„Kackverein“: St. Paulis Ultras, das erste Duell mit RB Leipzig und Logo-Zoff
Lieblingsgegner? Es dürfte einfacher sein, einen Schneeleoparden in freier Wildbahn zu finden als einen St. Pauli-Fan, der RB Leipzig als Lieblingsgegner bezeichnet. Rein sportlich betrachtet hat dieser Stempel allerdings durchaus seine Berechtigung. Drei der bislang vier Spiele zwischen dem Kiezklub und dem von vielen deutschen Fußballfans nach wie vor als mit Brause-Millionen hochgesprudelten Retortenklub verachteten zweimaligen DFB-Pokalsieger haben die Braun-Weißen gewonnen. Das historische erste Duell hatte auch wegen einer Aktion der St. Pauli-Ultras eine besondere Note – in aufgeladenen Zeiten.
Boykott oder nicht Boykott. Das war die große und heißdiskutierte Frage in den Fanszenen der Zweitligavereine in der Saison 2014/2015, nachdem RB Leipzig ins Unterhaus aufgestiegen war – nur ein Zwischenschritt, wie man damals schon ahnte, befürchtete und längst weiß. Der Klub aus Sachsen ist ein sportlich etablierter Spitzenklub der Bundesliga, der bereits Champions League gespielt hat. Das Wort Normalität mag vielen Fans nicht über die Lippen kommen, aber die emotionalen Wogen haben sich mit jeder Spielzeit merklich abgeschwächt, wenngleich nicht gänzlich geglättet.
St. Pauli gegen RB Leipzig: USP stellt sich gegen Boykott
Vor zehn Jahren aber waren die Roten Bullen, der „Dosenklub“, ein tiefrotes Tuch für die organisierten Fans in Deutschland und sorgten für Gegenwind und Proteste. Es gab ein ligenübergreifendes „Nein zu RB“-Fanbündnis und Auswärtsspiele in Leipzig wurden von den meisten Fanszenen der dort antretenden Vereine vor allem im ersten Zweitligajahr boykottiert. Der Gästeblock war bis auf wenige Ausnahmen regelmäßig spärlich besucht oder leer. Die Red Bull Arena als No-Go-Area.
Ausgerechnet die Ultras des FC St. Pauli beteiligten sich nicht an der Totalverweigerung und hatten eine andere Idee. Statt zu einem Boykott wurde wenige Tage vor dem Auswärtsspiel am 23. November 2014 sogar zu einer Mottofahrt aufgerufen.
RB Leipzig als „Abgrund des Fußballgeschäftes“
Nicht, dass USP keine Vorbehalte gegen den Klub aus Leipzig hatte, im Gegenteil. Im Vorfeld wurde nicht mit Kritik und sehr deutlichen Worten gespart, RB als „Kackverein“ bezeichnet.
In einem Schreiben an die Fans in der Südkurve hieß es: „Viel wird gerätselt, was wir uns für Leipzig ausgedacht haben. Ein brisantes Thema – ohne Frage – nachdem auch jede Dorffanszene sich dazu aufgerufen fühlt, einen Boykott gegen diesen – ohne Zweifel – Abgrund des Fußballgeschäftes anzuzetteln.“ Man werde „dieses Thema anders behandeln“, mit einer Mottofahrt.
St. Pauli-Fans wurden dazu aufgerufen, in ihren „ältesten Trikots“ ins Stadion zu gehen oder mit anderen Kleidungsstücken und Fan-Utensilien, mit denen „ihr ein geschichtsträchtiges Spiel mit unserem Verein erlebt habt.“ Der Ansatz war, die Tradition des eigenen Vereins und die Emotionen, die damit verbunden sind, zu zeigen – als Gegenentwurf zum in Rekordzeit gewachsenen und im Vergleich künstlichen Klub RB Leipzig.
Braun-weiße Mottofahrt nach Sachsen
Ein subtiler Protest, der von anderen Fanszenen durchaus kritisch gesehen und als zu harmlos befunden wurde. Für St. Paulis Ultras war allerdings auch wichtig, das eigene Team zu begleiten und zu unterstützen. „Gemeinsam wollen wir auf den Rängen zeigen, was uns aus macht. Wir schenken diesem Kackverein keine 3 Punkte! Dazu sind alle aufgefordert bedingungslos die Mannschafft zu supporten!“, endete der Aufruf zur Mottotour.
Im Stadion zeigten die St. Pauli Fans ein riesiges Banner mit der Aufschrift: „Wer sonst nichts hat, ist stolz auf RB!“. Darunter kam wenig später ein zweites Banner mit dem Slogan „St. Pauli ist die einzige Möglichkeit“ zum Vorschein. Mit den drei Punkten wurde es nichts. Leipzig siegte deutlich mit 4:1. Die folgenden drei Duelle gewannen allerdings die Kiezkicker – jeweils mit 1:0.
St. Pauli und der Logo-Streit mit RB Leipzig
Vor dem zweiten Auswärtspiel von St. Pauli bei RB in der darauffolgenden Saison sorgte dann ein Zoff zwischen den Klubs für Schlagzeilen. Der Kiezklub hatte sich dazu entschieden, auf der eigenen Homepage bei der Tabelle, dem Spielplan und auch der Ankündigung des anstehenden Spiels das offizielle Klub-Logo von RB (das sehr an das Markenlogo von Red Bull erinnert) nicht zu zeigen, sondern es durch den Schriftzug „LEIPZIG“ zu ersetzen. Eine Provokation, die wiederum RB-Vorstandsboss Oliver Mintzlaff als „völlig albern“ kritisierte.
Dass es auch anders geht, demonstrierten beide Klubs im Februar 2016. Vor dem braun-weißen Heimspiel am Millerntor verlasen sowohl St. Pauli-Präsident Oke Göttlich als auch Mintzlaff Statements gegen Rassismus, Rechtsradikalismus und Diskriminierung jeglicher Art, hielten gemeinsam das Sondertrikot der Kiezkicker mit dem Brust-Schriftzug „Kein Fußball den Faschisten“ in die Kameras. Es war das bis dato letzte sportliche Aufeinandertreffen beider Vereine.
Ob sich St. Paulis Ultras für das Heimspiel gegen RB am Sonntag wieder eine besondere Aktion ausgedacht oder eine große Choreo mit RB-Bezug ausgetüftelt haben, ist noch unklar und wird sich zeigen.