St. Pauli stellt die Weichen: Mitglieder-Versammlung am Millerntor
Auch in der Länderspielpause wird es im Millerntorstadion lebendig. Am Samstag um 13 Uhr, fast zur gewohnten Anstoßzeit, steigt die erste von zwei ordentlichen Mitgliederversammlungen in diesem Jahr – auf der Haupttribüne, mit Blick auf den Rasen, auf dem die Mannschaft in diesem Jahr so erfolgreich und sehenswert wie lange nicht kickt. Um Fußball geht es nicht, sondern um Vereinsstrukturen. Der Kiezklub will Weichen für die Zukunft stellen.
Im Zentrum der Veranstaltung, zu der sich bis mehrere Hundert Mitglieder angemeldet haben, stehen zwei Anträge auf Änderung der Satzung des Vereins, die aus den Reihen der Führungsgremien des Kiezklubs kommen. Man kann von einer Struktur-Reform sprechen.
Der Antrag, eine verbindliche Frauen-Quote in der Satzung zu verankern, ist von langer Hand vorbereitet, vom Präsidium und Aufsichtsrat des Vereins „vollumfänglich unterstützt“ und dürfte, so wird es eingeschätzt, durchgehen. Dafür ist die Zustimmung von 75 Prozent der stimmberechtigten und teilnehmenden Mitglieder nötig.
St. Pauli braucht eine Dreiviertelmehrheit für die Frauen-Quote
Künftig soll der Anteil von Frauen in den Gremien des Kiezklubs „mindestens 30 Prozent“ betragen, im ersten Schritt angelehnt an die bislang 25 Prozent weiblicher Mitglieder im Verein. Sollte deren Zahl signifikant steigen, soll auch die Quote entsprechend angepasst werden. Der Antrag ist von der „AG Diversität“ ausgearbeitet und gestellt worden, der auch Aufsichtsratschefin Sandra Schwedler und Vize-Präsidentin Christiane Hollander angehören.
Einen ersten Schritt in die erwünschte Richtung dürfte mit der offiziellen Wahl von Esin Rager gemacht werden, die seit 1. Juli kommissarisch als Vize-Präsidentin und Nachfolgerin des vorzeitig ausgestiegenen Joachim Pawlik fungiert. Damit wäre im fünfköpfigen Präsidium die 30-Prozent-Quote sogar übererfüllt. Die Wahl gilt vorerst bis zum 1. Dezember. Dann wird auf einer zweiten Mitgliederversammlung das Präsidium um Präsident Oke Göttlich neu gewählt.
Der erst vor zwei Wochen eingereichte Antrag gegen die Einführung einer Quote dürfte für eine lebendige Diskussion sorgen.
Struktur-Reform auf St. Pauli: Präsidium will „besondere Vertreter“ einsetzen
Der zweite zentrale Antrag der Tagesordnung ist weit weniger griffig als die Frauen-Quote, aber nicht minder wichtig aus Sicht der Vereinsführung. Er betrifft die Berufung sogenannter besonderer Vertreterinnen und Vertreter in das Präsidium.
Was trocken und bürokratisch klingt, soll dafür sorgen, dass St. Pauli „wettbewerbsfähig bleibt“, wie Göttlich bei der Vorstellung des Konzepts betonte. Der Antrag ist von Präsidium und Aufsichtsrat eingebracht.
Neue Strukturen bei St. Pauli: Rückt Sportchef Bornemann auf?
Ziel dieser Maßnahme, über deren Aufnahme in die Satzung die Mitglieder entscheiden sollen, ist laut Klubführung eine deutliche Professionalisierung, die St. Pauli handlungsfähiger und flexibler macht. Es gehe um die Stärkung des Modells mitgliedergeführter Verein.
Während das von den Mitgliedern gewählte Präsidium ehrenamtlich tätig ist und an die Grenzen der Arbeitskapazität stößt, sollen künftig bis zu vier Stellvertreterinnen und Stellvertreter in verschiedenen Kompetenzbereichen hauptamtlich arbeiten – mit mehr Verantwortung, aber auch Haftung und „Anspruch auf angemessene Vergütung“. So könnte etwa Sportchef Andreas Bornemann als ein solcher Vertreter ins Präsidium aufrücken.
St. Pauli-Mitgliederversammlung: Antrag will Ausschluss der Presse ermöglichen
Ein dritter Antrag am Ende der Tagesordnung ist brisant. Abgestimmt wird, ob das Präsidium aufgefordert werden soll, bis zur Versammlung im Dezember einen Satzungsänderungsantrag zu erarbeiten und dort zur Abstimmung zu stellen, welcher „der Mitgliederversammlung zukünftig ermöglicht, auf Wunsch und Antrag der Mitglieder*innen einzelne oder alle Pressevertreter*innen aus der Mitgliederversammlung auszuschließen.“
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Die Initiative ist umstritten. Während die einen beschwichtigen, es gehe lediglich um die theoretische Möglichkeit, sehen andere einen zumindest indirekten und unnötigen Angriff auf die Pressefreiheit, die schon mit dem Antrag infrage gestellt werde. Das Mitglieder-Votum zu dieser Thematik dürfte ein interessantes Stimmungsbild abgeben.
Mannschaft und Trainer sowie der Sportchef sind übrigens nicht vor Ort.