„Linsen drin“: St. Paulis schiebt nach 1:2 in Dortmund VAR-Frust – Schiri äußert sich
Was für ein wilder Abend im Fußballtempel zu Dortmund! Vor 81.365 Fans konnte der FC St. Pauli lange auf einen Punktgewinn hoffen, doch am Ende gab es gegen den so heimstarken BVB ein bitteres 1:2 (0:1). Besonders ärgerlich war für die Kiezkicker, dass ein Treffer von Morgan Guilavogui (30.) wegen einer angeblichen Abseitsstellung vom VAR einkassiert wurde.
Die Kiezkicker standen tief und kompakt, machten die Räume eng und verlegten sich aufs Umschaltspiel mit schnellen Kontern – wie in der 16. Minute als Oladapo Afolayan von Irvine geschickt wurde im Strafraum aber vielleicht einen Sekundenbruchteil zu lange zögerte und sein Schuss noch im letzten Moment von Bensebaini geblockt werden konnte.
Die erste echte Chance hatte allerdings den Dortmundern gehört, doch St. Paulis Nummer eins Nikola Vasilj war beim Außenristschuss von Guirassy aus kurzer Distanz auf dem Posten (6.).
Ein guter, couragierter Auftritt von St. Pauli
Der BVB hatte erwartungsgemäß mehr Ballbesitz und war am Drücker, doch genau darauf hatten es die Kiezkicker abgesehen, waren in ihren Ballbesitzphasen gut im Spiel und machten den Dortmundern durchaus Probleme, wenn sie mit Tempo nach vorne spielten. Ein guter, couragierter Auftritt der Gäste.
Auch auf den Rängen war St. Pauli gut dabei. Zwar sorgte die Gelbe Wand für die gewohnt großartige Stimmung, aber auf den beiden Geraden und auch der Nordtribüne war das Publikum äußerst passiv, sodass sich die mitgereisten knapp 8000 Fans aus Hamburg sehr deutlich bemerkbar machen konnten – und das auch schon vor der 28. Minute, in der auch der harte Kern der Ultras und ihre Vorsänger im Gästeblock auftauchten und der organisierte Support begann. So spät ertönte der Schlachtruf „Aux Armes“ wohl noch nie. Ab da war dann richtig Alarm im Block auf der Nordtribüne.
VAR kassiert Guilavogui-Tor ein
Riesengroß war der Jubel der Kiezkicker und ihres Anhangs als der starke Morgan Guilavogui eine Freistoßflanke von Eric Smith, die lange in der Luft war, ins Tor spitzelte – zum vermeintlichen und auch nicht unverdienten 0:1 (30.). Doch nach einem langen VAR-Check wurde die Bude von Schiedsrichter Jöllenbeck wieder zurückgenommen.
Der Stürmer soll bei der Ballabgabe Zentimeter im Abseits gewesen sein, doch der Moment, in dem der Ball den Fuß verlässt, ist immer eine Grauzone. Eigentlich war das zu uneindeutig, um die Tor-Entscheidung des Referees zu revidieren. Extrem bitter für die „Boys in Brown“ und auch den Schützen, der weiter auf seinen ersten Saisontreffer wartet. Und: es wäre die erst zweite St. Pauli-Führung in dieser Saison gewesen.
Blessin: „Und dann war es nicht Abseits“
Trainer Alexander Blessin sagte später beim Blick auf die TV-Bilder bei DAZN dazu: „Ich habe eine Linie gesehen, die war jetzt nicht unbedingt mit einem Kontakt beim Ball. Und dann war es nicht Abseits. Ich habe meine Linsen drin und sehe es dann gut. Der Ball ist nicht am Fuß. Der Ball ist einen Meter weit weg! Da bin ich mir nicht sicher und dann kann er es nicht abpfeifen. Aber es soll ja alles besser werden mit der Halb-Automatik. Da bin ich mal gespannt …”
Die Erklärung gab es wenig später von Jöllenbeck persönlich, wenngleich das Thema Abspielzeitpunkt auch von ihm nicht final geklärt werden konnte. „Auf dem Feld haben wir es nicht ganz auflösen können, weil es eben sehr sehr eng war, demnach ist das Tor durch den Video-Schiri in Köln geprüft worden. Da ging es dann eben darum, dass man den Abspielzeitpunkt genau festlegt. Der Prozess ist in Köln gemacht worden und darauf müssen wir uns eben als Schiris auf dem Feld verlassen.“
Fußball kann brutal sein. Kurz vor der Halbzeit waren es dann die Dortmunder, die zuschlugen – in einer Phase, in der die eigenen Fans immer unruhiger wurden, weil es nicht lief, wie sich der Anhang das vorstellte gegen einen Aufsteiger und Außenseiter. Nach einer Hereingabe von Groß stieg Bensebaini nahezu unbedrängt hoch und köpfte den Ball platziert ins lange Eck – Vasilj streckte sich vergeblich (43.).
Bensebaini macht das 1:0 für Dortmund
Die zweite Halbzeit konnte erst mit Verspätung angepfiffen werden, da das Schiedsrichter-Gespann „technische Probleme“ mit dem Funk-Verkehr hatte. Man kann nur hoffen, dass das nicht schon bei der Kommunikation rund um das Abseitstor von St. Pauli der Fall war…
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Die Technik, die St. Paulis Ultras einsetzten, war Pyrotechnik und da gab es keinerlei Probleme bei der Handhabung – allerdings werden Probleme auf den Kiezklub zukommen, in Form von Geldstrafen durch den DFB für zahlreich abgefackelte Bengalos sowie eine Rakete, die in den Innenraum geschossen wurde und auf dem Rasen landete, was extra kostet.
Eric Smith gleicht mit einem Traumtor aus
Den Kracher des Abends zündete aber Smith, der den Ball in der 78. Minute aus mehr als 20 Metern mit rechts in die Maschen des Dortmunder Tores hämmerte, die St. Pauli-Fans in Ekstase versetzte und alles, was Gelb-Schwarz trug – Gegner auf dem Rasen eingeschlossen – in Schockstarre versetzte. Der 1:1-Ausgleich kam zu dieser Phase überraschend, denn die Hamburger hatten etwas die Ordnung verloren und der BVB war dem zweiten Tor näher gewesen, was Vasilj mehrfach verhinderte.
Das braun-weiße Stimmungshoch und die Hoffnung auf einen Punktgewinn, der ein echter Coup gewesen wäre, währte nicht lange. Fünf Minuten später köpfte ein sträflich am langen Pfosten allein gelassener Guirassy zur erneuten Führung der Gastgeber ein (83.). Mets war nur in der Nähe, nicht dran.
Guirassy mit dem 2:1, Dzwigala mit der Ausgleichschance
In der Schlussphase warf St. Pauli alles nach vorne, hatte noch eine große Chance durch den eingewechselten Dzwigala, wurde aber nicht belohnt. Schade. Da war auf jeden Fall ein Punkt und damit ein großes Erfolgserlebnis drin für die Kiezkicker, die von ihren Fans nach dem Schlusspfiff lautstark gefeiert wurden.
„Am Ende die Chance von Adam noch mal zum 2:2, da hätte man verdient noch mehr mitnehmen können“, haderte auch Stürmer Johannes Eggestein. Coach Blessin befand zurecht: „Das war natürlich ein Riesending nochmal. Grundsätzlich können wir mit der Leistung zufrieden sein. Da können wir uns jetzt nichts dafür kaufen, aber das ist genau das, was wir in Dortmund wollten.”