Ein Paralympics-Volunteer geht in Paris eine Treppe zur Metro hinunter
  • Der deutsche halbseitig gelähmte Paralympics-Volunteer Benjamin geht eine Treppe zur Metro hinunter. Sportler und Zuschauer bemängeln die Barrierefreiheit in Paris - sowohl in den öffentlichen Verkehrsmitteln als auch teilweise in den Sportstätten.
  • Foto: picture alliance/dpa/Julian Stratenschulte

„Ich war schockiert“: Metro sorgt für Probleme bei Paralympics – Paris will reagieren

Es ist ein Hindernislauf bei den Paralympischen Spielen in Paris, der nicht auf dem Wettkampfplan steht, aber der Tausende Menschen täglich vor eine Herausforderung stellt. Die Pariser Metro mit ihrem Dickicht unterirdischer Gänge und Treppen ist bislang praktisch nicht barrierefrei, was neben Gehbehinderten im Alltag auch Menschen mit schwerem Gepäck, Kinderwagen sowie Ältere ausbremst, denen beim Treppensteigen schneller die Puste ausgeht. Nun gibt es zu den Paralympics – nicht zum ersten Mal – einen Vorstoß in Frankreichs Hauptstadt, die Metro endlich zugänglich für alle zu machen. Dabei handelt es sich um ein auf viele Jahre angelegtes Milliardenprojekt.

„Ich war schon schockiert, als ich das erste Mal in Paris ankam. Ich dachte, das ist eine Millionenmetropole“, schildert der deutsche Paralympics-Volunteer Benjamin Renner, der halbseitig gelähmt ist, seine Wege in der Metro. Aufzüge gebe es praktisch keine und die Rolltreppen liefen so schnell, dass er sie kaum unfallfrei nutzen könne.

Metro-Umbau auf 15 bis 20 Milliarden Euro geschätzt

„Ich kannte Berlin und dachte, in Paris wird das genauso oder besser sein.“ Um seine Ziele in Paris zu erreichen, plane er seine Wege vor allem mit Bus und Straßenbahn. „Dadurch muss ich mehr zu Fuß gehen.“ Manche Dinge gucke er sich gar nicht an. „Es ist schon sehr einschränkend“, sagt der junge Mann aus der Region Dresden.

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Die Präsidentin der für den Nahverkehr zuständigen Hauptstadtregion Île-de-France, Valérie Pécresse, möchte die Zugänglichkeit der Metro nun endlich verbessern und hat vor einigen Tagen einen Plan für eine „Metro für alle“ vorgelegt. Die Kosten werden auf 15 bis 20 Milliarden Euro geschätzt, die sich Region, Stadt und Staat teilen sollen.

Dabei ist es eine echte technische Herausforderung, das historisch gewachsene Netz unter der Erde mit Aufzügen auszustatten. Der Pariser Untergrund nämlich ist mit Leitungen aller Art, Gasnetzen, Kellern, Kanälen oder unterirdischen Parkhäusern durchzogen. Nicht umsonst hatte man in Paris bisher darauf gesetzt, die Zugänglichkeit von Bussen und der S-Bahn, dem RER-Netz, zu verbessern.

Französischer Behindertenverband ruft zu Umsetzung auf

Der französische Behindertenverband (APF) ist über den Vorstoß für eine barrierefreie Metro erfreut und möchte, dass nun endlich Nägel mit Köpfen gemacht werden. Es gebe „einen echten politischen Willen und eine Handlungsbereitschaft (…), die uns mit Hoffnung erfüllen“, teilte der Verband mit.

Damit das Milliardenvorhaben nicht am bereits angelaufenen Streit um die Finanzierung scheitert, hat der Verband die Verantwortlichen zum Abschluss eines Pakts zur Umsetzung des Projekts eingeladen. „Die Absicht ist natürlich lobenswert. Aber es sollte nicht nur bei Ankündigungen bleiben“, sagte der APF-Zuständige für Barrierefreiheit, Nicolas Mérille, der Zeitung „Le Parisien“.

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„Es ist eine Sache der Organisation“, sagt der deutsche Paralympics-Volunteer Renner zu der Herausforderung, vor der Paris bei der Frage der Barrierefreiheit der Metro steht. „Das Beste ist, einfach machen.“ In einem ersten Schritt wäre es schon eine Hilfe, wenn der Busverkehr ausgebaut würde, damit alle Stadtviertel oberirdisch einfacher erreichbar sind. Schrittweise könnten dann die Metrostationen angegangen werden.

Paralympics: Maurice Wetekam lobt Paris

Die deutschen Paralympics-Athleten arrangieren sich unterdessen mit den Gegebenheiten in der Metro. „Natürlich nehme ich wahr, dass Paris mit den sehr alten Strukturen nicht überall barrierefrei ist“, sagt Kugelstoßer Niko Kappel. „Aber ich will da überhaupt nicht auf Paris rumhacken. Das ist mir wichtig. Ich bin kein Fan davon zu sagen, ja da und dort gibt es überall Treppenstufen“, meint der Sportler.

„Ja, es gibt Herausforderungen. Aber im Team kriegen wir das super gemeistert. Wenn andere Athleten sehen, da kommt jemand nicht weiter oder eine Rampe ist zu steil, dann hilft man sich. Da lupft man den Rollstuhl hoch oder mehrere packen an und dann geht es weiter.“

Schwimmer Maurice Wetekam lobt unterdessen das Bemühen bei den Paralympics in Paris, problematische Wege für die Sportler zu entschärfen: „Was mir sehr positiv aufgefallen ist: Bei der Eröffnungsfeier waren alle Stellen, wo es Kopfsteinpflaster gab, asphaltiert. Das war für Rollstuhlfahrer sehr gut gemacht. Deswegen finde ich, das ist schon ganz gut.“

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Ob Paris als Erbe der Paralympischen Spiele in einigen Jahren tatsächlich über eine barrierefreie Metro verfügen wird, ist unterdessen noch nicht ausgemacht. „Nur eine teilweise Zugänglichkeit an einer Handvoll Stationen kann in Betracht gezogen werden, aber die Arbeiten sind nicht nur finanziell unverhältnismäßig teuer, sondern dauern pro Linie zwischen sieben und zehn Jahren und würden den allgemeinen täglichen Verkehr enorm beeinträchtigen“, heißt es jüngst in einer Analyse der Pariser Nahverkehrsgesellschaft (IDFM), aus der die Zeitung „Les Échos“ zitierte. (aw/dpa)

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