„Von zufrieden kann ich nicht reden“: St. Pauli hadert wieder mit dem Ergebnis
Viel Aufwand, überschaubarer Ertrag. Gut gespielt, bescheiden gepunktet. Nach dem im vierten Anlauf verpassten ersten Heimsieg und dem weiteren vergeblichen Versuch, endlich ein Tor am Millerntor zu erzielen, überwiegt beim FC St. Pauli die Enttäuschung über die verpasste Chance und den Dreier, der durchaus verdient gewesen wäre. Das 0:0 gegen den VfL Wolfsburg war angesichts der richtig guten Leistung zu wenig. Die Null hinten: stark. Die Null vorne: enttäuschend. Abwehrchef Eric Smith rechnete derweil vor, wie viele Zähler die Kiezkicker zu wenig auf dem Konto haben.
Zeichen der Zufriedenheit waren nach Ertönen des Schlusspfiffs nicht zu erkennen. Und auch nicht in den Gesichtern der Spieler in den Katakomben des wieder einmal ausverkauften Stadions, dass die überwältige Mehrheit der 29.546 Zuschauenden mit dem Gefühl verlassen haben wird, dass es nicht nur mehr hätte sein können, sondern auch müssen.
„Natürlich sind wir frustriert“, redete Kapitän Jackson Irvine Klartext. Wieder nicht belohnt für den überzeugenden Auftritt, wieder nicht getroffen. Das Warten auf das erste Heimtor in dieser Bundesligasaison geht weiter.
St. Pauli scheitert mehrfach an Wolfsburgs Grabara
Positiv: St. Pauli erspielte sich in dem nach einer Pyro-Aktion im Gästeblock (inklusive Raketen auf den Rasen) leicht verspätet angepfiffenen Duell zahlreiche Chancen und brachte auch mehr Bälle direkt auf des Gegners Kiste, was Trainer Alexander Blessin zuletzt gefordert hatte.
Problem: Im VfL-Tor stand Kamil Grabara ein Keeper, der einen Sahnetag hatte, zahlreiche gegnerische Schüsse parierte und zum besten Mann bei den Gästen avancierte. Der Mann mit der Gesichtsmaske – für die Braun-Weißen der miese Türsteher, der keinen reinlässt.
Zur ganzen Wahrheit gehört auch, dass die Abschlussqualität noch besser hätte sein können. In einigen Situationen fehlte es an der letzten Konsequenz oder auch Handlungsschnelligkeit.
Kiezkicker ärgern sich über verpasste Chancen
„Wir müssen daran arbeiten. Es war heute eine große Chance drei Punkte zu bekommen, aber leider haben wir sie nicht bekommen“, ärgerte sich Abwehrchef Eric Smith. Auch Chefcoach Blessin wusste nach einer „sehr, sehr guten Leistung“ seiner Mannschaft, die er mehrfach lobte, dass das Remis eine unzureichende Ausbeute war. „Natürlich wäre mehr drin gewesen.“ Und deshalb schränkte er auch bei seinem Fazit ein: „Von zufrieden kann ich nicht reden. Dafür fehlt einfach das Tor.“ Und ohne Tor kein Sieg. So einfach ist das dann am Ende.
Chancen waren, wie erwähnt, da. Ausreichend eigentlich. Die beste in der ersten Halbzeit, in der die Kiezkicker die bessere Mannschaft und spielbestimmend waren, hatte Irvine. Nach einer sehenswerten Kombination über Startelf-Rückkehrer Carlo Boukhalfa und Morgan Guilavogui zog der Australier im Strafraum mit Links satt ab, doch Grabara lenkte den Ball mit einem fantastischen Reflex noch über die Latte – das Publikum hatte bereits den Torschrei auf den Lippen gehabt. Auch Johannes Eggestein (15.) und Startelf-Debütant Danel Sinani (16.), der überraschend den Vorzug vor Oladapo Afolayan bekommen hatte, hatten gute Chancen.
Vasilj immer hellwach bei Wolfsburger Angriffen
„Wir müssen das Tor in der ersten Halbzeit machen, denn ich glaube, dass das Spiel dann noch mehr für uns läuft“, resümierte Eggestein. „Wenn man ein Tor geschossen hat, kommt man in einen Flow und schießt vielleicht noch das zweite und dann läuft so ein Spiel vielleicht anders. Das haben wir in der ersten Halbzeit verpasst.“
8:2 Torschüsse nach den ersten 45 Minuten sprechen eine klare Sprache. Das gilt auch für die 5:1 Flanken, 288:246 Pässe und 54:46 Prozent Ballbesitz.
Wolfsburg? Der drittbeste Angriff der Liga? Fand in Halbzeit eins kaum statt. War ungefährlich und agierte ideenlos, wurde von den intensiv und diszipliniert gegen den Ball arbeitenden „Boys in Brown“ aber auch gut in Schach gehalten. Einzig der Kopfball von Wind nach einer Ecke unmittelbar vor dem Halbzeitpfiff kam aufs Tor von St. Paulis Nummer eins Nikola Vasilj, der parierte.
Auch direkt nach der Pause – auch der Wiederanpfiff verzögerte sich, weil diesmal St. Pauli-Fans Pyrotechnik gezündet hatten – war er zur Stelle, entschärfte zwei Schüsse des Wolfsburger Überfliegers Amoura und zeigte, dass er ein verdammt wichtiger Rückhalt für das Team ist. Nicht auszudenken, St. Pauli hätte dieses Spiel verloren. Der Verlust wäre weitaus größer und vor allem schmerzhafter gewesen als der des einen Zählers.
Guilavogui steht bei einem Treffer wieder im Abseits
Torjubel gab es sogar – aber ohne den folgenden „Song 2“. Denn der Kopfballtreffer von Morgan Guilavogui (52.) wurde wegen einer Abseitsstellung nicht gegeben. Wie schon in Dortmund zählte ein Tor des erneut starken Angreifers nicht – mit dem Unterschied, dass die Abseitsentscheidung diesmal nicht umstritten war.
Bei seiner zweiten guten Chance (68.) brauchte er vor dem Tor zu lange, was weiterhin ein Problem aller Kiezkicker ist. „Wir dürfen einfach nicht zu viel überlegen, sondern mit dem ersten Kontakt den Schuss nehmen“, so Blessin. Zuvor hatten Eggestein, dem bei einem brandgefährlichen Konter zum Ende das Tempo ausging (58.) und Sinani, der in kurzer Folge an Grabara gescheitert war (63./65.), gute Chancen auf die Führung gehabt.
Smith trauert verpassten Punkten hinterher
Bei den Spieldaten hatten die Kiezkicker auch nach gut 90 Minuten in allen Kategorien mindestens leicht die Nase vorn, was das Remis eben nicht zu einem Grund zur Freude machen. „Wir haben uns den Punkt hart erarbeitet in Summe. Ein Sieg wäre möglich und auch verdient gewesen“, bilanzierte Sportchef Andreas Bornemann bei „Sky“.
Smith sagte angesichts von fünf Zählern nach acht Saisonspielen: „Ich glaube heute und auch gegen Heidenheim hätten wir gewinnen sollen“, befand der Schwede. „Wenn wir Glück haben, bekommen wir einen Punkt in Dortmund.“ Das wären vier bis fünf Zähler mehr auf dem Konto. Und statt Tabellenplatz 16 stünden sie deutlich über dem Strich. Trainer Blessin sieht es ähnlich: „Acht bis neun Punkte hätten wir gerne auf dem Konto.“ Die seien drin gewesen. Aber dafür fehlte vor allem eines: Tore.
Viel Zeit, vergebenen Chancen nachzutrauen oder an der besseren Verarbeitung der kommenden zu arbeiten, bleibt den Kiezkickern nicht: schon am Dienstag tritt St. Pauli im Pokal bei RB Leipzig an und vier Tage später in der Liga in Hoffenheim.
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Eggestein versprüht Zuversicht: „Wir haben ein gutes, dominantes Spiel gemacht gegen Wolfsburg und dementsprechend fahren wir auch positiv nach Leipzig. Das ist ein Spiel, da ist alles möglich. Da kann man auch weiterkommen, daran glaube ich fest.“