„Seele verkauft!“ Scharfe Kritik an WM-Vergabe – Ex-Bundestrainerin greift DFB an
Feuerwerk in Saudi-Arabien – Entsetzen in Teilen der westlichen Welt: Während die Vergabe der WM 2034 im schwerreichen Wüstenstaat ausgiebig gefeiert wurde, ist die Kritik am Weltverband FIFA in anderen Ländern und bei Menschenrechtsorganisation noch lauter geworden. Auch eine Ex-Bundestrainerin spricht Klartext, gerichtet an den DFB.
„Die FIFA verkauft ihre Seele für die Milliarden aus Saudi-Arabien. Ein hässlicher Tag für das schöne Spiel“, kommentierte die Zeitung „USA Today“ die Entscheidung der FIFA-Mitgliedsverbände um den DFB vom Mittwoch.
Ähnlich deutlich wurden die Briten. „Groteske Verbeugung der FIFA vor Saudi-Arabien – der feigste Ausverkauf in der Geschichte des Sports“, schrieb der „Telegraph“. Der „Guardian“ meinte: „Die Schamlosigkeit des Vorgehens der FIFA wurde in Zürich in einer Demonstration der Verachtung für Regierungsführung, Demokratie, Liebe, Hoffnung und gesunden Menschenverstand deutlich.“
„Hier gibt es das Geld, hier gibt es Öl“
In der Heimat der FIFA und deren Präsidenten Gianni Infantino wird ebenfalls gescholten. Nach Ansicht des „Tagesanzeigers“ habe sich Infantino die FIFA „perfekt auf sich maßgeschneidert, damit er seine Großmachtträume verwirklichen“ könne: „Der Walliser hat eine offensichtliche Vorliebe für Autokraten entwickelt, die Putins und Trumps dieser Welt, für den Emir von Katar oder Mohammed bin Salman, den Kronprinzen von Saudi-Arabien. Geld lockt ihn an, das hat er schon mehrmals bewiesen.“
Die finanziellen Hintergründe werden auch in Schweden angeprangert. „Ein neuer, korrumpierter Entscheidungsprozess, eine neue Geschwindigkeitserhöhung, um den geopolitischen und wirtschaftlichen Schwingungen zu folgen“, schreibt „Aftonbladet“: „Hier gibt es das Geld, hier gibt es Öl, also geht der Fußball dorthin.“
FIFA-Menschenrechtspolitik eine „Farce“
Auch ein breites Bündnis aus Menschenrechtsorganisationen, Fangruppierungen und Gewerkschaften übte heftige Kritik. Der Beschluss beim FIFA-Kongress sei „brandgefährlich“, die „Menschenrechtspolitik des Verbands entpuppe sich als Täuschung“ und sei eine „Farce“, hieß es in einer Mitteilung, die unter anderem von Amnesty International, Human Rights Watch und den Football Supporters Europe unterzeichnet wurde.
Zuvor hatten weite Teile der deutschen Politik ihre Bedenken angemeldet und die FIFA unter anderem als „dysfunktional“ bezeichnet. Innerhalb des Weltverbands hatte nur der norwegische Verband um Präsidentin Lise Klaveness vor der Vergabe seine Bedenken hinsichtlich des Prozedere per Brief hinterlegt. Darin werden die Menschenrechte und die soziale Verantwortung der FIFA angesprochen.
Die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien gilt als prekär. Die Situation in dem Land, das den Mord an dem Journalisten Jamal Khashoggi im Jahr 2018 beauftragt haben soll, wird noch weit kritischer als vor der WM 2022 in Katar beschrieben.
Voss-Tecklenburg: „Haltung haben und leben“
Deutliche Worte gab es auch von der ehemaligen Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg. Sie kritisierte das Verhalten ihres ehemaligen Arbeitgebers bei der WM-Vergabe an Saudi-Arabien deutlich. „Wir haben viel im DFB zu meiner Zeit über Haltung haben und Haltung leben gesprochen. Ich finde, hier hätte man erwarten können, dass man sich zumindest enthält und damit auch ein Statement setzt“, sagte Voss-Tecklenburg am Mittwochabend im ZDF.
Wenige Stunden zuvor hatte die FIFA Saudi-Arabien bei einem Online-Kongress per Akklamation den Zuschlag für die Weltmeisterschaft in zehn Jahren erteilt. Einen Gegenkandidaten gab es ebenso wenig wie bei der Vergabe der WM 2030 an Spanien, Marokko und Portugal. Bei dem Weltturnier in sechs Jahren wird zudem jeweils ein Spiel in Argentinien, Uruguay und Paraguay stattfinden.
„Wir wollen Vorbilder sein“ – wie Norwegen
Die FIFA hatte Saudi-Arabien bei der Bewertung der Bewerbung ein „mittleres Risiko“ in Menschenrechtsfragen attestiert. Das Organisationskomitee verspricht weitreichende Reformen. Voss-Tecklenburg hätte sich vom DFB mehr Widerstand gewünscht.
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„Norwegen hat es vorgemacht. Wir wollen Vorbilder sein. Wir können Dinge nicht einerseits anprangern und uns dann mit diesem Verständnis wieder rausreden. Ich persönlich hätte mir etwas anderes gewünscht“, sagte die 56-Jährige. Voss-Tecklenburg war von 2018 bis 2023 Bundestrainerin und ist im ZDF als Expertin tätig. Norwegen hatte eine Protestnote angekündigt und den Prozess als „fehlerhaft“ und „unvereinbar mit den Prinzipien der FIFA-Reformen“ bezeichnet. (sid/tm)