Mit Kampfansage: St. Paulis neuer Trainer Blessin legt los – erste Entscheidungen
Aufbruchstimmung am Millerntor. Spürbar, greifbar, hörbar. Der neue Trainer ist da. Alexander Blessin sprühte bei seiner offiziellen Vorstellung am Donnerstagnachmittag vor Tatendrang. Der Nachfolger von Trainer Fabian Hürzeler ließ keinen Zweifel daran, dass er beim Bundesliga-Aufsteiger die Mission Klassenerhalt nicht nur angehen, sondern erfolgreich bestreiten will und machte gleich mal eine Kampfansage an die Branchenriesen. Jetzt stehen für den neuen Coach erste wegweisende Personalentscheidungen an – eine wichtige scheint bereits gefallen.
Im schwarzen St. Pauli-T-Shirt mit einem kleinen Totenkopf auf der Brust betrat der Neue um 14.28 Uhr den prall gefüllten Pressekonferenzraum des Millerntorstadions, lächelte in die Runde und nahm zum ersten Mal auf dem Podium Platz. Seine ersten Worte, bevor der offizielle Teil begann: „Puh, die Luft wird immer dünner.“ Das war auf die Hitze und Sauerstoffknappheit im Raum gemünzt. Es bleibt zu hoffen, dass dieser Satz im Verlauf der kommenden Saison aus seinem Mund nicht mehr zu hören ist.
Alexander Blessin: Viele Glückwünsche zum St. Pauli-Job
Mit einem fröhlichen „Moin!“ begann der gebürtige Schwabe Blessin dann sein Eingangs-Statement, erzählte, dass er nach Bekanntwerden seines Wechsels vom belgischen Pokalsieger und Vize-Meister Royal Union Saint-Gilloise zum Kiezklub geradezu „bombardiert“ worden sei mit Glückwunsch-Nachrichten zu seinem neuen „geilen Verein.“
Der 51-Jährige freut sich „wahnsinnig“ auf den neuen Job und die Herausforderung. „Ich bin ein Familienmensch und habe das natürlich auch mit der Familie besprochen. Ich habe einfach wahnsinnig Lust drauf. Das Thema St. Pauli reizt mich ungemein.“ Der erste Anruf von St. Pauli-Sportchef Andreas Bornemann habe erst einmal Neugierde ausgelöst. „Je mehr wir darüber geredet haben desto interessanter wurde es.“ Spätestens nach dem zweiten Treffen, dass am Trainingsgelände an der Kollaustraße, seinem neuen Haupt-Arbeitsplatz stattfand, war es Begeisterung.
„Ich bin kein Fabian 2.0 – ich bin Alex Blessin“
Eines ist Blessin ganz wichtig und deshalb sagte er es klipp und klar: „Ich bin kein Fabian 2.0. Ich bin Alex Blessin.“ Aber natürlich gebe es deutliche Übereinstimmungen bei Spielidee und Herangehensweise, wenngleich der Ex-Profi (u.a. sieben Bundesligaspiele für den VfB Stuttgart) sein neues Team in der Bundesliga deutlich flexibler spielen lassen will (und angesichts der regelmäßigen Außenseiterrolle auch muss) als sein Vorgänger, den er für dessen „unglaublich gute Arbeit“ lobte.
Klassischen Underdog-Fußball wird es unter Blessin, der ein 3-5-2 -System favorisiert (Hürzeler setzte auf 3-4-3), aber nicht geben – und schon gar keinen Kaninchen-vor-der-Schlange-Stil gegen Topteams wie Bayern München, Dortmund oder Leverkusen. „Ich habe keine Angst vor jeglichen Namen“, stellt der frühere Stürmer klar. Das kann man durchaus als Kampfansage verstehen. „Wir wollen mutig und aggressiv sein – mit dem Ball und auch gegen den Ball.“
Kiezkicker sollen „mutig, gallig und gierig“ spielen
Aber: der Spielstil muss an die nächsthöhere Liga angepasst werden. „Wir müssen die Balance anpassen, denn wir werden diese Ballbesitzzeiten nicht haben“, sagt Blessin, kündigt gleichzeitig aber auch an, dass die Mannschaft unter seiner Regie „gallig sein, gierig sein und die richtige Mentalität auf den Platz bringen“ wolle.
Klares gemeinsames Ziel ist der Klassenerhalt. „Wir sind ein Aufsteiger in die Bundesliga – und wollen jetzt Bundesligist werden“, sagt Bornemann. Drinbleiben, dann möglichst etablieren. „Da ist der Trainer das entscheidende Puzzleteil.“ Der Sportchef schwärmt regelrecht vom wichtigsten Neuzugang: „Wir haben bei der Trainersuche zunächst ein profil erstellt. Alex erfüllt wirklich alle von uns gestellten Anforderungen.“
Blessin-Verpflichtung für St. Pauli ein Coup
Es spricht für St. Pauli, dass ein aufstrebender und bereits erfolgreicher Coach wie Blessin – zweimaliger „Trainer des Jahres“ in Belgien – den längst auch Vereine in den anderen europäischen Topligen auf dem Radar haben, den Kiezklub als attraktive und auch passende Station sieht, um erfüllt und erfolgreich arbeiten zu können – und dabei selbst den nächsten Schritt zu machen. Das ist nämlich auch ein Ziel von Blessin.
Einen richtigen Karriereplan habe er nie gehabt, antwortet er auf Nachfrage. Da ist er anders als Hürzeler. „Ich habe mir nie gesagt: ich muss nach Deutschland zurück oder mal in die Bundesliga.“ Der Job bei St. Pauli hat ihn gereizt, die Gespräche mit Bornemann haben ihn überzeugt, die Chemie stimmt. „Es hat einfach gepasst.“
Nemeth bleibt wohl Co-Trainer – er kickte mit Blessin
Das gilt wohl auch für Teile des Trainerteams. Während Towarttrainer Marco Knoop mit Hürzeler nach Brighton gehen will und hinter den Kulissen am Wechsel und Formalitäten gewerkelt wird, hat Co-Trainer Peter Nemeth früh signalisiert, gerne bei St. Pauli bleiben zu wollen.
Das letzte Wort hat der neue Chef-Coach. Der kennt Nemeth aus gemeinsamen Spielertagen bei den Sportfreunden Siegen. Das Wiedersehen hat Freude gemacht. „Wir haben uns schon ausgetauscht.“ Jetzt wird in Gesprächen geklärt, ob daraus ein Arbeitsverhältnis und Nemeth der „Assi“ von Blessin wird. Danach sieht es schwer aus.
Verstärkungen? Blessin steigt in Kaderplanung ein
Entscheidungen stehen auch in Sachen Kader an. Der neue Chefcoach wird im Dialog mit dem Sportchef analysieren und erörtern, auf welche Spieler er setzt und für welche ein Abschied besser wäre. Vor allem wird auch über potenzielle Verstärkungen gesprochen, die geplant und nötig sind. Auf welchen Positionen sieht Blessin Bedarf? Welche Spielertypen und Profile will er? Hat er gar schon Spieler im Auge? Möglicherweise aus Belgien? All diese Fragen quittierte er bei seinem ersten Tag als St. Pauli-Trainer mit einem freundlichen Lächeln. Und hielt sich bedeckt.
Die größte Herausforderung, die ihm ganz aktuell bevorsteht, ist eine andere und in Hamburg bekanntlich knifflige: eine passende Wohnung zu finden. „Ich mag das Hotelleben nicht“, sagt Blessin. „Ich brauche möglichst schnell meine eigenen vier Wände.“