St. Pauli marschiert weiter – aber Trainer Hürzeler wehrt sich gegen Kwasnioks Worte
Die Spiele werden weniger, der Vorsprung wächst: Durch das am Ende etwas zittrige 2:1 (1:0) vor 29.391 Fans am nicht ganz ausverkauften Millerntor über den SC Paderborn hat ein 45 Minuten lang furios aufspielender FC St. Pauli die Distanz auf den Relegationsplatz, den jetzt Fortuna Düsseldorf einnimmt, auf elf Zähler bei noch 21 zu vergebenden ausgebaut. „Euch wird keiner mehr aufhalten”, prognostizierte SCP-Coach Lukas Kwasniok nach der Partie in Richtung von Kollege Fabian Hürzeler. „Der Aufstieg ist nur eine Frage des Zeitpunkts.”
Vermutlich ist das so, auch wenn die Kiezkicker natürlich weiterhin bescheiden bleiben und sich nur über den Dreier freuten. „Es gibt nichts, was Siege ersetzen kann”, jubelte Hauke Wahl. „Wir sind unfassbar happy, denn das war kein leichtes Spiel.” Es sei von Anfang an klar gewesen, dass Paderborn eine Mannschaft ist, bei der alles passieren könne. „Sie spielen extrem guten Fußball. Aber wir haben es vor allem in der ersten Hälfte geschafft, sie durch Intensität ein bisschen zu brechen.”
St. Pauli dominiert in der ersten Hälfte deutlich
Kann man so stehen lassen. Der Tabellenführer hatte vom Anpfiff weg den Fuß komplett auf dem Gaspedal und bereits nach 30 Sekunden die erste Chance, als Connor Metcalfe nach Pass von Lars Ritzka an SCP-Keeper Boevink scheiterte. Es war der Beginn einer furiosen ersten Hälfte, die nur eine Atempause hatte – dank Guido Winkmann. Der VAR brauchte geschlagene drei Minuten und 15 Sekunden, um festzustellen, dass beim vermeintlichen Führungstreffer von Aljoscha Kemlein Vorlagengeber Marcel Hartel wohl um wenige Millimeter im Abseits gestanden haben soll (9.). „Das war für uns so eine Art Startsignal”, befand Hürzeler: „Danach haben wir uns oft gut nach vorne kombiniert.”
St. Pauli hatte die Hosen an, Paderborn aber durchaus auch Interesse an einem kurzweiligen Nachmittag. Die Gäste brauchten aber die raren Aussetzer der Kiezkicker, um zu eigenen Chancen zu gelangen. Grimaldi verzog nach Kemlein-Fehlpass im Aufbau (6.), nach einem Patzer von Eric Smith prüfte Bilbija Torhüter Nikola Vasilj aus spitzem Winkel (37.).
Hartels Tor zum 1:0 – ein Treffer wie ein Gemälde
Zu diesem Zeitpunkt führte Braun-Weiß bereits, und zwar ebenso hochverdient wie wunderschön anzuschauen. Einen traumhaften Angriff über Manolis Saliakas, Johannes Eggestein und Jackson Irvine vollendete Hartel mit einem lässigen Lupfer über Boevink (32.), ein Treffer wie ein Gemälde. „Herrlich gespielt”, frohlockte Eggestein. „Wir hatten schon ein paar schöne in dieser Saison, und das gehört auf jeden Fall dazu.”
Und es hätte nicht der einzige bleiben müssen, Kemlein (37., vorbei) und Irvine (40., scheiterte an Boevink) hatten für eine Mannschaft, die trotz zahlreicher Ausfälle wie aus einem Guss agierte, den zweiten Treffer auf dem Fuß.
Den besorgte keine zwei Minuten nach Wiederbeginn der bärenstarke Ritzka, gegen seinen 18-Meter-Strahl mit links hatte Boevink keine Chance (47.). Alles sah so sicher, so souverän aus – bis Smith die Ostwestfalen ins Spiel zurückholte. Kurz vor dem eigenen Strafraum verdaddelte der Schwede die Kugel gegen Bilbija, am Ende musste Grimaldi die Murmel nur noch ins leere Tor schieben. Nur noch 2:1 (56.).
St. Pauli lässt Paderborn zurück ins Spiel kommen
Und plötzlich war es dahin mit der Souveränität. „Wir haben Paderborn ein bisschen zu viel das Spiel überlassen”, kritisierte Eggestein. Vasilj lenkte einen wuchtigen Grimaldi-Kopfball mit einem starken Reflex über den Querbalken (65.), und der Stürmer sollte fortan zum Hauptdarsteller werden. Erst holte er sich für ein Foul an Mets Gelb ab (66.), trat Smith kurz darauf mit der Sohle aufs Sprunggelenk – und flog nicht runter (71.). Erst, als er auch noch Saliakas am Fuß erwischte (73.), kam Referee Brand nicht mehr umhin, die überfällige Ampelkarte zu zeigen.
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Vom Niveau der ersten Hälfte war die Partie da schon weit entfernt, was Hürzeler nachvollziehen konnte. „Nach dem 2:0 kam eine Dynamik rein, die irgendwo natürlich ist, die uns aber nicht passieren sollte.” Auch in Überzahl hatte es St. Pauli nicht mehr auf Spektakel angelegt, wollte den Vorsprung über die Zeit retten – und schaffte dies auch, weil Vasilj Paderborns letzte Chance durch einen Flatterball von Brackelmann per Glanzparade zunichte macht (85.).
„Unterm Strich haben wir verdient gewonnen”, bilanzierte Hürzeler, der nicht er selbst wäre, wenn er nicht die schlechtere zweite Hälfte rausstellen würde statt in Euphorie zu verfallen. „Diese Phase müssen wir uns selber ankreiden”, monierte er und wollte die vom Kollegen angedeuteten Glückwünsche partout nicht annehmen. „Ich habe da eine andere Meinung”, sagte er und verwies auf die Partie am kommenden Samstag beim KSC „einer der besten Mannschaften der Liga”.