St. Pauli-Enklave tief im Süden: Wie der Kiezklub Herzen in Oberbayern eroberte
Es gibt sie dann doch noch, diese romantisch-verklärten Geschichten rund um den Fußball im Allgemeinen, im Speziellen hier beim FC St. Pauli. Der hat bekanntlich Fans quer über die Republik verteilt, auch und vor allem aber in Kottingwörth, Beilngries, Kinding und Umgebung in Bayern. Die Geschichte dahinter ist auch die von Wolfgang Muschaweck, in der ländlichen Region zwischen Ingolstadt und Nürnberg zu Hause, seit 20 Jahren glühender Kiezklub-Anhänger und längst auch Vereinsmitglied.
Der sportliche Beitrag war nicht der Grund, warum der gelernte Elektriker sich einst für Hamburg entschied. Die Basis der Beziehung entstand eher in Folge einer schweren Erkrankung: Muschaweck bekam 1998 Hodenkrebs, kämpfte mehr als zwei Jahre lang gegen teils niederschmetternde Prognosen – am Ende erfolgreich. Während seiner Leidenszeit schloss er sich dem Förderverein Krebskranker Region Ingolstadt an, unter anderem als Organisator von Benefizveranstaltungen, bei denen Fan-Utensilien versteigert wurden, die er zuvor bei allen möglichen Klubs angefragt hatte. „Und vom FC St. Pauli habe ich immer etwas bekommen“, erklärte Muschaweck, der schließlich dank der Hilfe der leider vor elf Jahren verstorbenen Vereinslegende Walter Frosch einmal pro Saison eine Karte fürs Millerntor erhielt.
Wolfgang Muschawecks Kontakte zum FC St. Pauli halfen
Und Muschaweck ist längst nicht mehr alleine mit seiner Liebe zu Braun-Weiß in seiner Heimat, spätestens seit vier Jahren ist die Region in Oberbayern eine St. Pauli-Enklave. Woran der Kiezklub ein gerüttelt Maß zu beigetragen hat.
Der Kindinger Faschingsumzug stand an im Februar 2020, und ein Motto lautete „Hamburg, meine Perle“. Gleichwohl der gleichnamige Song von Lotto King Karl eigentlich natürlich dem HSV zuzuordnen ist, entschied man sich bei der Feuerwehr und dem örtlichen Sportverein 1. FC Beilngries dazu, den FC St. Pauli auszuwählen. Und weil die Kontakte von Wolfgang Muschaweck ans Millerntor bekannt waren, wurde er nach Hilfe gefragt und sagte zu: „Ich frage die mal, vielleicht können sie euch eine Fahne schicken, dann habt ihr ein Originalstück von St. Pauli dabei.“
St. Pauli rüstet 50 Menschen für Faschingsumzug aus
Um es abzukürzen: Es gab mehr als eine Fahne. Viel Mehr! Insgesamt acht prall gefüllte Kisten mit zahlreichen Fan-Shirts, Pullovern, Schals, Aufkleber, Trinkflaschen und drei Fahnen trafen vom Kiezklub ein. „Das hat Ausmaße angenommen, von denen wir nicht zu träumen gewagt hätten“, sagte Sebastian Götz, seinerzeit Mitorganisator und natürlich im Fußballverein und bei der Feuerwehr aktiv. Die rund 50 Mitglieder der Umzugsgruppe konnten sich schließlich über eine Vollausstattung freuen. Und der FC St. Pauli hatte massiven Zuwachs an Fans in Oberbayern.
Woran auch Helmut Grahli seinen Anteil hat. Der Vorsitzende der Ü50-Abteilung der AFM hatte seinerzeit auf einer Präsidiumssitzung die Anfrage aus dem Süden der Republik vorgebracht und ist inzwischen dicke verquickt mit Muschaweck und Co.. Vorläufiges Highlight der gewachsenen Beziehung: Am vergangenen Wochenende waren über 50 Menschen aus Kottingwörth, Beilngries und Umgebung zu Gast an der Elbe, das Rahmenprogramm war prall gefüllt. Highlight war dann schließlich der Besuch der Partie gegen Elversberg, auf der Nordtribüne hatten alle noch Platz gefunden.
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Es passt irgendwie nicht in diese Geschichte, dass das Spiel verloren ging. Aber es wird gewiss nicht das letzte Kapitel einer jener Storys gewesen sein, die den Fußball und auch den FC St. Pauli so besonders machen.