockt (66.), Connor Metcalfes Hammer strich über die Latte (67.), Saads Schuss ging weit vorbei (69.).
Hürzeler ärgert sich über vergebene Chancen von St. Pauli
„Wenn wir früher das 2:0 machen, hätten wir einen ruhigeren Abend gehabt”, befand Hürzeler, der sich kurz darauf dann über eben jenen zweiten Treffer freuen konnte. Nachdem Hartel mit einem ersten Kopfball noch an der Querlatte gescheitert war, lief die Szene weiter. Und nach Afolayans Flanke war abermals der Kapitän zur Stelle und schädelte das Runde ins Eckige (74.). Der vermeintliche K.o. für den Erstliga-Absteiger, der von den Gästen zeitweise hergespielt wurde und offensiv bis auf einen Distanzschuss von Reese (78.) gar nicht stattfand.
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Das Thema schien durch. Doch dann unterlief dem unter großem Jubel der 13.000 mitgereisten Fans eingewechselten Jackson Irvine kurz vorm Strafraum ein technischer Fehler mit Folgen: Bouchalakis legte für Scherhant auf, der unhaltbar den Anschluss erzielte. Und plötzlich war Leben in der Bude! Das Publikum wachte auf, peitschte Hertha nach vorne. Einige Eckbälle und Flanken segelten in den Hamburger Strafraum, doch auch ein stürmender Keeper Ernst half der alten Dame nicht.
„Mit ein bisschen Glück und einem Lucky Punch holen wir vielleicht noch einen Punkt”, analysierte Berlins Trainer Pál Dárdai. „Aber das hätten wir gegen einen deutlich besseren Gegner nicht verdient gehabt. Für uns ging das alles viel zu schnell.”