Sozialer Aspekt der Fußball-Pause: „Für viele Menschen ein unglaublicher Einschnitt“
In Zeiten wie diesen, wenn das ganze Land eine Meinung zu jeder Corona-Maßnahme zu haben scheint und über Sinn und Unsinn diskutiert – ist das Fußball-Business natürlich auch ganz vorne mit dabei.
Auch Menschen, die ihre schmale Mark via Beruf eigentlich mit seriösen Aussagen verdienen sollten, posaunen gern ihre Ansichten heraus, fabulieren in Zusammenhang mit Fußball über „Extra-Wurst“ und reine Spaß-Veranstaltungen. Dabei werden so viele Fakten ignoriert, dass sie kaum auf ein Blatt Papier passen. Zum Beispiel der soziale Aspekt.
Brauns ist in St. Paulis Fanclubsprecherrat und weiß, wovon er spricht
Tilman M. Brauns ist seit vielen Jahren fester Bestandteil der Fan-Szene des FC St. Pauli, unter anderem beim AFM-Radio aktiv und im Fanclubsprecherrat. Er weiß nur zu gut, dass Stadionbesucher nicht nur Event-Publikum oder Ultras sind, dass es auch ein Dazwischen gibt. Und dass für viele Menschen die Aussicht darauf, frühestens nach dem 31. August wieder in ein Stadion zu dürfen, weit mehr bedeutet als das bloße Verpassen von Spielen.
Fußball auch bei St. Pauli „ein lebenselementarer Bereich“
„Für diejenigen, die ihren sozialen Mittelpunkt im Verein haben, ist es ein unglaublicher Einschnitt“, erklärt er. Zwar gebe es Möglichkeiten des Austauschs im Netz, „aber das ist nicht mehr als Ablenkung“. Alles rund um den Fußball sei „ein lebenselementarer Bereich, aus dem viele Leute eine ganze Menge Kraft ziehen“.
St. Pauli-Spiele als Ablenkung vom Alltag und Energie-Tankstelle
Rund 1000 bis 1500 Personen, so schätzt er, die mitunter ein Leben am Existenzminimum und/oder kaum soziale Kontakte hätten, könnten ihre Alltagssorgen für ein paar Stunden vergessen und neue Energie tanken. Die Vorbereitungen auf ein Spiel, der Kick selber und schließlich das Nacharbeiten im engen Kreis oder in der Kneipe – für all das gibt es keinen gleichwertigen Ersatz.
Nicht nur bei St. Pauli gibt es das Problem
Und mit diesen Dingen sei man auf St. Pauli nicht allein, „diese Menschen gibt es ja auch bei Schalke 04 oder dem 1. FC Köln.“ Für sie alle ist der Kalender gefühlt gerade das dickste Buch im Regal, denn noch fünf Mal muss umgeblättert werden, ehe endlich der September auftaucht. Und ob sie dann tatsächlich wieder eintauchen können in ihr alternatives Familienleben, in ihre Leidenschaft, ihre Liebe, steht noch in den Sternen.