Rostock-Choreo sorgt für Entsetzen – Verein verteidigt Hansa-Fans
St. Pauli gegen Hansa Rostock, das ist immer auch verbunden mit Abneigung, Anfeindungen und Provokationen zwischen den Fan-Lagern. Beim 3:2-Sieg des Kiezklubs am Samstag trieb es der Anhang der „Kogge“ mit einer Choreo aber weit unter Gürtellinie – mal wieder. Der Verein nahm seine Fans in Schutz.
Was war passiert? Vor dem Anpfiff und auch während der ersten fünf Spielminuten erstreckte sich eine riesige Blockfahne über die Südtribüne des Ostseestadions, auf dem sich der harte Kern des Hansa-Anhangs tummelt. Auf einem großen Banner stand „Plattenbau Rostock“ geschrieben, der Name einer Fan-Gruppierung. Auf der Blockfahne waren passend dazu zahlreiche Wohnblöcke zusehen – darunter auch das Sonnenblumenhaus. Rauchtöpfe in Orange und Schwarz erweckten darüber hinaus den Eindruck, der Plattenbau stehe in Brand.
Eine offensichtliche Anspielung auf fremdenfeindliche Anschläge auf eben jenes Gebäude im Jahr 1992. Damals wurde das Sonnenblumenhaus im Rostocker Stadtteil Lichtenhagen von rechtsextremen Randalierern angegriffen. In dem Haus lebten damals Vietnamesen und Roma, hunderte von ihnen wurden durch die tagelangen Angriffe verletzt, bei denen Teile des Gebäudes in Brand gesteckt wurden. Die Ausschreitungen gelten als die bis dahin schlimmsten rassistischen Übergriffe der deutschen Nachkriegsgeschichte.
Lichtenhagen-Provokation durch Hansa-Fans
Es ist nicht das erste Mal, dass die Rostocker gegen St. Pauli mit Anspielungen auf das Pogrom anecken. In der vergangenen Saison prangte beim Hinspiel des Kiezklubs in Rostock (0:2) eine große Zaunfahne an der Seite des Blocks, auf der in Frakturschrift „Lichtenhagen“ geschrieben stand, zwischen beiden Wortteilen war eine Sonnenblume abgebildet. Im Rückspiel am Millerntor (1:0) prangte selbige dann ganz vorne am Gästeblock.
St. Pauli kritisiert „altbekanntes Muster“ bei Hansa-Choreo
St. Paulis Vereinssprecher Patrick Gensing äußerte sich auf MOPO-Nachfrage vor allem mit Blick auf ein „altbekanntes Muster“, das bei der Choreografie erneut Anwendung gefunden habe, kritisch: „So wird immer wieder mit Doppeldeutigkeiten kokettiert, um mit bestimmter Symbolik öffentlich für Aufmerksamkeit sowie Empörung zu sorgen – und sich bei Kritik bequem wegducken oder gar als Opfer inszenieren zu können.“
Bei solch wichtigen Themen dürfe es jedoch „keine Doppeldeutigkeit geben, sondern wir brauchen klare Positionen für Humanität – so wie es die Gästekurve am Sonnabend durch ihre Choreo zum Tag der Gewalt an Frauen demonstriert hat. Diese Aktion verdient Respekt und vor allem mehr Aufmerksamkeit“, erklärte Gensing mit Blick auf einige Transparente, die die St. Pauli-Fans in Rostock hochhielten.
Von erheblichen Teilen jener Stadionbesucher, die es mit der „Kogge“ halten, war hingegen kein kritischer Blick auf die Choreo zu vernehmen. Von den umliegenden Rängen wurde die Choreo mit viel Applaus gewürdigt. Der Verein äußerte sich im Laufe des Sonntags zu den Vorfällen und verteidigte den Auftritt: „Die Choreografie wurde anlässlich des 13-jährigen Jubiläums der Fangruppe ,Plattenbau Rostock‘ (kurz ,PBR‘) durchgeführt“, erklärte der FCH im Verlauf des Sonntags.
Die Mitglieder sind in den DDR-typischen Plattenbauten des Rostocker Nordwestens zu Hause und fühlen sich nach wie vor damit eng verbunden – daher auch der Name der Fangruppe – ,Plattenbau Rostock‘. Die Choreo zeigt nicht nur das ,Sonnenblumenhaus‘, sondern auch andere Plattenbauten“, merkte der Verein an und versicherte: „Welchen besonderen und vor allem sehr dunklen Fleck das Sonnenblumenhaus in der jüngeren Rostocker Stadtgeschichte hat, ist sowohl den Mitgliedern von ,PBR‘ als auch der Vereinsführung und den Einwohnern der Stadt Rostock in vollem Umfang bewusst.“
Polizei Rostock: Zwei Kinder „leicht verletzt“
Auch auf das Spiel hatte die Aktion Auswirkungen. Die Nachwirkungen der gezündeten Rauchtöpfe sorgten für einen komplett vernebelten Sechzehner, unzählige Bengalos aus dem Gästeblock taten ihr Übriges. Schiedsrichter Robin Braun unterbrach die Partie daraufhin für mehrere Minuten.
Das könnte Sie auch interessieren: „Absoluter Witz!“ Darüber regte sich St. Paulis Hürzeler in Rostock so auf
Mit dem Verlassen des Stadions endete der Ärger jedoch nicht. Wie die Rostocker Polizei mitteilte, kam es „durch bislang unbekannte Tatverdächtige aus einer ca. 100-köpfigen Personengruppe zu Steinwürfen auf Polizeifahrzeuge“. Dabei wurde neben den Einsatzwagen „auch ein privater Pkw beworfen und beschädigt“, so die Polizei. Zwei Kinder im Alter von zwei und zwölf Jahren seien durch Glassplitter „leicht verletzt“ worden. Ob es sich bei den Tatverdächtigen um Fans des FC St. Pauli oder von Hansa Rostock handelt, war zunächst nicht bekannt.