Eric Smith, Siebe Van der Heyden und Nikola Vasilj

Konsterniert nach dem K.o.: Eric Smith, Siebe Van der Heyden und Nikola Vasilj (v.l.) wissen nach dem 0:2 in Mainz, dass St. Pauli für die großen Mühen keinerlei Lohn einfahren wird. Foto: WITTERS

„Hart zu verdauen“: St. Pauli schiebt Frust nach extrem bitterer Pleite in Mainz

„Am Rosenmontaaag, da bin ich geboreeeen!“, schallte es wenige Minuten nach dem Schlusspfiff aus den Lautsprechern. Karnevals-Stimmung im Mainzer Stadion. Die Spieler der Heimmannschaft feierten auf dem Rasen und die Fans sangen und schunkelten auf den Tribünen. Die Spieler des FC St. Pauli dagegen schlichen mit hängenden Schultern vom Rasen. Kapitän Jackson Irvine schaute sich das bunte Treiben noch einen Moment länger bewegungslos vom Spielfeldrand an, die Hände in die Hüften gestemmt, bevor auch er Richtung Kabine ging. Es war ein extrem bitterer Nachmittag für die Kiezkicker. Wieder mal. Ganz viel richtig gemacht, aber das Entscheidende falsch. Am Ende hieß es 0:2 (0:0). Im Kampf um den Klassenerhalt verlieren die Kiezkicker an Boden.

Abgekämpft stand Eric Smith in den Katakomben, den Blick zu Boden gerichtet, während er die Fragen beantwortete. „Das ist hart zu verdauen“, sagte der Schwede, der diesmal nicht in der Abwehrkette, sondern davor gespielt hatte. Hauke Wahl, der auf der Smith-Position ein gutes Spiel gemacht hatte, nannte den Spielverlauf und auch die beiden vorangegangenen Partien gegen Leipzig (0:2) und Freiburg (0:1) „extrem unglücklich“. Er war der Meinung, „dass wir auch heute wieder nicht die schlechtere Mannschaft waren. Wir hatten heute wieder genug Möglichkeiten, wir haben dem Gegner wenig zugelassen“.

St. Pauli kassiert die dritte Niederlage in Serie

Und nach dem Abpfiff hatten sie wieder gar nichts in den Händen. Keinen Punkt. Kein Tor. Wie schon in den beiden Spielen zuvor. Drei Niederlagen in Serie. Eine schwierige Phase für die Braun-Weißen, die so stark in die Rückrunde gestartet waren. Mit nach wie vor 21 Punkten liegt St. Pauli auf Tabellenplatz 14. Die punktgleichen Hoffenheimer können am Sonntag (19.30 Uhr gegen den VfB Stuttgart/live bei DAZN) vorbeiziehen. Im Keller heimste Bochum einen Zähler in Wolfsburg (1:1) ein.



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„Absolut bitter“ sei das Ergebnis bilanzierte Trainer Alexander Blessin, der das Spiel aufgrund seiner Gelbsperre von der Tribüne aus anschauen musste und lange einen richtig starken Auftritt seines Teams sah. St. Pauli war in der ersten Halbzeit die klar bessere Mannschaft, spielte eine seiner besten 45 Minuten der Saison, stand in der Defensive enorm sicher und ließ so gut wie keine brenzlige Situation, geschweige denn einen gefährlichen Torschuss zu. Und nach vorne machten die Gäste immer wieder richtig Alarm, den Mainzern mit ihrem blitzschnellen Umschaltspiel Probleme und erspielten sich zahlreiche gute Chancen.

Weißhaupt trifft nach fünf Minuten den Pfosten

Das Problem: Die Chancen blieben ungenutzt. „Wir müssen einfach das Tor machen“, benannte Blessin das Defizit. Wie so oft in dieser Saison belohnten sich die diesmal von Co-Trainer Peter Nemeth an der Seitenlinie betreuten „Boys in Brown“ für ihren guten Auftritt und den hohen Aufwand nicht adäquat mit einem Treffer, was sich am Ende rächte, denn diese Spielzeit zeigt: Die Kiezkicker brauchen eine Führung, um zu gewinnen.

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Wer weiß, welchen Verlauf die Partie vor 33.305 Zuschauenden in der ausverkauften Arena genommen hätte, wenn der wuchtige Distanzschuss von Noah Weißhaupt in der 6. Minute vom Innenpfosten ins Tor geprallt wäre und nicht wieder raus. Zentimetersache. In dieser Szene war es einfach Pech. Mainz konnte von Glück reden, mit 0:0 in die Pause zu gehen, denn St. Pauli hatte noch weitere gute Möglichkeiten, kam oft nur einen Tick zu spät.

Hauke Wahl fordert: „Nicht in Selbstmitleid baden“

„Es läuft extrem viel gegen uns. Extrem viele Entscheidungen, am Anfang der Pfosten, der geht raus“, haderte Wahl. „Ich glaube in Leipzig vor zwei Wochen geht der Ball gegen die Latte und an den Rücken des Torwarts und geht raus.“ Aber er betonte auch: „Wir müssen uns nicht in Selbstmitleid baden, das muss man auch ehrlich sagen.“

Hauke Wahl IMAGO/Steinsiek.ch
Hauke Wahl führt den Ball
Hauke Wahl

Mit mehr Präzision und Konzentration sowie Durchschlagskraft hätte ein Tor gelingen können und gemessen an Chancen und auch Spielanteilen und Kräfteverhältnissen in den ersten 45 Minuten: auch müssen. Nicht von ungefähr sprach der Mainzer Trainer Bo Henriksen nach dem Spiel von einem „sehr, sehr, sehr guten Gegner“.

St. Pauli-Torhüter Vasilj patzt vor dem ersten Gegentor

Fatal, fast schon tragisch, aber auch bezeichnend war, wie dann das Gegentor fiel. Es war weniger Mainzer Geschick als vielmehr braun-weißes Ungeschick. Einen „Allerweltsschuss“ (Blessin) von Nadiem Amiri aus gut 25 Metern konnte St. Paulis Keeper Nikola Vasilj nicht wie geplant festhalten, ließ den Ball nach vorne prallen, wo Jae-Sung Lee am schnellsten schaltete und die Pille per Abstauber ins Tor spitzelte (67.). „Da hätten wir besser nachverteidigen können, um den Fauxpas auszumerzen“, ärgerte sich Blessin, der den Treffer nicht allein seiner Nummer eins ankreiden wollte.

Frust beim FC St. Pauli. Wieder einmal reichte es nicht für die drei Punkte. WITTERS
Elias Saad zieht das Trikot ins Gesicht
Frust beim FC St. Pauli. Wieder einmal reichte es nicht für die drei Punkte.

Der in dieser Saison so starke Vasilj stellte sich nach dem Spiel. „Das geht auch auf mich“, sagte er selbstkritisch. „Es war ein Flatterball und ich versuche ihn zu fangen und dann prallt der nach vorne ab. Stattdessen sollte ich versuchen, den zur Seite abzuwehren.“

Irvine und Eggestein nutzen Ausgleichschancen nicht

In dieser Phase hatte St. Pauli nicht mehr richtig Zugriff auf die Partie gehabt, zu „destruktiv“ agiert, wie Blessin kritisch anmerkte. Zu früh waren die Bälle weg, zu unpräzise war das Passspiel, zu überhastet viele Entlastungsangriffe. Die Auswechslung des angeschlagenen Lars Ritzka nach gut einer Stunde und der Wechsel von Philipp Treu auf die linke Seite sowie die Einwechslung von Adam Dzwigala, der Treus rechte Seite übernahm, veränderten die Statik des zuvor gut funktionierenden Defensivverbundes.

Johannes Eggestein vergab die große Chance zum Ausgleich. WITTERS
Johannes Eggestein rauft sich die Haare
Johannes Eggestein vergab die große Chance zum Ausgleich.

In der Schlussphase warf der Aufsteiger noch mal alles nach vorne und kam noch einmal zu zwei guten Chancen, die Irvine mit dem Kopf (78.) und Eggestein mit dem schwächeren linken Fuß (82.) nicht aufs Tor bringen konnten. Stattdessen machte Mainz mit dem Kontertor von Nebel in der fünften Minute der Nachspielzeit endgültig den Deckel drauf.

St. Pauli hadert mit Entscheidungen von Schiri Zwayer

Das 0:2 klingt deutlicher als es war und fühlt sich für die Kiezkicker schlecht an. „Ich denke, wir hätten es heute verdient gehabt, etwas mitzunehmen“, resümierte Smith. „Wir haben eine sehr starke Leistung aufs Feld gebracht. In der ersten Halbzeit können wir zwei Tore machen, in der zweiten Halbzeit haben wir durch Jojo eine sehr gute Chance, um auszugleichen. Leider sind wir momentan nicht dazu in der Lage, ins Tor zu treffen. Das wäre aber genau das gewesen, was wir in der ersten Halbzeit gebraucht hätten, um mit einem 1:0 in die Halbzeit zu gehen und darauf aufzubauen.“ 

Elias Saad setzt sich gegen Danny da Costa (r.) durch. WITTERS
Elias Saad setzt sich gegen Danny da Costa (r.) durch.
Elias Saad setzt sich gegen Danny da Costa (r.) durch.

Zudem haderten die Kiezkicker mit einigen Pfiffen von Schiedsrichter Felix Zwayer, der ihrer Meinung nach zu viele 50:50-Szenen zugunsten der Mainzer auslegte und den Gastgebern einige harte Aktionen durchgehen ließ, worüber sich Wahl zwar ärgerte, was er aber nicht als Ausrede oder Grund für die Niederlage verstanden wissen wollte.

Chancenverwertung bleibt das große Problem von St. Pauli

Unstrittig war die Elfer-Szene. Absolut richtig lag Zwayer mit seiner Entscheidung, den zunächst für St. Pauli gepfiffenen Strafstoß (21.) wieder zurückzunehmen. Elias Saad war im Strafraum in hohem Tempo im Duell mit dem Mainzer Innenverteidiger Moritz Jenz zu Boden gegangen und der Referee hatte sofort auf den Punkt gezeigt. Der VAR schaltete sich ein und Zwayer schaute sich die Szene an der Seitenlinie noch einmal auf dem Monitor an. Die Zeitlupe zeigte eindeutig: Saad ging ohne Berührung zu Boden. Kein Strafstoß. Er hätte geholfen, aber sie hätten ihn nicht einmal unbedingt gebraucht. 

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St. Paulis Problem war an diesem Nachmittag wie so oft – und zu oft – die Chancenverwertung. „Das müssen wir auch komplett auf unsere Kappe nehmen“, sagte Weißhaupt. „Wir müssen vorne die Tore machen. Wir haben die Chancen und ich hoffe, dass wir das gegen Dortmund besser machen.“ Gegen die Borussia wollen die Kiezkicker am heimischen Millerntor unbedingt die Trendwende schaffen, um eine gefährliche Abwärtsspirale zu verhindern.

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