Was war DAS denn, St. Pauli?! Platz eins nach Rekord-Abschuss am Millerntor futsch
Dieses Debakel kam aus dem Nichts. Ohne Anzeichen. Umso überraschender und schmerzhafter war das 3:4 (1:0) des FC St. Pauli gegen die SV Elversberg am Millerntor. Es war die erste Heimniederlage in dieser Saison – ausgerechnet in der entscheidenden Phase des Aufstiegsrennens. Zur Unzeit. Ein schwarzer Tag der fatalen Premieren. Die vier Gegentore waren ebenfalls Negativ-Rekord – ganz zu schweigen von vier Gegentoren in nur einer Halbzeit. Erstmals in dieser Spielzeit kassierten die Kiezkicker zwei Niederlagen in Serie. Und auch eine zweimalige Führung hatten die Braun-Weißen bislang noch nicht verspielt. Platz eins in der Tabelle ist futsch. Das Polster auf Relegationsrang drei ist auf fünf Punkte zusammengeschmolzen.
Es war ein heftiger Tiefschlag und Rückschlag. Viele Spieler wirkten geschockt, perplex, ratlos. Die Fans im mit 29.564 einmal mehr ausverkauften Stadion ebenso – abzüglich der kleinen ekstatischen Elversberger Fangruppe. Eine der erfolgreichen Geschichten dieser Saison war jene von den starken Leistungen und Siegen, mit denen St. Pauli auf Niederlagen antwortet. Doch dem eher unglücklichen 1:2 beim Karlsruher SC folgte der schwächste Heimauftritt in dieser Saison, bei dem die Kiezkicker vieles von dem vermissen ließen, was sie bislang so stark gemacht hat.
Hürzeler nach erster Heimniederlage: „Enttäuschend“
„Wir müssen nicht drumherum reden, dass es enttäuschend war“, stellte Trainer Fabian Hürzeler klar. Aber er stellte sich auch vor die Mannschaft. „Es sind keine Maschinen.“
Kapitän Jackson Irvine fand in der Stunde der heftigen Niederlage deutliche und kritische Worte. „Wir waren heute von Beginn an schwach. Wir haben die Bälle oft verloren, waren nicht gut im Gegenpressing, nicht gut in der Restverteidigung. Zu viele Konter, zu viele lange Bälle. Das letzte Mal haben wir glaube ich vor einem Jahr zu Hause verloren. Ich glaube, es war eines der schwächsten Heimspiele, die wir hatten.“
Seine Erklärung dafür? „Ich habe keine Ahnung, wieso“, gab der Australier zu. „Es war eine sehr gute Trainingswoche, wir haben uns gut vorbereitet, jeder war mental da. Manchmal hast du schlechte Tage.“
St. Pauli verspielt gegen Elversberg zweimalige Führung
Gleich zweimal hatten die Kiezkicker in Führung gelegen. Das 1:0 durch Eggestein (40.) nach einer schönen Eckenvariante, bei der Eric Smith den Ball scharf und flach auf den ersten Pfosten geschlagen hatte, war schmeichelhaft, denn die Gäste aus dem Saarland hatten zuvor reihenweise bester Chancen und waren dabei an St. Paulis Keeper Nikola Vasilj gescheitert – der letzte Mann war zu diesem Zeitpunkt mit Abstand St. Paulis Bester. Nach dem kollektiv schlecht verteidigten 1:1-Ausgleich der Gäste durch Maurice Neubauer (52.) war es Toptorjäger Marcel Hartel, der die wohl beste Phase der Braun-Weißen mit dem 2:1 (69.) krönte.
Das kollektive braun-weiße Gefühl auf dem Rasen und den Rängen, dass nun ja alles gut werden würde, verpuffte nur wenige Sekunden später. Im ersten Angriff der mutig aufspielenden Gäste reichte ein hoher Ball, um St. Paulis Defensive auszuhebeln. Der nur zwei Minuten zuvor eingewechselte Joseph Boyamba nahm die Pille hervorragend mit, entwischte dem einmal mehr indisponierten Adam Dzwigala und traf zum 2:2 (70.).
Irvine beklagt Schwäche bei hohen Bällen
„Wir müssen einfach wacher sein“, ärgerte sich Irvine. „Ich denke, es war die gleiche Art von Bällen, die uns gegen Karlsruhe Probleme bereitet haben, die Bälle über die Abwehrlinie.“ Hürzeler benannte eines der Grundprobleme an diesem Nachmittag: „Wir haben es nicht geschafft, die persönlichen Duelle zu gewinnen – das war zu wenig.“ In den entscheidenden Zweikämpfen waren die „Boys in Brown“ zweiter Sieger oder waren gar nicht erst richtig in die Duelle gekommen.
Der Live-Ticker zum Nachlesen: Erste Heimniederlage! St. Pauli verliert irres Sieben-Tore Spektakel gegen Elversberg
Von diesem zweiten Gegentor erholten sich die Kiezkicker nicht mehr. „Der Ausgleich kam einfach viel zu schnell“, sagte Hartel. Jubel und Freude gingen fast nahtlos in den nächsten Schrecken über. „Wir sind dann auseinandergefallen“, analysierte Eggestein und Trainer Hürzeler monierte: „Nach dem 2:2 war es von der Körpersprache her nicht das, was wir zeigen wollen. Das müssen wir uns ankreiden.“
Elversberger Doppelschlag entscheidet das Spiel
Mit einem Doppelschlag zu Beginn der Schlussphase durch das 2:3 von Paul Wanner (81.) und das 2:4 von Hugo Vandermersch nach einem Konter (83.) machte Elversberg den Deckel drauf. Irvines Anschlusstreffer zum 3:4 in der dritten Minute der Nachspielzeit kam zu spät, wenngleich St. Pauli alles versuchte und zwei Minuten später durch Andreas Albers sogar noch eine letzte Chance zum Ausgleich bekam.
Das könnte Sie auch interessieren: St. Pauli-Noten gegen Elversberg: Drei Fünfen für enttäuschende Kiezkicker
Waren die Nerven Schuld? „Das würde ich jetzt nicht sagen“, so Hartel. Auch Eggestein wollte die schlechte Leistung nicht am gestiegenen Druck im Aufstiegsendspurt festmachen, aber auch nur für sich und nicht für alle sprechen, weil er das ja nicht könne, betonte aber: „Wir haben immer noch alles in der eigenen Hand.“
Hürzeler: „Ich verlange definitiv eine Reaktion“
Der Trainer wird die Niederlage „kritisch aufarbeiten“, wird dabei sicher kein Blatt vor den Mund nehmen. Dennoch nahm er seine Mannschaft in Schutz. Unbedingt zu wollen, aber auch mal nicht entsprechend zu können, sei „menschlich“. Hürzeler stellte aber auch klar: „Ich verlange definitiv eine Reaktion von jedem Einzelnen und auch von der Mannschaft.“ In der kommenden Trainingswoche. Und im nächsten Spiel in Hannover.