Kommentar: Tuchel hat sich bei seinem TV-Eklat wie ein bockiges Kleinkind verhalten
Wenn sich Menschen nach großen Leistungen nicht feiern lassen wollen, dann ist das grundsätzlich ein sympathischer Wesenszug. Die Reaktion von Thomas Tuchel nach der 4:0-Gala seiner Bayern im Klassiker gegen Dortmund dürfte dem Trainer aber weniger Sympathiepunkte eingebracht haben. Der Trainer wollte sich nicht aus Gründen des Understatements nicht loben lassen, sondern weil ihm die vorherige Kritik der Sky-Experten Lothar Matthäus und Dietmar Hamann gegen den Strich ging.
Schon auf der Pressekonferenz vor dem Spiel war Tuchel auf die beiden losgegangen. Die Experten hatten geäußert, dass sie eine Weiterentwicklung der Bayern unter seiner Ägide vermissen würden. Tuchel konterte: „Ich sehe bei den beiden auch keine Weiterentwicklung.“ Ein Satz, der an Coolness schwer zu überbieten war.
Tuchel hätte es dabei bewenden lassen sollen. Er wäre als Sieger aus dem Experten-Trainer-Streit hervorgegangen. Wäre, wäre, Fahrradkette, hätte Lothar Matthäus an dieser Stelle sagen können.
Denn Tuchel führte sich im vermeintlichen Hochgefühl nach der Gala nicht wie ein Sieger, sondern wie ein bockiges Kleinkind auf, das keine Süßigkeiten bekommt. Ja, Matthäus und vor allem Hamann schießen mit ihrer Kritik oft übers Ziel hinaus, Tuchel aber ist erfahren genug, um das souverän einordnen zu können.
Tuchel machte Hamann und Matthäus für Kritik verantwortlich, die diese nie geäußert hatten
Er lese grundsätzlich keine Medienberichte, hatte er vor dem Spiel gegen Dortmund betont. Das ist sein gutes Recht. Problematisch aber wurde nach dem Spiel, dass daraus ein gewisses Maß an Unkenntnis resultierte. Über ein angeblich schlechtes Binnenverhältnis zwischen Trainer und Mannschaft hatten nicht Matthäus und Hamann, wie Tuchel motzte, sondern der Sender Sport1 berichtet.
Und so machte Tuchels Wut-Ausbruch vom Samstagabend vor allem eines deutlich: dass die Bayern einen Trainer haben, der von der Kritik stark getroffen wird, der Anerkennung vermisst. Diese hätte er für die Leistung seiner Mannschaft verdient gehabt, für die eigene Leistung vor den TV-Kameras allerdings nicht. Denn damit hat er sich selbst geschadet – und dem Verein, weil schon eine gute halbe Stunde nach dem Abpfiff kaum noch jemand über die extrem starke Reaktion der Bayern auf das peinliche Pokal-Aus von Saarbrücken sprach, über die Demütigung der Dortmunder. Ein beleidigter Trainer hatte die Schlagzeilen auf sich umgelenkt.