Musiala-Tor „aus dem Nichts“ reicht: Gefeierte Kiezkicker schieben Frust
Minutenlang wurden die abgekämpften Kiezkicker von den Fans auf der Südkurve gefeiert, standen auf dem Rasen, die Akkus alle, mit leeren Händen. Kein Punkt, wieder kein Tor. Auch im fünften Heimspiel der Saison kein „Song 2“. Aber der Gegner war diesmal nicht irgendein Bundesligist, sondern der Rekordmeister, millionenschweres Starensemble. Das 0:1 (0:1) gegen den FC Bayern München war aller Ehren wert, blieb aber ohne Lohn. Es spricht für den Ehrgeiz der Kiezkicker, dass keiner von ihnen damit zufrieden war. Applaus von den Tribünen und Respekt des Gegners bringt keine Punkte.
Sie waren im Spiel gewesen, nicht immer auf Augenhöhe gegen den spielerisch klar überlegenen Gegner, aber bis zum Schlusspfiff in Reichweite von etwas Zählbarem. Aufsteiger gegen Titelfavorit. Da sieht das Endergebnis sogar richtig gut aus. Gut dagegengehalten, auch mitgehalten, aber nichts Zählbares zu Hause behalten. Das schmerzte.
Hauke Wahl ärgert sich
„Wir sind enttäuscht“, bekannte Innenverteidiger Hauke Wahl und das sah man ihm auch an. „Ich finde, dass wir über 90 Minuten sehr, sehr gut verteidigt haben. Ich glaube, Bayern hatte wenig klare Möglichkeiten.“ Das entscheidende Tor „kommt aus dem Nichts, aus einem eigenen Ballverlust. Wir hatten auch unsere Momente. Viel ist so gelaufen, dass das Spiel auch in unsere Richtung hätte laufen können. Aber ist es leider heute nicht.“
Bitter, dass der Treffer, der die Partie letztlich entschied, aus einem eigenen Fehler resultierte. Ein eroberter Ball wurde direkt wieder verloren, weil sich Johannes Eggestein und Carlo Boukhalfa nicht einig waren, und so schnappte sich Bayerns Ausnahmespieler Jamal Musiala die Pille und wuchtete sie in Weltklassemanier aus rund 20 Metern unter die Latte (22.). „Wir kriegen den Ball dann nicht richtig weg und dadurch kommt der Ballverlust zustande“, ärgerte sich Eggestein. Boukhalfa ergänzte: „Dann profitiert der Bayern-Spieler natürlich und macht den sensationell.“
Jamal Musiala nutzt St. Pauli-Fehler für Traumtor
Ein Traumtor, das den Unterschied machte an diesem Nachmittag. Und das auch zeigte, was individuelle Klasse, in diesem Fall Extraklasse, ausmachen kann. Eine individuelle Aktion, die am Ende drei Punkte bringt. Eine solche Aktion fehlte den Braun-Weißen, die zwar einige gefährliche Szenen hatten, insbesondere in der ersten Halbzeit nach Eckbällen und Freistößen, aber mehr Halbchancen als Großchancen.
Zur Erinnerung und Einordnung: Der Marktwert von Nationalspieler Musiala (136 Millionen) ist mehr als dreimal so hoch wie der des gesamten St. Pauli-Kaders (40 Millionen). Zehn Bayern-Spieler haben allein einen höheren Marktwert.
Bornemann: Punkt wäre „nicht völlig unverdient gewesen“
Die weitaus größere individuelle Klasse war sichtbar auf dem Rasen. „Aber man kann den Hut ziehen vor der Mannschaft, vor allem vor der Defensivleistung“, fand St. Pauli-Sportchef Andreas Bornemann. „Es gab in den ersten 20 Minuten ein, zwei Momente, wo man aus wenig viel machen kann. Dann hätten wir vielleicht noch einen Punkt ergattert, der nicht völlig unverdient gewesen wäre.“
Aber eben auch nicht völlig verdient. Es war möglich, aber nicht zwingend und folgerichtig. Dafür fehlten die ganz klaren und gut herausgespielten Chancen. Einige vielversprechende Angriffe wurden nicht gut zuende gespielt, es fehlte beim letzten oder auch schon vorletzten Pass.
St. Pauli läuft sechs Kilometer mehr als der FC Bayern
Stark war allerdings, was die Kiezkicker defensiv leisteten, gegen geballte bajuwarische Offensiv-Power, die sie über weite Strecken gut im Griff hatten. Gegen den Ball agierte St. Pauli enorm laufstark (118,98 Kilometer und damit fast sechs mehr als Bayern), griffig und diszipliniert.
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Mehr als das eine goldene Tor hatten die „Boys in Brown“ der mit Abstand besten Offensive der Liga (33 Tore in zehn Spielen) nicht erlaubt und untermauert, dass sie selbst eine der stabilsten Defensiven der Liga stellen (zwölf Gegentore).
Boukhalfa: „Es macht auf jeden Fall Mut“
„Wir haben defensiv ein gutes Spiel gezeigt und hatten sogar selbst ein paar Chancen, um nach dem 0:1 wieder ins Spiel zu kommen“, bilanzierte Flügelflitzer Oladapo Afolayan. „Das zeigt erneut, wie schmal der Grat auf diesem Level ist.” Und Boukhalfa sah viel Positives: „Es macht auf jeden Fall Mut, dass wir gegen die besten Mannschaften mithalten können“, fand Boukhalfa. „Das macht uns stolz, auch wenn die Punkte nicht ganz so gut waren.“
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Kapitän Jackson Irvine ist bei aller frischer Enttäuschung überzeugt, dass die Basis seiner Mannschaft gut ist, „und wenn wir so weitermachen und dranbleiben, dann werden die Resultate kommen. Davon bin ich überzeugt.“ Und Trainer Alexander Blessin befand: „Mich stimmt positiv, dass wir alles auf dem Platz gelassen haben. Ich kann der Mannschaft keinen Vorwurf machen. Mit dem knappsten aller Ergebnisse zu verlieren, ist bitter. Wir haben vieles richtig gemacht, die Punkte müssen wir einfach woanders holen.“
Nächstes Heimspiel ist wegweisend – gegen Kiel
Am Ende des Tages und nach der berechtigten Betonung der positiven Aspekte brachte es dennoch Lars Ritzka am treffendsten auf den Punkt: „Eine knappe Niederlage ist am Ende auch eine Niederlage.“ Ob der Gegner jetzt der FC Bayern München ist und der Torschütze Jamal Musiala oder nicht.
Das Warten auf das erste Heimtor in der Bundesliga geht weiter. Den nächsten Anlauf – und der muss dann zwingend gelingen – gibt es am 29. November: zu Hause gegen Mitaufsteiger Kiel.