„Mehr gepackt als gedacht“: Goretzka mit Traum-Comeback in Italien
Leon Goretzka lässt die deutsche Nationalmannschaft nach einer magischen Nacht im „Opernhaus des Fußballs“ auf den nächsten traumhaften Sommer hoffen. Dank des Rückkehrers feierte das ersatzgeschwächte Team von Bundestrainer Julian Nagelsmann im Viertelfinal-Hinspiel der Nations League beim ewigen Angstgegner Italien den ersten Sieg seit 39 Jahren. Nach dem 2:1 (0:1) durch Treffer von Goretzka und Kopfballungeheuer Tim Kleindienst winkt der erstmalige Einzug ins Final Four.
Das Ticket für das dann in München und Stuttgart ausgetragene Mini-Turnier soll im ausverkauften Signal Iduna Park am Sonntag (20.45 Uhr/RTL) in Dortmund endgültig gelöst werden. Zunächst egalisierte Kleindienst (49.) die frühe Führung der Gastgeber durch Sandro Tonali (9.). Dann entschied Goretzka ebenfalls per Kopf (76.) das Duell der viermaligen Weltmeister. Kapitän Joshua Kimmich bereitete beide Treffer vor.
DFB-Matchwinner Leon Goretzka: „Es war sehr schön“
„Es war sehr schön“, sagte Goretzka nach dem Sieg in der ARD und gestand: „Bei der Nationalhymne hat es mich mehr gepackt als ich gedacht habe.“ Denn das letzte mal hatte der Bayern-Star im November 2023 für den DFB gespielt. „Es war nicht einfach, das wurde hinlänglich berichtet“, ergänzte er mit Blick auf die lange Zeit ohne Nominierung, ehe er sich selbst bremste: „Ich habe da nicht zu viel zu gesagt – und dabei will ich es belassen.“ Er wolle lieber nach vorne schauen als zurück.
Nagelsmann setzte auf Goretzka ebenso wie auf die formstarken Mainzer Nadiem Amiri und Jonathan Burkardt in der Startelf. Die Idee hinter dem „minimal angepassten“ System: „Wir wollen mit einer guten Spielaktivität Überzahl schaffen.“
Nagelsmann beorderte Amiri und Burkhardt in die Startelf
Bevor es dazu kam, lief an den Panini-Buden vor dem altehrwürdigen Giuseppe-Meazza-Stadion schon Stunden vor dem Spiel Gianna Nanninis WM-Klassiker „Notti magiche“. Um eine magische Nacht waren auch die Gäste in ihren schwarz-weißen Jubiläumstrikots anlässlich des 125-jährigen Verbandsbestehens bemüht. Die mit einem Trauerflor für die verstorbene ehemalige Nationalspielerin Doris Fitschen angetretene DFB-Auswahl attackierte früh und suchte sofort den Weg zum Tor. Leroy Sané holte zur Freude der 3500 mitgereisten deutschen Fans nach nicht einmal 60 Sekunden den ersten Eckball heraus – eine seiner wenigen guten Szenen.

Doch die kalte Dusche folgte schnell. Nach einer Seitenverlagerung ließ David Raum Gegenspieler Matteo Politano entwischen, Jonathan Tah klärte dessen Hereingabe zu unentschlossen und Tonali nahm die Einladung eiskalt an. Für den in Abwesenheit des verletzten Marc-André ter Stegen vorübergehend zur Nummer eins beförderten Oliver Baumann war es im dritten Länderspiel der erste Gegentreffer.
Früher Rückstand – DFB-Team tat sich zunächst schwer
Kimmich schnappte sich nach dem Rückstand sofort Jamal Musiala, Routinier Pascal Groß machte eine beruhigende Handbewegung. Doch die Gäste taten sich nach dem Wirkungstreffer schwer. Die Offensive agierte mit ständigen Positionswechseln zwar sehr flexibel, es mangelte ohne die verletzten Florian Wirtz, Kai Havertz und Niclas Füllkrug aber an Kunst und Durchschlagskraft.
Für Gefahr sorgte zunächst einzig der starke Goretzka in seinem ersten Länderspiel seit 16 Monaten. Sein Kopfball landete auf dem italienischen Tor (15.), seinen Schuss parierte Gianluigi Donnarumma sicher (20.). Das DFB-Team hatte gegen sehr tief stehende Italiener viel Ballbesitz, doch es mangelte dem deutschen Spiel an Tiefe. Sané, Burkardt und Musiala kamen kaum einmal hinter die Kette der von fast 60.000 heißblütigen Tifosi angefeuerten Gastgeber.
Doppel-Wechsel zur Pause – Kleindienst traf zum 1:1
Die wenigen Offensivaktionen der Italiener hatten es in sich. Bei einem Distanzschuss von Tonali war Baumann nach einer halben Stunde zur Stelle, zwei Minuten später parierte der Hoffenheimer stark gegen Moise Kean. Nagelsmann versuchte mit lautstarken Rufen und Handzeichen seine Mannschaft neu zu ordnen. Doch mehr als ein Freistoß von Amiri (42.) sprang bis zur Pause nicht heraus – dennoch fand Goretzka die deutsche Leistung in Ordnung. „Fanden Sie die erste (Hälfte; d. Red.) so schlecht, oder was?“, fragte er den ARD-Reporter mit einem leichten Lächeln und meinte: „Wir haben auch ein ganz gutes Spiel in der ersten Halbzeit gemacht.“ Die Umstellungen nach der Pause hätten danach gefruchtet.
Denn der sichtlich unzufriedene Nagelsmann reagierte. Nico Schlotterbeck ersetzte den defensivschwachen Raum als Linksverteidiger, Kleindienst kam für den bemühten, aber wirkungslosen Burkardt – und war sofort zur Stelle. Eine Halbfeld-Flanke von Kimmich nutzte er per Kopf zu seinem dritten Tor im fünften Länderspiel.
DFB-Keeper Baumann: „War echt schön – total geil“
Vom Treffer beflügelt kam die DFB-Auswahl nun besser in die Zweikämpfe, die Angriffe hatten mehr Struktur. Aber auch die Italiener suchten weiter den Weg nach vorne. Kean verzog knapp, Baumann rettete gegen Giacomo Raspadori (beide 67.). Goretzka köpfte dann eine Kimmich-Ecke sehenswert ein, das sei eine „sehr schöne Geschichte“, freute sich der DFB-Comebacker. Der verlässliche Baumann rettete nach Goretzkas Tor den Sieg.
Das könnte Sie auch interessieren: „Völliger Käse“: Empörter Nagelsmann wehrt sich gegen Vorwürfe
„Unbeschreiblich. War echt schön, hat richtig Spaß gemacht, mit der Truppe hier aufzulaufen“, sagte der DFB-Keeper nach dem Spiel in der ARD. „Total geil, ich genieße es. Es ist aber erst der erste Schritt.“ Das betonte auch Nagelsmann. Und der Bundestrainer war erfreut über die Leistung von Matchwinner Goretzka. „Vor allem in der zweiten Halbzeit hat Leon ein herausragend gutes Spiel gemacht.“ Goretzka sei „schon der MVP“, sagte Nagelsmann und zeigte sich froh, dass der aus seiner Sicht wertvollste Akteur der Partie „so gut“ in die Nationalelf zurückgekehrt sei. (sid/tim)
Anmerkungen oder Fehler gefunden? Schreiben Sie uns gern.