St. Paulis große Talente-Bilanz: Viel Hoffnung – nicht immer zurecht
Timo Schultz kennt die jungen Spieler und er schätzt sie. Das schlägt sich auch darin nieder, dass er in der abgelaufenen Saison einem zum Profi- und zweien zum Startelf-Debüt verholfen hat. Und überhaupt hat sich der FC St. Pauli die Entwicklung (von Spielern allen Alters) auf die Fußball-ideologischen Fahnen geschrieben. Zuletzt mussten sich allerdings einige von ihnen verabschieden. Zeit für eine Talente-Bilanz der vergangenen Jahre.
Hoch gehandelt, tief gefallen. Ein Szenario, das schon so manches Talent ereilt hat im Fußball. Bei (Ex-)St. Pauli-Youngstern träfe diese Beschreibung – wenn überhaupt – am ehesten auf einen zu, der sich zumindest in Sachen Spielzeit am Tiefpunkt befindet, bei dem aber keineswegs ausgeschlossen ist, dass es für ihn doch noch hoch hinaus geht: Christian Conteh.
St. Pauli: Conteh spielt kaum, Loubongo noch gar nicht
Jos Luhukay vertraute dem damals 19-Jährigen im Juli 2019, was er direkt mit einem Tor beim Profi-Debüt gegen Bielefeld – wohlgemerkt in der Startelf – zurückzahlte. Es folgten verletzungsbedingt und später vom Wechselwunsch getrieben nur acht weitere Einsätze für den Kiezklub. In der zurückliegenden Spielzeit brachte es Conteh, mittlerweile 21 Jahre alt, auch wegen Verletzungen bei Feyenoord Rotterdam gerade mal auf zwei Spiele.
Ein Conteh in der Spielweise ähnlicher, dribbelstarker Offensivmann ist Aurel Loubongo. Mit einem Testspiel-Tor gegen Ingolstadt machte der 1,73 Meter kleine Loubongo erstmals auf sich aufmerksam und schaffte es – ebenfalls unter Luhukay – einmal in den Spieltagskader. Danach fiel das „Top-Talent“ (Ex-Sportchef Uwe Stöver) lange aus und zuletzt bei seiner Rückkehr ins Profi-Training im Quarantäne-Trainingslager in Herzlake nach langer Zeit mal wieder positiv auf. Abgesehen davon, dass es eine klassische Flügelstürmer-Rolle in Timo Schultz‘ präferiertem Spielsystem mit Mittelfeldraute gibt, wird Loubongo auch an Muskelmasse zulegen müssen, um in der Zweiten Liga bestehen zu können.
Wieckhoff und Viet sollen sich bei den Profis etablieren
Jannes Wieckhoff und Christian Viet sind da schon ein paar Schritte weiter. Und bei beiden sollen in der kommenden Spielzeit möglichst viele weitere dazukommen. Für den beweglichen und spielintelligenten Viet, der bereits unter Luhukay als Einwechselspieler zum Zuge kam, sind die Halbpositionen in der erwähnten Raute wie geschaffen. Auch deswegen ist der 22-Jährige für die neue Saison fest eingeplant und wird trotz mehrerer Anfragen nicht verliehen.
Wieckhoff feierte unter Timo Schultz sogar sein Profi-Debüt und durfte unter dem ihm bereits aus der Jugend gut bekannten Coach insgesamt acht Mal auf der rechten Seite ran. Gegen Heidenheim erzielte er in der Hinrunde sogar ein Tor. Ohne monatelange Pause wegen Fußverletzung hätte der dynamische Rechtsverteidiger ganz sicher noch mehr Erfahrung sammeln können. Das kann Wieckhoff in der neuen Saison nachholen.
Sturm-Hoffnung mit 18 Jahren: Der „hochveranlagte“ Igor Matanovic
Gewisse Parallelen dazu gibt es bei Igor Matanovic, den Schultz in der Sturmspitze brachte, als es im Winter so gar nicht lief. Matanovic durfte ganze 18 Spiele machen und sein viel umjubeltes Siegtor gegen Hannover schießen, bevor ihn zum Saisonende Adduktorenprobleme ausbremsten. Mit gerade einmal 18 Jahren ist Matanovic ein Hoffnungsträger für die Zukunft in St. Paulis Offensive. Sportchef Andreas Bornemann beschreibt den 1,94-Meter-Schlaks als „hochveranlagten Spieler, der einem Spiel Impulse und auch eine Wende geben kann“.
Fester Bestandteil der Profis und unumstrittene Stammkraft ist seit geraumer Zeit Finn Ole Becker. Und vor einer entscheidenden Phase bei St. Pauli steht Luis Coordes. Der 22-Jährige, der ebenfalls unter Luhukay debütierte und bis zu einer Knieverletzung regelmäßig spielte, geht in seine vierte Saison im Herren-Bereich, zu mehr als 13 Einsätzen hat es aber bisher nicht gereicht. Schafft er in der kommenden Runde nicht den Durchbruch, hätte das wohl einen Abschied zur Folge.
FC St. Pauli: Franzke, Lankford und Carstens sind weg
So wie bei einer Reihe von Talenten, die aktuell hinfort gehen: Kevin Lankford zieht es genau wie Florian Carstens nach der Leihe dauerhaft zum Drittligisten Wehen Wiesbaden, Maximilian Franzkes Vertrag wurde aufgelöst, der Flügelspieler wechselt – ebenfalls nach Leihe – fest nach Magdeburg. „Es ist nicht bei allen so, dass sie sportlich nicht gut genug waren. Aber Spieler wie Kevin Lankford oder Maximilian Franzke passen als offensive Außen einfach nicht mehr so gut in das neue System“, erklärt Sportchef Bornemann im Gespräch mit der MOPO.
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Ähnliches gilt für Jakub Bednarczyk, bei dem zudem der Nachweis über die sportliche Qualität aussteht. Uwe Stöver holte den inzwischen 22-Jährigen im Januar 2019 aus Leverkusen. Weder Markus Kauczinski noch Jos Luhukay oder Timo Schultz fanden seitdem fußballerische Verwendung für den Polen. Und auch in der zurückliegenden Spielzeit hat er in zehn Spielen für Zaglebie Lubin kaum Eigenwerbung betrieben.
Brandt, Roggow und Teixeira mit Profi-Ambitionen
Von sich reden machte da schon eher Dauer-Talent Ersin Zehir (23), der schon 2018 unter Kauzcinski debütierte, bisher 21 Mal für St. Pauli und in der abgelaufenen Saison 30 Mal für den VfB Lübeck auflief (sechs Tore, vier Vorlagen). Eine Zukunft beim Kiezklub hat Zehir trotzdem nicht.
Bessere Aussichten hat neben Marvin Senger, dessen Vertrag vorzeitig verlängert wurde und der die kommende Saison erneut leihweise in Kaiserlautern verbringen wird, ein Talente-Trio: Max Brandt (20), Franz Roggow (18) und Hugo Teixeira (21) dürfen sich perspektivisch Hoffnungen auf ein Profi-Dasein bei St. Pauli machen. Am weitesten ist dabei Brandt, der seit dem Winter regelmäßig an der Kollau mittrainierte.