Oladapo Afolayan und Manolis Saliakas feiern ein St. Pauli-Tor in Freiburg
  • Im Ländle ist St. Pauli obenauf – wie hier Manolis Saliakas in Freiburg.
  • Foto: WITTERS

Punkte statt Porsche: St. Paulis ungewöhnliche Baden-Württemberg-Liebe

St. Pauli freut sich in der Fremde. Nur ein Heimsieg, aber drei Auswärts-Dreier – und die alle in einem Radius von rund 70 Kilometern. Nirgends ist St. Pauli so erfolgreich wie im Ländle. Woran liegt das?

In Baden-Württemberg gibt es einige heilige Flecken. St. Märgen ist ein beliebter Luftkurort, aus St. Johann stammen die Vorfahren des Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel, St. Leon-Rot sammelt deutsche Meistertitel im Mannschaftsgolfen. Aber kein Sankt ist in Baden-Württemberg so erfolgreich wie St. Pauli.

3:0 in Freiburg, 2:0 bei Hoffenheim, 1:0 in Stuttgart. Aus drei Reisen ins Ländle nahmen die Kiezkicker stolze neun Punkte mit, und das auch noch ohne Gegentor. 64 Prozent aller bisher mitgenommenen braun-weißen Zähler stammen aus dem Bundesland mit der höchsten Exportquote in Deutschland. Andere besorgen sich Mercedesse oder Maschinen aus dem Südwesten, St. Pauli holt sich Punkte statt Porsche.

Stuttgart war für St. Pauli bisher mit Abstieg und Entlassung verbunden

Weshalb gefällt es St. Pauli im Land der Schwaben und Badener auf einmal so gut? Tradition hat das nicht: Zuvor hatten die Braun-Weißen weder in Stuttgart noch bei Hoffenheim jemals gewonnen. Auch Freiburg war bisher nicht das beste Pflaster: Bei 14 Gastspielen standen nur drei Siege zu Buche – und dort verlor Trainer Uli Maslo im April 1997 nach einer 0:4-Klatsche beim damaligen Tabellenletzten seinen Job, nachdem er ein knappes Jahr zuvor den FC St. Pauli zu seinem bislang letzten Erstliga-Klassenerhalt gecoacht hatte. Die Stuttgarter Kickers wiederum beendeten 1991 in der Relegation nach drei Jahren die bislang längste Bundesliga-Phase der Braun-Weißen. 

Braun-Weiße? St. Paulis Farbkombination hat dieselben Initialen wie Baden-Württemberg. Tatsächlich gibt es noch mehr Ba-Wü-Nähe im Kiezklub: Trainer Alexander Blessin wurde in Stuttgart geboren, Sportchef Andreas Bornemann kam nahe Freiburg zur Welt. Ebenso vier Spieler aus dem aktuellen Kader: Carlo Boukhalfa stammt aus Freiburg, Philipp Treu aus Heidelberg. Robert Wagner kam in Lahr am Schwarzwald zur Welt, Simon Zoller in Friedrichshafen am Bodensee. Und mit Noah Weißhaupt ist ein Zögling der Freiburger Fußballschule (der allerdings in Rostock geboren wurde) ein heißer Leih-Kandidat für die kurze Winterpause.

Erfolgsrezept: St. Paulis Badener Philipp Treu und Carlo Boukhalfa haben Stuttgarts Hamburger Josha Vagnoman im Griff. imago/Sportfoto Rudel
Erfolgsrezept: St. Paulis Badener Philipp Treu und Carlo Boukhalfa haben Stuttgarts Hamburger Josha Vagnoman im Griff.
Erfolgsrezept: St. Paulis Badener Philipp Treu und Carlo Boukhalfa haben Stuttgarts Hamburger Josha Vagnoman im Griff.

Als Blessin gefragt wurde, ob das jüngste St. Pauli-Spiel in seiner Geburtsstadt etwas Besonderes sei, antwortete der Coach scherzhaft: „Wenn ich in Stuttgart ankomme und die Leute mich vielleicht auch mal verstehen oder ich verstehe die Leute da …“  Durchaus denkbar, dass auch seine Spieler in ihrer Geburtsheimat verständiger agieren – wobei der langzeitverletzte Zoller bei den drei Erfolgen gar nicht und Wagner nur elf Minuten auf dem Platz stand.

St. Pauli kontert Ballbesitz-Mannschaften aus

Es könnte aber auch an der Spielweise liegen, die das Ländle-Trio an den Tag legt. Stuttgart, Freiburg und selbst das abstiegsbedrohte Hoffenheim liegen in der Ballbesitz-Statistik sämtlichst unter den ersten Acht der Bundesliga – Baden-Württemberg ist nicht nur wohlhabend, sondern auch ballhabend. Erfolgsteams wie Bremen und Mainz, gegen die St. Pauli seine Heimspiele jeweils deutlich verlor, sind weniger oft am Ball. Das ermöglicht St. Pauli, zumal auswärts, auf Grundlage einer stabilen Defensive durch schnelle Balleroberungen die angestrebten Nadelstiche nach vorn zu setzen, mit denen Elias Saad (Freiburg), Oladapo Afolayan (Hoffenheim) und Johannes Eggestein (Stuttgart) ihr Team jeweils in Führung brachten. Und eine Führung mündete ja bislang stets in einem St. Pauli-Sieg.

Auch bei den Ballbesitz-Mannschaften Dortmund und Leverkusen verkaufte sich der Aufsteiger teuer und verlor jeweils knapp mit 1:2 – was vielleicht doch eher an der Qualität der Gegner lag als an ihrer geografischen Lage in Nordrhein-Westfalen. Nichtsdestotrotz wird der FC Augsburg froh sein, dass er zwar ein schwäbischer, aber auch ein bayerischer Verein ist – und seine Spieler den Ball in den ersten 15 Spielen nur zu 44 Prozent „besaßen“. Ansonsten hätte St. Pauli (43 Prozent Ballbesitz) dort wohl kaum 1:3 verloren …

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Am 18. Januar gastiert St. Pauli beim 1. FC Heidenheim, leider schon das letzte Spiel im Ländle in dieser Saison. Sollte der FC auch dank des Punkteexports aus Baden-Württemberg den ersten Klassenerhalt seit 1996 schaffen, wäre aus Sicht der Kiezkicker eigentlich zu hoffen, dass Karlsruhe (durchaus möglich) und Ulm (extrem unwahrscheinlich) aus der Zweiten Liga hochkommen. Dagegen freilich dürfte nicht nur der HSV etwas einzuwenden haben.

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